Bundestagspräsident Lammert wirft Linke raus
BERLIN - Am Freitagmorgen ging es im Bundestag um den Afghanistan-Einsatz. Als Abgeordnete der Linksfraktion Transparente gegen den Kundus-Angriff hoch hielten, eskalierte die Situation.
Eklat im Bundestag: Bundestagspräsident Norbert Lammert hat die Mitglieder der Linksfraktion mitten in der Debatte um den Afghanistan-Einsatz aus dem Saal geworfen. Grund: Die Parlamentarier waren plötzlich aufgestanden und hatten Plakate in die Höhe gereckt. Auf ihnen standen Namen der Opfer des umstrittenen Luftangriffs von Kundus.
Zuerst fordert Lammert die Abgeordneten auf, die Plakate runterzunehmen. Doch die Linken bleiben stehen. Lammert: „Ich schließe alle Kollegen, die der Aufforderung nicht gefolgt sind, von der weiteren Sitzung aus.“
„Das war ein Akt des Gedenkens“, rechtfertigt sich die designierte Linken-Chefin Gesine Lötzsch nach dem Rauswurf. Doch die Geschäftsordnung des Bundestags verbietet Abgeordneten eindeutig, an solchen Protest-Aktionen teilzunehmen. Das war der Linken auch bewusst, räumt die Fraktions-Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann ein: „Manchmal muss man auch solche Wege gehen.“ Die Linke will die Rechtmäßigkeit jetzt prüfen lassen. Grünen-Politiker Christian Ströbele springt den Linken bei: „Das ist ein völlig falsches Zeichen nach Afghanistan.“
Der Vorgang ist bisher einmalig in der Geschichte des Deutschen Bundestags. Den letzten Ausschluss gab es 1990, den bisher berühmtesten provozierte 1984 Joschka Fischer mit seinem Spruch: „Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch, mit Verlaub.“ Noch nie aber sind so viele Abgeordnete auf einmal rausgeflogen.
Aus fast allen Fraktionen kam Rückendeckung für Lammert: „Die Linken haben nicht auf die Kraft der Argumente gesetzt, sondern auf Klamauk. Das ist immer schlecht“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. „Das ist eine Beschädigung des Parlamentarismus“, sagt FDP-Chef Guido Westerwelle. Sogar Karim Popal, der deutsch-afghanische Anwalt der Kundus-Opfer, kritisiert die Aktion: „Der Bundestag ist nicht der geeignete Ort dafür.“
Streng genommen gilt ein Ausschluss für den ganzen Sitzungstag. Das heißt, die Linke hätte auch nicht mit über den Afghanistan-Einsatz abstimmen können. Doch die Mehrheit von Union, FDP und SPD ist dafür: Sie sollen wieder rein und ihr Votum abgeben. Mit 429 Ja-Stimmen wird das Afghanistan-Mandat schließlich verlängert (siehe Kasten).
Leichter wird es nicht, darüber sind sich wohl alle im Klaren. Wenige Stunden zuvor haben die Taliban in Kabul 17 Menschen getötet. Vermutlich auch deshalb verbittet sich Lammert solche Aktionen: „Im Bundestag hat es in allen Legislaturperioden einen Konsens gegeben, dass die Regeln dieses Hauses ausnahmslos für alle gelten“, sagt er. Dies sei unverzichtbar: „Auch im Bewusstsein der historischen Erfahrung, dass ein deutsches Parlament an dem leichtfertigen Umgang mit den selbst gesetzten Regeln bereits einmal gescheitert ist.“ A. Zoch