Christian Wulff: Kreditaffäre - und jetzt die Predigt

Bundespräsident Christian Wulff hat gestern seine Weihnachtsbotschaft als Staatsoberhaupt aufgezeichnet. Die Union hofft auf einen Befreiungsschlag in der Kreditaffäre  
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Fröhliche Runde: Christian Wulff (r.) und seine Frau Bettina (2.v.l.) mit Carsten Maschmeyer und Veronica Ferres.
dapd Fröhliche Runde: Christian Wulff (r.) und seine Frau Bettina (2.v.l.) mit Carsten Maschmeyer und Veronica Ferres.

Bundespräsident Christian Wulff hat gestern seine Weihnachtsbotschaft als Staatsoberhaupt aufgezeichnet. Die Union hofft auf einen Befreiungsschlag in der Kreditaffäre

BERLIN - Ausgerechnet: Gestern hat Bundespräsident Christian Wulff seine Weihnachtsansprache aufgezeichnet. Auch in der eigenen Union wird mit Spannung erwartet, was das angeschlagene Staatsoberhaupt sagt, ob er überhaupt auf seine Affäre eingeht – oder auch, in welchem Tonfall er über ethische und moralische Maßstäbe spricht. „Ich hoffe auf einen Befreiungsschlag“, sagt etwa Hermann Kues, Vizechef von Wulffs heimischer Niedersachsen-CDU. „Ich gehe davon aus, dass er eine kluge Rede halten und die Dinge offen ansprechen wird.“

Er wird sich noch ein wenig gedulden müssen: Der Redetext wird am 23. Dezember an die Medien versandt, sie dürfen erst in den Ausgaben des 24. Dezember darüber berichten. Ausgestrahlt wird sie am 25. Dezember um 19 Uhr. Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten ist ein Klassiker: Seit 1970 spricht das Staatsoberhaupt zu Weihnachten und der Bundeskanzler zu Neujahr. Von 1949 bis 1969 war es umgekehrt. Sie sind meistens christlich und besinnlich geprägt, hatten teilweise sogar Predigtcharakter.

Da wird heuer bei Wulff wohl jeder Bürger bei jedem Wort aufmerksam mitlesen, ob dass Gesagte denn auch für das Staatsoberhaupt selbst gilt – so, wie jetzt seine früheren Äußerungen zu Ethik und Moral nochmal betrachtet werden, etwa: „Politik braucht ethische Maßstäbe, die aus Überzeugungen kommen, die über den Tag hinausweisen.“ (September 2011).

Der Mainzer Regierungschef Kurt Beck (SPD) appellierte an Wulff, die Weihnachtsbotschaft für eine Entschuldigung zu nutzen. Das Bundespräsidialamt teilte gestern nur mit, dass Wulff wie 2010 zur Aufzeichnung Menschen eingeladen hatte, die sich ehrenamtlich für andere engagieren, sowie Kinder, für die er die Patenschaft übernommen hat. Zuvor hatte sich herausgestellt, dass der Unternehmer Egon Geerkens offenbar doch stärker als bisher bekannt an dem 500000-Euro-Kredit beteiligt war als bekannt.

Bei einer Landtagsanfrage nach seinen Beziehungen zu Geerkens hatte Wulff das Darlehen verschwiegen – mit der Begründung, dass es von dessen Frau sei. Nun erklärte Wulffs Anwalt Gernot Lehr: „Die Modalitäten wurden gemeinsam besprochen, das Darlehen von Frau Edith Geerkens gewährt.“ Im „Spiegel“ hatte Geerkens selbst gesagt, er habe mit Wulff „verhandelt“. „Ich habe mir überlegt, wie das Geschäft abgewickelt werden könnte.“

Der SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy verglich Wulff mit Karl-Theodor zu Guttenberg: Der habe salamimäßig auch immer nur das eingeräumt, was man ihm nachweisen konnte. Für 31 Prozent der Bürger hat Wulff durch die Affäre an Ansehen verloren, so eine Forsa-Umfrage. Für 63 Prozent hat sich in ihrer Einschätzung nichts geändert.


 

 Der Strippenzieher und seine „Freunde“

Carsten Maschmeyer lässt Spitzenpolitikern gerne mal etwas zukommen

Parteibücher waren ihm offenkundig schon immer egal: Finanzjongleur Carsten Maschmeyer (52) zahlte auch für Gerhard Schröder (SPD) eine Anzeigenkampagne – ausgerechnet gegen Christian Wulff (CDU), damals noch im Kampf um die Macht in Niedersachsen. Jetzt bekommt eben Wulff die freundlichen Zuwendungen. Der frühere Chef des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD, Selfmademann und Lebensgefährte von Schauspielerin Veronica Ferres, sucht immer gern die Nähe zu Spitzenpolitikern.

Die Kampagne für Schröder habe er halt gemacht, um Lafontaine als Kanzlerkandidaten zu verhindern, sagt Maschmeyer lapidar. Dass er dabei auch gegen Wulff arbeitete, störte diesen – später selbst in Amt und Würden – nicht, mit Maschmeyer etwas zu beginnen, was er als „Freundschaft“ bezeichnet. Ursula von der Leyen kennt der Unternehmer übrigens auch.

Für den Finanzunternehmer ist der Vorteil klar: Wenn solide Politiker mit ihm vor Kameras posieren, konnte er seine umstrittenen Finanzprodukte besser verkaufen. Wulff hielt sogar zum 20-jährigen Bestehen von AWD eine Rede. „Dann glauben Anleger automatisch, dass ein solcher Mann seriös ist und sie mit seinen Geldanlageprodukten nichts falsch machen können“, sagt Ariane Lauenburg von „Finanztest“.

Viele Anleger haben allerdings mit den AWD-Finanzprodukten viel Geld verloren. Gegen Berichte über seine Praktiken, etwa die ARD-Doku „Der Drückerkönig und die Politik“, geht Maschmeyer massiv vor. In Österreich laufen Klagen gegen ihn. Aus dem Verwaltungsrat der Swiss Life, an die er 2008 AWD verkaufte, zog er sich zurück – „um den unberechtigten Angriffen den Boden zu entziehen“. Sein Privatvermögen wird auf 650 Millionen geschätzt. Da nehmen sich die gut 40000 Euro, die er für die Kampagne für Wulffs Buch gezahlt hat, wie Peanuts aus.

In Verlagskreisen heißt es, eine finanzielle Unterstützung von außen ohne Rücksprache mit dem Autor sei schwer vorstellbar. Mittlerweile ist Maschmeyer – der Wulff auch den Kontakt zu Ferres verdankt – in der Private-Equity-Branche tätig, die auch unter dem Begriff „Heuschrecken“ bekannt ist. tan


 

Seehofer gibt Schweigeparolen aus

 

Jetzt ist Wulff auch Thema im bayerischen Kabinett: Horst Seehofer gab in der letzten Sitzung vor Weihnachten seinen Ministern die Anweisung, sich in der Affäre um den Bundespräsidenten mit Äußerungen zurückzuhalten. Vor allem kritisierte er den Koalitionspartner FDP: „Das ist nicht unsere Sache das zu kommentieren.“ Dabei verfolgen CSU-Kabinettsmitglieder Wulffs Affäre nur noch mit Kopfschütteln.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es: „Wie soll der noch eine Weihnachtsansprache halten und von Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Zuversicht reden?“ Und sie erinnern an Max Streibl – der habe wegen einer einzigen Amigo-Reise zurücktreten müssen. bö

 

 

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