"Ziel ist, dass die Streifenkarte verschwindet": Was Münchens ÖPNV-Bosse planen
Manchmal reicht ein Wort, um zu verstehen, dass es die Münchner ÖPNV-Bosse auch nicht leicht haben. Schlitzwanddeckelfuge ist so ein Wort. Schlitzwand-was? MVG-Chef Ingo Wortmann spricht es bei der jährlichen Schifferlfahrt von MVV, MVG und S-Bahn München über den Ammersee aus, als er über die vielen notwendigen Bauarbeiten an Münchens in die Jahre gekommenem U-Bahn-System spricht.
Wortmann interessiert sich offensichtlich für Schlitzwanddeckelfugen. Den meisten Fahrgästen wird es reichlich wurscht sein. Sie sind einfach nur genervt von den niemals endenden Baustellen. Von einem "Jahrzehnt des Bauens" spricht S-Bahn-Chef Heiko Büttner gar, davon, dass er doch so gerne einfach mal nur eine normale Saison hätte (die er aber so schnell nicht erleben wird).
Dabei hat die Sache für die Verantwortlichen der Verkehrsunternehmen zwei Seiten. Einerseits nerven die Baustellen – andererseits werden sie dringend gebraucht, damit die Infrastruktur nicht (noch mehr) dahinsiecht.
MVG: Das ändert sich im ÖPNV in München
Büttner klagt bereits über die vielen sogenannten Langsamfahrstellen in seinem System, etwa auf der S8 bei Steinebach, wo die S-Bahnen nur noch langsam fahren dürfen – und das auf einem eingleisigen Abschnitt. Eine Verspätung in eine Richtung verursacht also gleich auch noch eine in die andere Richtung, wenn Gegenzüge warten müssen. Ja, es brauche ein Sofortprogramm für das Thema, sagt er im Gespräch mit der AZ.

MVG-Chef Ingo Wortmann betont ebenfalls, dass im Münchner U-Bahn-Netz zwar noch keine Streckensperrungen drohen, aber ebenfalls Langsamfahrstellen auf die Münchner zukommen könnten, die dann die Qualität der U-Bahn insgesamt beschädigen. Die Herren hoffen nun auf das viele versprochene Infrastruktur-Geld aus Berlin.
Dass da ausreichend viel im Münchner Schienenverkehr ankommt, ist aber noch lange nicht ausgemacht. "Ich bin hoffnungsfroh, aber das ist keine gmahde Wiesn", brummt Wortmann.
Was es ansonsten Neues zum ÖPNV gibt: Die AZ gibt einen Überblick.
Diese Ausflugsziele kommen (wahrscheinlich) neu in den MVV
Der MVV ist in den vergangenen Jahren – nach Jahrzehnten, in denen er einfach Stadt und S-Bahn-Landkreise umfasste – erheblich gewachsen. Und es geht so weiter.
Zum 1. Januar 2027 kommt Garmisch-Partenkirchen hinzu. Für Münchner Wanderer und Skifahrer durchaus interessant. Sie können nun auch ohne Deutschlandticket einfach dorthin fahren, etwa mit der Streifenkarte.

Interessant: "Wir arbeiten auch an einem MVV-Skiticket", sagt MVV-Chef Bernd Rosenbusch. Einen MVV-Skipass Sudelfeld etwa gibt es schon heute, nun soll es das Angebot eines Tickets, mit dem man anfahren, den Lift nutzen und unterm Strich Geld sparen kann, auch für Garmisch-Partenkirchen geben. Der Bahnhof Hausberg ist direkt am Skigebiet.
Für Münchner Ausflügler ebenfalls interessant: Ab 1. Januar 2026 ist auch das Ost-Allgäu dabei, dann kann man mit dem MVV die Züge etwa nach Füssen nutzen. Und: Neuschwanstein ansteuern.
Die nächsten Beitrittskandidaten sind Altötting, das 2027 zum MVV stoßen könnte (Rosenbusch: "Gut für alle Katholiken!") und Augsburg, wo es nach Angaben des MVV-Chefs bisher an der Finanzierung hakt.
Insgesamt sieht er die Erweiterung als Erfolg, obwohl zunächst kein einziger Zug, kein einziger Bus mehr fährt, weil ein Landkreis dazugehört. Er sagt, die Marktforschung aus Miesbach und Rosenheim habe gezeigt, dass sehr viel mehr Menschen überhaupt den ÖPNV nutzen, weil es einfacher sei, man auf einem Ticket weiter fahren könne und die Fahrgastinformation besser sei.
Erhoffter Effekt: Wenn mehr Menschen auf die Öffentlichen umsteigen, wird auch das Angebot erweitert. Nach Rosenbuschs Angaben zeigt sich das etwa schon im Landkreis Bad Tölz, wo mehr Busse angeboten würden (von denen dann wiederum auch Münchner Ausflügler profitieren könnten).
S-Bahn schickt Sanitäter in die Stationen
S-Bahn-Pendler kennen das Problem: Oft kommt es zu erheblichen Verspätungen wegen eines "Notarzteinsatz auf der Stammstrecke". Sehr häufig stünde der innerstädtische Verkehr in eine Richtung 20 Minuten still, sagt S-Bahn-Chef Büttner. So lange dauere es in der Regel, bis ein Notarzt vor Ort ist. Etwa einmal am Tag komme das durchschnittlich vor, sehr oft in der Stadt und im Berufsverkehr.

