Aiwangers Auftritt bei Lanz: Ein Publicity-Schub mit Kollateralschäden
Hubert Aiwanger, stellvertretender bayerischer Ministerpräsident, Vorsitzender und Spitzenkandidat der Freien Wähler, hat es geschafft. Der 52-jährige Landwirt aus Niederbayern war am Dienstagabend Gast in der nationalen ZDF-Talkshow von Markus Lanz und sorgte dafür, dass es nicht langweilig wurde, auch wenn Politikwissenschaftlerin Ursula Münch erkennbar arge Probleme mit seiner Interpretation der Fakten hatte.
Schon immer wird Aiwanger von der Sorge umgetrieben, seine Freien Wähler seien einfach nicht bekannt und profiliert genug. Mit glatt gebügelten Worthülsen und wohlfeilen Sprechblasen lässt sich so etwas nicht ändern, wohl aber durch gelegentliche Verstöße gegen politische Correctness und Austesten der Grenzen des gerade noch Sagbaren.

Mit der Forderung an die "schweigende Mehrheit", sich die Demokratie "zurückzuholen", bestimmt Aiwanger nun schon seit drei Wochen Teile der öffentlichen Debatte über Bayern hinaus. Dass dabei Kollateralschäden an der Demokratie entstehen, glaubt Aiwanger nicht oder er nimmt es ein Stück weit billigend in Kauf.
Nicht-Bayern und die Faszination an Aiwanger
Der Niederbayer ist sicher kein Extremist, dass er – wie er selbst sagt – "einer der wackersten Kämpfer für die Demokratie" ist, würden aber nicht alle seiner Parteigänger so einfach unterschreiben. Es ist ein Phänomen, dass ausgerechnet eine so kreuzbrave bürgerliche Partei wie die Freien Wähler einen so unangepassten Vorsitzenden hat. Doch der Erfolg zählt: Aiwanger war es, der nach vielen Jahren vergeblicher Anläufe die Freien Wähler in Bayern in den Landtag führte. Jetzt will er dasselbe auch auf Bundesebene erreichen.
Publizistische "Kracher" wie auch sein demonstratives Fremdeln mit der Corona-Impfung haben ihm einen gewissen Bekanntheitsgrad auf Bundesebene verschafft. Unterstützend ^für das Interesse von Nicht-Bayern an seiner Person wirkt sicherlich das dunkle "A" in Aiwangers Dialekt.
Aiwanger hat Söder mit seinen Äußerungen einen Gefallen getan
Regierungschef Markus Söder (CSU) geht mit seinem Stellvertreter in einer Art genervter Amüsiertheit um. Gezielt lässt Söder immer mal wieder durchblicken, dass er seinen Vize nicht ganz ernst nimmt. Andererseits ist Söder von Aiwanger abhängig: Würden Aiwangers Freie Wähler der CSU die Freundschaft kündigen, müsste er nach der Landtagswahl im Oktober mit einer der Parteien koalieren, die an der herzlich ungeliebten Berliner Ampel beteiligt sind. Aiwanger wegen seiner Eskapaden zu entlassen kommt daher nicht in Frage.
Eigentlich hat Aiwanger dem CSU-Chef durch seine jüngsten Äußerungen einen Gefallen getan. Söder hat die Gelegenheit genutzt, sich als korrekte Variante des Konservatismus gegenüber dem freien Radikalen Aiwanger abzugrenzen. Aiwanger werde das nicht wiederholen, gab sich Söder am Dienstagabend im TV zuversichtlich während Aiwanger auf einem anderen Kanal verkündete: "Wir müssen uns die Demokratie zurückholen, indem wir das (Heizungs-) Gesetz ändern wollen, im Sinne der Bevölkerung."