Zwei Münchner werben für Tiny Houses: "Man hat Platz für alles"
München - Es ist eine Idylle wie einst bei Peter Lustig und "Löwenzahn", die Felicia Rief und Jonas Bischofberger direkt an der Münchner Stammstrecke in Pasing geschaffen haben.
Privates Reich auf 18 Quadratmetern
Zwei kleine Häuschen stehen hier, Tiny Houses, die auf 18 Quadratmetern - oder, wenn man die Höhe von vier Metern mit einbeziehen will, auf 73 Kubikmetern ein durchaus wohnliches Reich bieten. Zwar nur geduldet auf dem Bahngelände, aber mit hübsch angelegtem kleinen Garten und sogar mit Dachterrasse. Müssen Lokführer an dieser Stelle einmal halten, erzählt Rief, sagen sie kurz hallo, müssen sie nicht halten, gibt's manchmal kurz ein grüßendes Signal.
Tiny Houses, die kleinen Häuschen, in denen Bewohner auf geringstem Raum alles zum Leben Nötige verstauen, werden immer wieder als Möglichkeit genannt, Wohnraummangel zumindest ein bisschen abzuhelfen. Geht so etwas auch in München?
Pop-up-Projekt in Pasing
Rief und Bischofberger wohnen nicht dauerhaft in ihrem Tiny House, sie nennen es ein Pop-up-Projekt, das ein Anschauungsobjekt für Interessierte sein soll. Drinnen finden sich ein kleines Duschbad, eine Garderobe am Eingang, eine Küchenzeile, und die Treppe ist zugleich ein Schubladenschrank, der zum Schlafbereich führt.
Es sind verschiedene Gründe, die Menschen an ein Tiny House denken lassen, so Rief: "Bei jungen Leuten ist es der Mobilitätscharakter, dass man flexibel ist." Es sei erschwinglicher als ein "normales" Haus, und Studenten oder Azubis könnten ein Tiny House auch mieten.
Viele Senioren, die aufs Geld schauen müssen, informieren sich
Ältere dagegen kommen oft, weil sie auf die Rente schauen müssten, beobachtet Rief, und gerade bei vielen Frauen stünde Selbstbestimmung im Vordergrund. Für sie selbst ist das Thema Nachhaltigkeit wichtig, der Einsatz umweltschonender Materialien, der geringere CO2-Fußabdruck.

Ob das Minihaus zu einem passt, müsse jeder selbst rausfinden, meint Rief. Das Wohnraumproblem in München lösen könnten sie sicher nicht, aber sie sind für die junge Frau ein Teil der Lösung.
Tiny Houses als Zwischennutzung für Brachgelände
Mehr noch könnten sie "ökologische Lückenfüller" sein, also eine attraktive Zwischennutzung für ansonsten brachliegendes, verwahrlosendes Gelände - so, wie es auch an den Gleisen gewesen sei, bevor die Minihäuser kamen. Rief und Bischofberger haben unzählige Orte auf einem Plan von München markiert - jeder steht für ein mögliches Tiny-House-Grundstück.
Baulücken, Brachen - "da gibt es ein großes Potenzial in München", findet Rief. Außerhalb der Landeshauptstadt, in Karlsfeld, ist sogar eine ganze Siedlung mit den Kleinsthäusern angedacht - Zukunftsmusik, sagt Rief, und es müsse auch nicht immer eine Siedlung sein. "Wir sind noch am Anfang."
Sie setzt auf SPD und Grüne im Münchner Stadtrat. Ein Antrag, die zeitweise Aufstellung zur Zwischennutzung zu ermöglichen, wurde vor fast genau einem Jahr von den beiden Fraktionen eingereicht - laut Ratsinformationssystem ist er "in Bearbeitung".
Mehrere Stadtratsfraktionen fordern stadteigene Bebauungspläne
Die Häuser "können zwar keine Lösung für die massive Wohnungsnot in München bieten", heißt es in der Antragsbegründung. "Beispielsweise für junge Menschen in der Ausbildung oder auch für die Unterstützung von Care Arbeit (Pflege/AuPair) kann diese reduzierte Wohnform jedoch ein interessantes temporäres Angebot sein." Die Fraktion der Linken/Die Partei zog im Mai dieses Jahres nach und forderte für stadteigene Kleinstgrundstücke Bebauungspläne, die Minihäuser zulassen.

