Christian Ude, der neue Kreuther Geist

Die CSU sucht auf ihrer Klausur ein Mittel gegen den als Schreckgespenst anwesenden SPD-Kandidaten. Seehofers Strategie – und erstmals hat in Kreuth eine Frau das Sagen  
Angela Böhm |
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Das Zentrum der Hanns-Seidel-Stiftung in Kreuth: Hierhin zieht sich die CSU zur Klausur zurück – Ude ist als Flaschengeist allgegenwärtig.
Das Zentrum der Hanns-Seidel-Stiftung in Kreuth: Hierhin zieht sich die CSU zur Klausur zurück – Ude ist als Flaschengeist allgegenwärtig.

Die CSU geht in Klausur und sucht ein Gegenmittel gegen den SPD-Kandidaten, der als Schreckgespenst stets präsent ist. Seehofers Strategie ist doppelbödig – und erstmals hat in Kreuth eine Frau das Sagen

Wildbad Kreuth - Er spukt wieder, der Kreuther Geist. Allerdings hat er sich heuer in ein rotes Schreckgespenst verwandelt. Wenn die angeschlagene CSU am Mittwoch in dem verschneiten Hochtal in Klausur geht, um Kraft zu tanken, schwebt über dem gelben Schlösschen Christian Ude, der Spitzenkandidat der SPD für 2013, und sorgt für eine Götterdämmerung. Noch nie stand den angeschlagenen Schwarzen ein solch schwieriges Jahr bevor. Aus eigener Kraft schafft die CSU es nach mehr als einem halben Jahrhundert nicht mehr, Bayern alleine zu regieren. Die Landtagswahl im Herbst nächsten Jahres wird für Seehofer & Co. zur Existenzfrage.

Wie er die CSU retten will, soll der Parteichef gleich zum Auftakt den 44 Bundestagsabgeordneten seiner Partei sagen. Doch ihm fehlen Konzept und Vision. Seit seiner Amtsübernahme vor drei Jahren dümpelt die CSU in den Umfragen zwischen 41 und 44Prozent dahin. Der Aufwind, den Horst Seehofer versprochen hatte, bleibt aus. Dabei geht es Bayern wirtschaftlich so gut wie nie zuvor. Profitieren tut die CSU davon nicht. Das Vertrauen ihrer Wähler ist weg.

Besonders bitter für Seehofer: In allen Umfragen ist sein Herausforderer Ude beliebter als er. Das gab es bisher bei einem CSU-Ministerpräsidenten noch nie. Ein Hauch von Wechsel liegt über Bayern. Der ist in der klaren Bergluft hinterm Tegernsee für die Christsozialen besonders bitter zu atmen.

Denn auch in Berlin herrscht Totengräber-Stimmung: Kaum einer in der CSU glaubt, dass Schwarz-Gelb 2013 zu retten ist. Auch in Bayern führt kein Weg mehr zu einer Neuauflage einer CSU/FDP-Regierung. Die Liberalen liegen unter fünf Prozent. Die Zukunft der Christsozialen hängt dann von Hubert Aiwanger, dem Chef der Freien Wähler, ab. Oder gar von der Piratenpartei. Wenn FDP, Linke und Piraten nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde verfehlen und damit 15 Prozent aus dem Rennen sind, könnte die CSU wieder alleine regieren.

 


Seehofers einziges Rezept: die alte Doppelstrategie von Franz Josef Strauß. In Berlin dabei – in Bayern dagegen sein. „Ankündigungspopulismus” nennen sie das in der CSU. Seit Tagen poltert er gegen die Rente mit 67. Dabei hat er sie damals als Mitglied der Bundesregierung selbst mitbeschlossen. Auch im vergangenen Jahr hat Seehofer keinen Vorstoß dagegen unternommen. Seit 1. Januar wirkt das Gesetz. Nun stellt er es in Frage.

 

Die Taktik ist immer die selbe: ob bei der Steuerpolitik, ob beim Euro und seiner verkündeten „roten Linie”, oder bei Karl-Theodor zu Guttenberg. Den Baron hatte er bei dessen missglückten Comeback noch scharf kritisiert. Nun pampert er ihn wieder, will ihn sogar in seinem Wahlkampf-Team locken. So wie den erzkonservativen Peter Gauweiler, für den er keinen Finger gerührt hat, als der beim CSU-Parteitag mit an Führungsspitze strebte und sein Ziel knapp verfehlte. Egal, in der Not muss jeder Mann ran. Auch wenn das Trio schon als „Seehofer und sein doppeltes Lottchen” verspottet wird. „Die Wähler sind ja auch nicht blöd”, stöhnt einer aus dem CSU-Vorstand.

Dabei hat zum ersten Mal eine Frau in Kreuth das Sagen. Gerda Hasselfeldt, die Chefin der Landesgruppe, lässt Horst Seehofer eiskalt auflaufen. Ob beim Thema Steuer oder Euro – sie steht mit ihren 44 CSU-Bundestagsabgeordneten treu zu Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und sie hält Wort.

Die „Großmaulpolitik” ihrer Vorgänger Peter Ramsauer und Michael Glos, die in Kreuth trommelten, um den Nimbus der CSU hochzuhalten, ist ihr fremd. Die 61-jährige Volkswirtin, die in München lebt, reißt keine Sprüche. Sie macht ganz ruhig sachorientierte Politik. Von Seehofer lässt sie sich nichts dreinreden. In der Landesgruppe hat er seine Durchgriffs- und Befehlsgewalt längst verloren.

So giftet er im Parteivorstand schon mal gegen Hasselfeldt, sie sei zu Merkel-hörig. Man dürfe nicht immer der Kanzlerin nach dem Mund reden. In Berlin aber beunruhigt das keinen mehr. Seehofer kann sagen, was er will. „Und die Karawane zieht weiter”, heißt es in der CSU. Umgekehrt legt auch Seehofer keinen Wert auf die Ratschläge von Gerda Hasselfeldt. Er fragt sie nicht und bezieht sie nicht ein, bei seinen Rundrufen zur politischen Lage.

 


So spielt Seehofer auf Zeit - und dass sich in der Politik die Dinge schneller, als man denkt, wieder ändern können. Vor genau einem Jahr schwebte noch Karl-Theodor zu Guttenberg als Damoklesschwert über Seehofer. Wann er ihn den ablöse, wurde der große Hoffnungsträger damals gefragt. Zwölf Monate später sitzt der Baron im Exil den USA und Seehofer fester denn je im Sattel.

 

Fünf Jahre nach dem Putsch gegen Edmund Stoiber in Kreuth muss sich Seehofer vor niemandem in der CSU fürchten. Es gibt keinen Revolutionsführer, keine personelle Alternative. Die CSU flüchtet sich in Fatalismus und ergibt sich ihrem Schicksal.
Als nächste große Politshow steht der Aschermittwoch an. Auch beim Hochamt der Schwarzen funkt Christian Ude dazwischen – im benachbarten Vilshofen auf dem Volksfestplatz. 

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