Betreuungsgeld her, Praxisgebühr weg
Der Kuh-Handel scheint perfekt: FDP und Union einigen sich auf Bares für Familien. Dafür werden die Kassenpatienten entlastet. Wie, ist noch offen. Das letzte Wort hat der Koalitionsausschuss.
Berlin - Lichtblicke am schwarz-gelben Himmel: Nach langem Streit hat sich die Koalition weitgehend geeinigt: das Betreuungsgeld soll kommen, dafür werden die Kassenpatienten entlastet. Dazu soll entweder die Praxisgebühr abgeschafft oder der Krankenkassenbeitrag gesenkt werden. Denkbar sei auch eine Kombination aus beidem, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Die endgültige Entscheidung fällt der Koalitionsausschuss allerdings erst Anfang November.
Zehn Euro für einen Arztbesuch, das ärgerte Patienten und FDP lange. Acht Jahre nach ihrer Einführung unter Rot-Grün, könnte die Praxisgebühr jetzt abgeschafft werden. Doch noch ist die Abmachung von Schwarz-Gelb nicht in trockenen Tüchern. Denn der Zehner pro Quartal und Patient bringt der Krankenversicherung immerhin rund zwei Milliarden Euro im Jahr.
Der FDP ist das egal. Sie pocht auf das Aus des Obulus und will so für Entbürokratisierung sorgen. Einen Hauch Rückenwind kam kürzlich von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Wegen der Milliardenreserven der gesetzlichen Krankenversicherung stellte sie die Praxisgebühr infrage.
Doch die CSU hält dagegen. Um die Kassenpatienten zu entlasten, setzt sie auf eine Senkung der Krankenkassenbeiträge. Der allgemeine Beitragssatz von 15,5 Prozent könne um 0,3 Prozentpunkte reduziert werden, hatte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt vorgeschlagen. Damit könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer um rund drei Milliarden Euro im Jahr entlastet werden.
Im Gegenzug will die FDP das Betreuungsgeld mittragen. „Wir verhalten uns vertragstreu. Das ist vereinbart“, sagt Brüderle dazu. „Ich bin sicher, dass wir bis Weihnachten alle Probleme gelöst haben werden.“ Dass das Betreuungsgeld allerdings am 1. Januar 2013 in Kraft treten wird, glauben die meisten Koalitionsvertreter nicht. Zumal die FDP versucht, mit der Bildungskomponente noch „etwas Vernünftiges“ hineinzuverhandeln, so Brüderle. Das Betreuungsgeld, das für ein- und zweijährige Kinder ohne staatlich geförderte Betreuung gedacht ist, solle nicht den Eltern zufließen, sondern auf ein sogenanntes „Zukunftskonto“ gezahlt werden. So sollen die geplanten 100 Euro und später 150 Euro monatlich für Ausbildung oder Studium des Kindes eingesetzt werden.
Eine solche Regelung wäre allerdings im Bundesrat zustimmungspflichtig. Die Leistung müsste in einem eigenen Gesetz geregelt werden – und das kann dauern. Gegen eine Verzögerung habe FDP-Fraktionschef Brüderle allerdings nichts: „Ich würde darüber nicht weinen.“
Beratungsbedarf gibt es auch bei anderen wichtigen Gesetzesvorhaben. So wurden die Schlussberatungen über das Haushaltsbegleitgesetz 2013 kurzfristig verschoben. Das Gesetz soll nun parallel zum Etatentwurf für 2013 verabschiedet werden. Bisher sollen mit dem Gesetz unter anderem die Kürzungen bei den Sozialkassen umgesetzt werden. Mit ihnen will Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Sanierung des Haushalts vorantreiben und die Einhaltung der Schuldenbremse früher umsetzen als nötig.
Auch die Änderung des Energie- und Stromsteuergesetzes wurde vorerst von der Tagesordnung gestrichen – die umstrittenen Ökosteuer-Rabatte für die Industrie sollen doch noch einmal auf den Prüfstand.