Auch für höhere Ansprüche geeignet
Auch, wer höhere Ansprüche hat oder mehr Individualität möchte, kann zum Tiny-House-Bewohner werden. In Grünwald etwa bietet die Bloxs GmbH - ja, eigentlich keine Tiny Houses, sondern "mobile boutique apartments". "Der Begriff Tiny House wird oft mit Wohnwagen aus Holz gleichgestellt, wodurch viele Gemeinden an Wagenburgen denken und bei Entscheidungen zögerlich sind", hat Geschäftsführer Thomas Schulz beobachtet. Das, was sein Unternehmen anbietet, hat mit einem Bauwagen nichts zu tun. Wer möchte, kann mit Klappbetten Stauraum schaffen, es wird ein "Premium Mini-Spa" geboten, Klimaanlage oder elektrische Fußbodenheizung sind ebenfalls möglich.
"Minihaus" nach Wunsch
"Der Trend geht überall in Richtung Individualisierung", berichtet Schulz. Darauf will er auch bei seinen Minihäusern eingehen. "Wir bieten hierzu einen vollumfänglichen Online-Konfigurator. Bei Bedarf kann ein Bloxs sogar virtuell in Echtgröße auf ein Grundstück projiziert und digital betreten werden." Angesichts der Grundstückspreise in München sieht er die kleinen Häuschen eher als Angebot für den Speckgürtel. Viele seiner Kunden haben bereits ein Grundstück. Das Minihaus sei eine mobile, temporäre Lösung - wenn dann etwa Enkel bauen wollten, könne man das Grundstück weitergeben.

Gerade für Menschen im hohen Alter, die ein großes Haus besitzen, aber nicht mehr unterhalten wollen, könne das kleine Haus ein Alterswohnsitz sein. Wenn sie dann früher ihre große Immobilie verkaufen, könnte dies durchaus ein Beitrag zur Verringerung des Wohnraummangels sein, findet Schulz. Auch Alleinstehende, deren Lebenspartner gestorben sei, gehörten zu den Interessenten. Jüngere Leute auf der Suche nach Minimalismus seien eher in der Minderheit.
Das Baurecht ist in der Regel das größte Hindernis für Menschen, die auf kleinstem Raum und doch in den eigenen vier Wänden wohnen wollen. "Der Endgegner ist die Baugenehmigung", schmunzelt Schulz. "Es gibt schon eine starke Behinderung durch die Bürokratie." Wichtig ist, dass der Bebauungsplan Tiny Houses überhaupt zulässt. "Wenn's politisch gewollt ist, findet man Wege", hofft Rief. Nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sei das Thema Flächenversiegelung viel präsenter.
Für Studenten gibt es sie schon: kleine Wohnwürfel
Auch Schulz hat ein Umdenken beobachtet: "Wir stellen erfreulicherweise fest, dass es bereits Kommunen gibt, die ihr Baurecht angepasst haben." Eine Lösung könnten zudem befristete Baugenehmigungen sein. Die ganz kleinen Häuser sind sogar außen vor: Mit einem Brutto-Rauminhalt von weniger als 75 m³ sind Tiny Houses noch genehmigungsfrei - wobei der Begriff des Tiny Houses grundsätzlich nicht eindeutig definiert ist und das Häuschen sowohl mobil sein kann als auch stationär.
Auf mehr Unterstützung durch den Freistaat dürfen Tiny-House-Fans wohl nicht hoffen: Im vergangenen Jahr antwortete er auf eine schriftliche Anfrage der FDP, ein "gewichtiger Beitrag" der kleinen Häuser im Zusammenhang mit der Schaffung von Wohnraum sei nicht erkennbar. In München ist das Interesse bislang offenbar verhalten: Nur eine Baugenehmigung in den vergangenen Jahren für ein explizit Tiny House genanntes Gebäude verzeichnet die Lokalbaukommission. 2005 wurden zudem in der Studentenstadt sogenannte Micro Compact Homes genehmigt, acht Wohnwürfel für Studierende.
Tiny House als Wohnraum der Zukunft
Möglich sei es aber, dass auch sehr kleine Häuschen genehmigt wurden, die ohne den speziellen Begriff beantragt wurden, heißt es. Rief, Bischofberger und Hündin Nera planen jedenfalls für die Zukunft, dauerhaft in ein Tiny House zu ziehen. "Ich merke bei mir, dass es für mich 'ne Erfüllung ist", schwärmt Rief. "Man hat Platz für alles, aber nicht für die unnötigen Dinge - das beruhigt einen einfach."
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