Berlin droht mit Tornado-Abzug aus dem türkischen Incirlik

Die Türkei hat Bundestagsabgeordneten erneut einen Besuch bei den deutschen Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik untersagt und damit die Krise in den deutsch-türkischen Beziehungen weiter verschärft.
dpa |
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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in Incirlik am 1. Juli 2016.
Jirka Ohk/Bundeswehr/PIZ EinsFüKdo Bw/dpa Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in Incirlik am 1. Juli 2016.

Berlin - Die Bundesregierung droht nun erstmals offen mit einem Abzug der deutschen "Tornado"-Aufklärungsjets, die sich von der Türkei aus am Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will aber zunächst weiter in Gesprächen nach einer Lösung des Streits suchen.

Die türkische Entscheidung nannte sie "misslich", das Auswärtige Amt sprach sogar von einem "absolut inakzeptabelen" Verhalten. SPD, Linke und Grüne fordern den sofortigen Abzug der Bundeswehrtruppe aus der Türkei. Favorit unter den Alternativstandorten ist Jordanien.

Der Besuch der Obleute des Verteidigungsausschusses war für Dienstag geplant und bereits vor Wochen angekündigt worden. Am Samstag wurde die Absage dem Auswärtigen Amt auf Arbeitsebene mitgeteilt. Als ein Grund wurde die Gewährung von Asyl für türkische Offiziere in Deutschland angegeben. Die Abgeordneten wurden am Montag darüber informiert.

Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Hellmich sprach sich dafür aus, den Abzug sofort einzuleiten. "Wir lassen uns nicht erpressen", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Ähnlich äußerte sich Fraktionschef Thomas Oppermann. Grüne und Linke halten den Abzug für längst überfällig. Der CDU-Verteidigungsobmann Henning Otte forderte dagegen lediglich, "mit höherer Dringlichkeit alternative Stationierungsorte in Betracht zu ziehen".
 

Gespräche mit Erdogan nächste Woche

Die Bundesregierung will zunächst einmal abwarten, ob die türkische Seite nicht doch noch einlenkt. Außenminister Sigmar Gabriel will am Mittwoch bei einem Besuch in Washington mit den USA über den Anti-IS-Einsatz sprechen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird nächste Woche beim Nato-Gipfel in Brüssel mit Merkel an einem Tisch sitzen. Am Rande der Sitzung könnte es zu einem bilateralen Gespräch kommen.

Merkel machte aber schon jetzt klar, dass das Besuchsrecht für deutsche Abgeordnete bei den Bundeswehrsoldaten nicht verhandelbar ist. "Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Und damit ist es absolut notwendig, dass Besuchsmöglichkeiten für unsere Abgeordneten bestehen bei ihren Soldatinnen und Soldaten." Der Bundestag entscheidet über jeden bewaffneten Einsatz der Bundeswehr. Die Truppe wird deshalb auch als "Parlamentsarmee" bezeichnet.

Von Incirlik aus beteiligt sich die Bundeswehr mit "Tornado"-Aufklärungsjets und einem Tankflugzeug an den Luftangriffen gegen die IS-Terrormiliz in Syrien und im Irak. Auf der Luftwaffenbasis sind etwa 260 deutsche Soldaten stationiert.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Türkei Bundestagsabgeordneten über Monate hinweg den Besuch bei den deutschen Soldaten in Incirlik verweigert. Im Oktober durften sie dann doch noch einreisen. Grund für die Verstimmung war damals, dass der Bundestag in einer Entschließung die im Osmanischen Reich an den Armeniern begangenen Verbrechen als Völkermord anerkannt hatte.

Später führte der Wahlkampf vor dem Referendum zur türkischen Verfassungsreform zu neuen Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis, die sich nun noch einmal deutlich verschärfen dürften. Die Türkei und Deutschland sind Nato-Partner. Das Verteidigungsministerium hat bereits Alternativstandorte in Jordanien, Kuwait und auf Zypern geprüft. Jordanien gilt als günstigste Option. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wäre der Einsatz von dort aber nur mit Abstrichen möglich.

Lesen Sie hier: Deutsche Übersetzerin in der Türkei festgenommen

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