Tragödie Loveparade: Noch größere Sicherheitsmängel

Die Mängel beim Sicherheitskonzept sind offenbar noch größer als bislang vermutet. Das Party-Areal soll Medienberichten zufolge nur für 250 000 Menschen gedacht sein. Von Vorschriften wurde befreit.
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Umgestürzte Absperrgitter: Hier brach Panik aus
dpa Umgestürzte Absperrgitter: Hier brach Panik aus

BERLIN - Die Mängel beim Sicherheitskonzept sind offenbar noch größer als bislang vermutet. Das Party-Areal soll Medienberichten zufolge nur für 250 000 Menschen gedacht sein. Von Vorschriften wurde befreit.

Die Mängel beim Sicherheitskonzept der Duisburger Loveparade sind offenbar noch größer gewesen als bislang vermutet. So war das Party-Gelände am alten Güterbahnhof nach Informationen von „Spiegel Online“ nur für eine Viertelmillion Menschen freigegeben. Das geht aus einem Verwaltungsdokument hervor, aus dem die Onlineausgabe des Nachrichtenmagazins zitierte.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verlangte am Montag, deutschlandweit alle Großveranstaltungen noch einmal auf den Sicherheitsaspekt zu überprüfen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen, Frank Richter, forderte eine bessere Ausbildung von Ordnern bei Großveranstaltungen wie der Loveparade.

Bei einer Massenpanik auf der Loveparade waren am Samstagabend 19 Besucher ums Leben gekommen. Laut Polizei wurden 342 Menschen verletzt, viele von ihnen schwer. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen zur Unglücksursache auf.

Wie „Spiegel Online“ berichtete, hat der Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht im Duisburger Amt für Baurecht und Bauberatung in dem betreffenden Verwaltungsdokument die Organisatoren von der Vorschrift befreit, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einhalten zu müssen.

Gleichzeitig verzichten die Beamten auf Feuerwehrpläne. Dafür hätten sie den Ausrichtern der Party vorgegeben: „Die maximale Personenzahl, die sich gleichzeitig auf dem Veranstaltungsgelände aufhalten darf, wird (...) auf 250.000 Personen begrenzt.“ Die Veranstalter des Festes hatten noch wenige Stunden vor dem Unglück von etwa 1,4 Millionen erwarteten Teilnehmern gesprochen.

Wie „Spiegel Online“ weiter erfuhr, seien inzwischen bei der Bundespolizei sämtliche Unterlagen zur Love Parade – Einsatzbefehle, Lagemeldungen, Karten – von den Computern der Beamten sowie aus deren E-Mail-Accounts gelöscht worden.

Der GdP-Vorsitzende Richter sagte unterdessen, es reiche nicht, jemandem nur eine Binde umzulegen und zu sagen: „Du bist jetzt Ordner“. Auch er monierte, das Gelände, auf dem die Loveparade in Duisburg stattfand, sei für eine solche Veranstaltung gar nicht ausgerichtet gewesen. Die GdP habe zwar darauf hingewiesen. Für die Sicherheit seien jedoch der Veranstalter und die Genehmigungsbehörde, nicht die Polizei zuständig gewesen. Bayerns Innenminister Herrmann sagte, bei allen größeren Veranstaltungen müsse jetzt noch einmal überprüft werden, ob das jeweilige Sicherheitskonzept so gut sei wie es „nach menschlicher Vorausschau möglich ist“. Theoretisch könne immer eine Massenpanik durch Unglücke oder irrationales Verhalten der Besucher auftreten. Dies müsse aber vom Veranstalter einkalkuliert werden. Beim Münchner Oktoberfest beispielsweise gebe es für einen solchen Fall ausgereifte Konzepte.

Bei der Sicherheit dürften auf keinen Fall Abstriche gemacht werden, forderte Herrmann. Die Behörden dürften sich von den Veranstaltern niemals mit dem Argument unter Druck setzen lassen, wie bedeutend eine Veranstaltung sei und wie viele Menschen diese anziehe.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) lehnte bei der Suche nach den Schuldigen für das Unglück „Schnellverurteilungen“ ab. Das Ermittlungsverfahren werde jetzt alle Details klären, sagte er. Er wolle keine „Ferndiagnosen“ machen, zeigte sich aber sicher, dass „alles aufgeklärt wird, weil man Konsequenzen für die Zukunft ziehen muss“. Bei solchen Großveranstaltungen gebe es jedoch immer ein „Restrisiko“.

ddp, Nathalie Waehlisch

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