Wie die reißende Isar zahm wurde: Ist München gegen Hochwasser gerüstet?
München - Überschwemmte Ufer am Flaucher, verdorrte Wiesen im Englischen Garten. Der Klimawandel macht auch vor München nicht Halt. Extremwetterereignisse wie Hochwasser, Dürreperioden oder extreme Hitzewellen häufen sich.
Spätestens das Pfingsthochwasser von 1999 machte allen Münchnern klar, dass der Hochwasserschutz an der Isar neu gestaltet werden muss. Die Stadt hat viel umgebaut an ihrem Fluss. Aber hat es sich gelohnt? Und ist es zukunftsfähig?
Ist der Hochwasserschutz in München zukunftsfähig?
Kurze Rückblende, bereits vor dem Pfingsthochwasser hatten sich Stadt und Land entschlossen, gemeinsam den Hochwasserschutz an der "Reißenden" zu verbessern. Gleichzeitig wollten die Planer mehr Naturschutz und einen höheren Freizeitwert. Auf diesen drei Säulen sollte der sogenannte Isar-Plan ruhen, der 2.000 in Angriff genommen und vor zwölf Jahren für insgesamt 35 Millionen Euro fertiggestellt wurde.
Aber wie steht's heute um die Isar, wo es immer häufiger sehr stark regnet? Wir treffen die Isar-Plan-Projektleiterin Daniela Schaufuß (49) – als Abteilungsleiterin im Baureferat der Stadt zuständig für Wasserbau und Bauwerksunterhalt – auf der Corneliusbrücke. Von hier hat man einen guten Ausblick auf die Spuren der Vergangenheit und die Gegenwart des Hochwasserschutzes.
Die "Kleine Isar" und Biber sind geschützt
Die Vergangenheit, das ist der gebändigte alpine Wildfluss, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts kanalisiert und in ein Betonbett gezwungen wurde. Schaufuß zeigt, wo ein altes, 1904 gebautes Wehr, Teil der Einfassung des Flusses, noch gut zu erkennen ist.
Doch das Wehr hat Lücken bekommen und so konnte sich am Ostufer mit der "Kleinen Isar" ein artenreiches Biotop weiterentwickeln, ein paar Meter flussabwärts hatten sich Biber bereits vor dem Isar-Plan an der Museumsinsel angesiedelt. Der Isar-Plan schütze die "Kleine Isar" und auch den Biber. "Durch den neuen Seitenarm haben wir einen Wanderkorridor für die aquatischen Lebewesen geschaffen. Der Biber wird immer wieder auch an der Weideninsel gesichtet, insofern scheint er ihn zu nutzen."
Kleinere Fische brauchen in der Isar noch eine Fischtreppe
Parallel zur Corneliusbrücke sind quer zum Fluss Sohlschwellen eingebaut worden. Die Bauingenieurin erklärt, dass diese Sohlschwellen wichtig sind, um den Druck des Wassers von den Uferbefestigungen zu nehmen. Die Sohlschwellen stellen eine naturnahe Alternative zu klassischen Wehren dar, verhindern unter anderem, dass sich der Fluss immer tiefer in sein Bett gräbt.

Die Sohlschwellen an der Corneliusbrücke wurden 1904 errichtet und dienen der Sohlstabilisierung. "Diese Schwelle sollen und müssen wir noch in durchwanderbare aufgelöste Sohlrampen umbauen." Also künstlich gebaute, stark schräge Fließabschnitte, die Tiere aber überwinden können.
Zwischen der Wehranlage in Großhesselohe und der Reichenbachbrücke wurden im Zuge des Isar-Plans alle Stützschwellen entsprechend umgebaut. Für kleinere Fische, so die Projektleiterin, brauche es aber noch eine Fischtreppe an der Corneliusschwelle.
2009 entstand in der Isar die Weideninsel
Nächste Station: die Weideninsel. Eine Insel, die es vor 2009 gar nicht gegeben hat, die erst durch den Isar-Plan entstanden ist. Der Hintergrund: Damals habe es Proteste der Münchner gegeben, die um die alten Weiden am Ufer des Flusses fürchteten, erinnert sich Projektleiterin Daniela Schaufuß.
Also kam man auf die Idee, die Bäume stehen zu lassen und stattdessen ein zweites Flussbett um die Weiden herumzuleiten. Fertig war die 1500 Quadratmeter große Weideninsel, ein wertvolles Biotop und Rückzugsgebiet unter anderem für Enten und Blässhühner.

