Aufbruch – jetzt aber wirklich!
Wie oft meinte Bayerns SPD schon, über das Tal der Tränen hinweg zu sein? Mit dem neuen Chef Florian Pronold redet sie es sich wieder ein. Die Gesichter der Genossen sagen etwas anderes aus
WEIDEN Es hätte ein Neustart werden sollen. Doch die bayerischen Sozialdemokraten haben es wieder mal vermasselt. Ausgerechnet Ursula Engelen-Kefer, die Grande Dame der Gewerkschaften, die in Ingolstadt als Bundestagskandidatin antritt, wollte unbedingt vor der Bundestagswahl ein Signal setzen und die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre stoppen. Die Delegierten stimmten zu: „Die Rente mit 67 darf nicht in Kraft treten.“
Doch davon war anfangs nichts zu spüren. Desinteressiert tröpfeln die rund 200 Delegierten in die Max-Reger-Halle, lesen Zeitung, während ihr scheidender Parteichef Ludwig Stiegler selbstkritisch analysiert: „Wir neigen dazu, uns selbst die Federn blutig zu rupfen.“ Diese Unzufriedenheit übertrage sich auch auf den Wähler. Isabell Zacharias, die Münchner Landtagsabgeordnete aus dem Parteitags-Präsidium, schickt „Animateure“ durch die Reihen: „Wir brauchen Aufbruchstimmung für die Kameras.“
Stargast Franz Müntefering macht den Genossen Mut, bläst zur Attacke auf den Gegner. Die Steuersenkungspläne der Union kritisiert der SPD-Chef: „Das ist Wahnsinn, was die da machen wollen.“ Solche Versprechungen seien leichtfertig und unverantwortlich. „Dafür werden wir kein Geld haben.“
Die Bayern-Sozis streiten weiter
Die Bayern-SPD muntert er auf: „Mundwinkel nach oben. Wir wollen gewinnen. Wir müssen gewinnen. Wir werden gewinnen.“ Doch daran will von den Delegierten kaum jemand glauben. Denn der Bundes-SPD geht es nicht besser als den Bayern-Sozis: Sie befindet sich im Sturzflug.
„Ihr müsst lächeln“, fordert auch Pronold seine Truppen auf. Er will alte bayerische Traditionen wieder aufleben lassen: „Wir müssen ran an die Leiter, raus zum Fensterln, um die sozialdemokratischen Herzen zu gewinnen.“
Viel Zeit bleibt nicht. Motivator Pronold trichtert seinen Genossen wie ein Mantra ein: „Yes, we want! Ja, wir wollen!“ Die Sozialdemokraten dürften nicht „Schuld durch Schwäche“ auf sich laden, zitiert er Willy Brandt.
Als Müntefering weg ist, legen sie ihm dann doch noch schnell das Ei – mit der Rente. Pronold wiegelt ab: Damit poche die Partei doch nur auf die Einhaltung einer Überprüfungsklausel, die die Berliner Koalition vereinbart habe.
SPD-Landtagsfraktionschef Franz Maget gibt sich wie immer zuversichtlich: „Vor vier Jahren waren wir in der gleichen Situation und haben eine spektakuläre Aufholjagd geliefert.“ Dann atmet er tief durch: „Aber damals hatten wir ja Gerhard Schröder.“ Draußen, am Devotionalienstand, wird der rote „Kanzleramtsschlüssel“ als Anhänger schon als Sonderangebot verramscht. Angela Böhm
Wulff? Ude? Hauptsache Christian
Da hatte SPD-Chef Franz Müntefering wohl nur noch den politischen Gegner im Kopf: Er verwechselte Münchens SPD-OB Christian Ude mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU). Müntefering ordnete den Unionspolitiker in die Reihe der großen und erfolgreichen bayerischen Sozialdemokraten ein. Nach Hans-Jochen Vogel und dem Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly nannte er Christian Wulff. „Christian Ude“, schallte es ihm entgegen. „Der ist ja nicht da“, konterte Müntefering geschickt seinen Versprecher. Deswegen müsse er sich auch nicht entschuldigen.