Nun aber steht eine S-Bahn, nachdem ein Fahrgast kollabiert ist, häufig nur noch fünf Minuten – mit entsprechend viel geringeren Verspätungsfolgen für nachfolgende Bahnen. Der Grund: Die S-Bahn hat im Berufsverkehr Sanitäter präventiv im Einsatz, die an mehreren Stationen wie an der Hackerbrücke oder in Laim Dienst tun. Um einzugreifen, wenn es ernst wird und um Fahrgäste gegebenenfalls am Bahnsteig versorgen zu können. Bis Ende des Jahres läuft das Pilotprojekt. Doch Büttner klingt sehr überzeugt, dass es fortgeführt werden wird.
Warum die Streifenkarte verschwinden soll
Die ÖPNV-Bosse sind sehr stolz auf "Swipe&Ride", jenes System, bei dem man in der App wischt, wenn man ein- und aussteigt und – so das Versprechen – den günstigsten möglichen Tarif bezahlt. "Es ist total unsinnig, sich noch eine Streifenkarte zu kaufen", sagt MVV-Chef Rosenbusch.
MVG-Boss Wortmann betonte im Gespräch mit der AZ: "Wir wollen so weit kommen, dass wir die Streifenkarte ersetzen können." Es gehe darum, sich die teuren Entwerter an U-Bahnhöfen und in den Fahrzeugen eines Tages einsparen zu können.
Das allerdings könnte noch dauern. 1,1 Millionen Streifenkarten hat die MVG im ersten Halbjahr verkauft – die Mehrzahl immer noch als Papierticket. Andererseits: Immerhin schon 500.000 Mal sind Fahrgäste im ersten Halbjahr laut Wortmann mit "Swipe& Ride" unterwegs gewesen.
S-Bahn-Zug der Zukunft wird ausgestellt
Spannend für ÖPNV-Nerds: Wie S-Bahn-Chef Heiko Büttner ankündigt, wird im Frühherbst ein 22 Meter langer S-Bahn-Zug der Zukunft für die Münchner an prominenter Stelle "mitten in der Stadt" ausgestellt. Mehr mag er dazu nicht sagen.
Naheliegend ist bei dieser Beschreibung aber wohl, dass der Zug im Rahmen der IAA (ab 9. September) präsentiert wird, die sich von Marienplatz über Odeonsplatz bis zum Königsplatz wieder über zentrale Orte der Innenstadt erstreckt.
S-Bahnen, die nicht in den Tunnel fahren
Die S7 aus Wolfratshausen endet bekanntlich mittlerweile oberirdisch im Starnberger Flügelbahnhof und befährt die unterirdische Stammstrecke gar nicht mehr. Für S-Bahn-Chef Heiko Büttner ein Erfolgsmodell. Die Linie sei deutlich pünktlicher geworden, betont er.
Auch das gesamte System habe profitiert, die Zahl pünktlicher S-Bahnen habe man von 87 auf 91 Prozent steigern können. Wäre da nicht naheliegend, noch mehr Linien rauszunehmen und nicht mehr durch die Tunnelbahnhöfe fahren zu lassen? Das schließt Büttner im Gespräch mit der AZ aus. Das sei nicht sinnvoll. Und betrieblich nicht machbar, da auch die Bahnhöfe Pasing, Ostbahnhof und Hauptbahnhof bereits an der Kapazitätsgrenze seien.