Deiche und Tierschutz für den Flaucher
Gleich gegenüber hat sich über die Jahre auf den Stufen des Ostufers ein Kultplatz entwickelt. Hier kann man im Sommer sein Handtuch ausbreiten und sich in der Isar abkühlen. Ein klarer Fortschritt in Sachen Freizeitwert. Weiter geht's zum Flaucher, der letzten Station unseres Rundgangs. Auch hier wurden Verbesserungen beim Tierschutz vorgenommen, etwa wurde das für Fische und andere Wassertiere flussaufwärts nahezu unüberwindliche Flaucherwehr durch einen Fischpass umgangen.
Im gesamten acht Kilometer langen Geltungsbereich wurden Hochwasserschutzmaßnahmen ausgeführt. Schaufuß: "Es wurden Deiche erhöht, Erdbetonwände eingebaut, Deiche verbreitert und sogar zurückverlegt. Immer an die Örtlichkeit angepasst. Das heißt, nicht alle Deiche haben eine Erdbetonwand oder wurden verbreitert."

Der Hochwasserschutz an der Isar hat sich 2013 bewährt
Die Erdbetonwand sorge für Stabilität, erklärt die Expertin. Das sei notwendig, um zumindest einen Großteil der Bäume am Ufer zu retten. Bei Hochwasser laufen die Deiche ansonsten Gefahr, dass Bäume umfallen, wenn der Boden aufweicht und der Deich Schaden nimmt.
Der Isar-Plan scheint in Sachen Tierschutz und Freizeitwert tatsächlich eine Erfolgsgeschichte zu sein. Und wie ist es mit dem Hochwasserschutz? Im Jahre 2013 bewährte sich das Unternehmen das erste Mal. Das Hochwasser – wieder um Pfingsten herum – hielt sich trotz gewaltiger Wassermassen auch dank des ausgebauten Sylvensteinspeichers in Grenzen. Dass man dem Fluss mehr Raum gegeben hat, machte sich bezahlt.
Eine Garantie für trockene Keller gibt es in München nicht
Die Projektleiterin erinnert sich: "2005 hatten wir mit 1050 m³ /s in München den Bemessungsabfluss." Das ist ein Hochwasser, welches statistisch nur alle 100 Jahre einmal auftritt. 2005 war schon ein Teil der Maßnahmen umgesetzt, es hat funktioniert, freut sich Schaufuß.
Eine Garantie für trockene Keller am Flussufer bedeutet das aber nicht. Hochwasser kann immer noch dafür sorgen, dass das Grundwasser nach oben gedrückt wird und in die Keller läuft. Wie zuletzt am 5. August 2020 in der Au.
Hochwasserschutz als Daueraufgabe an der Isar
Hochwasserschutz bleibt eine Daueraufgabe. An der Reichenbachbrücke konnte man jüngst beobachten, wie Bagger große Felsbrocken im Flussbett der Isar hin und her bewegten. "Ein Experiment", erklärt die Ingenieurin, um zu sehen, wie sich der Zufluss zur Kleinen Isar justieren lässt. Denn kein Plan ist so gut, dass er sich nicht noch verbessern ließe. Das gilt auch für den Isar-Plan. "Die Isar ist ein alpines Gewässer und damit steter Veränderung unterworfen."
Das bedeutet weiterhin viel Arbeit: "Wir räumen Müll weg, mähen die Hochwasserwiesen zwei Mal im Jahr, lassen Blühinseln stehen, machen Werbung für eine saubere Isar, führen Reparaturen durch, insbesondere nach Hochwasser, bauen Strukturen für die Fauna ein, erhalten die Hochwasserschutzeinrichtungen wie Dämme, Wehranlagen und vieles mehr."
Das Ziel: "Im Zuge dieses laufenden Unterhalts erhalten wir die durch den Isar-Plan geschaffenen Qualitäten." Das gilt für Hochwasserschutz, Tierschutz und Freizeitwert gleichermaßen.