Deutschland "im Fokus" des Terrorismus

Die Polizei konnte in einer spektakulären Aktion zwei Terrorverdächtige festnehmen, nach zwei weiteren wird gefahndet. Politiker und Experten sprechen von einer konkreten Gefahr in Deutschland, besonders deutlich wurde der Innenminister.
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Schäuble zieht Parrallelen zur RAF-Zeit
ap Schäuble zieht Parrallelen zur RAF-Zeit

Die Polizei konnte in einer spektakulären Aktion zwei Terrorverdächtige festnehmen, nach zwei weiteren wird gefahndet. Politiker und Experten sprechen von einer konkreten Gefahr in Deutschland, besonders deutlich wurde der Innenminister.

Nach der Festnahme zweier Terrorverdächtiger in einem Flugzeug und angesichts der Fahndung nach zwei mutmaßlichen Islamisten warnen Politiker und Experten vor der Terrorgefahr in Deutschland. Nach Einschätzung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) steht Deutschland «im Fokus des internationalen Terrorismus». Niemand müsse sich aber «nun mehr Sorgen machen, denn unsere Sicherheitsbehörden sind wachsam», sagte er der Zeitung «BZ am Sonntag». Man müsse den Behörden «aber auch die Instrumente an die Hand geben, die sie brauchen, um unsere Freiheit zu sichern», forderte Schäuble.

Zugleich warnte er vor einer falschen Solidarität mit islamistischen Terroristen und zog eine Parallele zu Zeiten des RAF-Terrors. «Gewisse Teile unserer Gesellschaft hatten damals eine klammheimliche Solidarität mit den Mördern des deutschen Linksterrorismus und hätten jeden Versuch der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden gegen die blindwütigen Mörder als völlig inakzeptabel abgelehnt», sagte der CDU-Politiker der Zeitung. «Genauso gibt es heute Menschen, die aus falscher Solidarität zu Extremisten und Terroristen halten», wurde der Minister weiter zitiert. Auch aus der Polizei selbst kamen warnende Worte. Nach Angaben des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, konnten in den vergangenen Jahren sieben konkrete Anschläge verhindert werden. «Aber wir hatten auch Glück, das muss ich ausdrücklich dazu sagen», betonte Freiberg am Samstag auf NDR Info. Die Bedrohungslage sei weiterhin sehr hoch.

Bosbach sieht «Strafbarkeitslücken»

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) forderte in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» härtere Gesetze: «Die aktuellen Fälle sind Beleg für Strafbarkeitslücken, die wir dringend schließen müssen.» Derzeit sei es in Deutschland nicht möglich, Rückkehrer aus Terrorcamps allein wegen des Besuchs der Lager zu inhaftieren, sagte Bosbach. Stattdessen müssten sie von den Sicherheitsbehörden mit enormem Aufwand überwacht werden. Der Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) warf Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) in dieser Frage eine «unverantwortliche Blockadehaltung» vor. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) befürchtet, dass sich immer öfter deutsche Konvertiten radikalen Islamisten anschließen könnten. «Besonders junge Menschen, die sich benachteiligt fühlen, sind für den Islamismus anfällig», sagte Herrmann dem «Münchner Merkur» (Samstag). Der Fall des gesuchten Eric Breininger sei dafür «ein Musterbeispiel». Nach dem Deutschen Breininger (21) und dem gebürtigen Libanesen Houssain Al Malla (23) wird offiziell gefahndet. Sie sollen nach Erkenntnissen der Behörden möglicherweise auf dem Weg aus dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zurück nach Europa sein. Breininger hatte in einem Internet-Video mit einem Selbstmordanschlag gedroht. Beide werden zum Umfeld der Terrorgruppe Islamische Dschihad Union (IJU) gezählt. Die IJU gilt auch als Drahtzieher der Anschlagspläne einer im Sauerland ausgehobenen Terrorzelle. Am Freitag nahmen Polizisten zwei Terrorverdächtige in einem startbereiten Flugzeug auf dem Flughafen Köln-Bonn fest. Ein 24 Jahre alter Deutscher, der in der somalischen Hauptstadt Mogadischu geboren wurde, und ein 23 Jahre alter Somalier stehen im Verdacht, sich am «Heiligen Krieg» und möglichen Anschlägen beteiligen zu wollen. Sie hatten entsprechende Abschiedsbriefe hinterlassen.

«Wir müssen mit Anschlägen rechnen»

Nach Einschätzung von Herrmann ist das Terrornetzwerk Al Qaeda weiterhin aktiv und verfügt in Deutschland mittlerweile über eigene Strukturen. «Wir müssen mit Anschlägen durch solche Gruppierungen rechnen», warnte Herrmann in der Zeitung. Nach Angaben des Ministers leben in der Bundesrepublik deutlich über 30.000 islamistische Extremisten. Etwa 50 Personen würden Verbindungen zu terroristischen Netzwerken zugeschrieben. Der Terror- und Islamexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Guido Steinberg, geht davon aus, dass die Fahndung nach Breininger und Al Malla mit der bevorstehenden Bundestagsdebatte über die Verlängerung der Afghanistan-Mandate zusammenhängt. Das sagte er der in Halle erscheinenden «Mitteldeutschen Zeitung». Die Sauerland-Gruppe habe nämlich Anschläge kurz vor einer Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes im vergangenen Herbst geplant. Die Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus ist das Thema einer internationalen Innenministerkonferenz am Samstag in Bonn. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat dazu seine Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Polen eingeladen. Auch US-Heimatschutzminister Michael Chertoff wird erwartet. (nz/dpa/AP)

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