„Von der Schwäche der SPD profitiert“
In München sind die Grünen bei der Europawahl zweiststärkste Kraft geworden - noch vor der SPD. Der Politik-Experte Jürgen W. Falter spricht im AZ-Interview über den Erfolg der Grünen, über ihre Wähler und ihr Potenzial, noch stärker zu werden.
AZ: Wie kann es sein, dass die Grünen in einer Stadt wie München bei der Europawahl wieder zweitstärkste Kraft sind – vor der SPD?
JÜRGEN FALTER: Die Grünen profitieren unter anderem von der Schwäche der SPD – so wie die FDP von der Schwäche der CSU und CDU profitiert. Das sind primär lagerinterne Wanderungen. Zudem wächst in Ballungsräumen die Frustration über die Zubetonierung der Landschaft. Ich rede jetzt nicht über München, sondern eher über Stuttgart oder Mainz, wo die Grünen stark sind.
Werden sie von der früheren Protest- zur Volkspartei?
Sie werden schon deswegen keine Volkspartei, weil sie weitestgehend eine Akademiker-Partei sind. Die Grünen haben die meisten Leute mit Uniabschluss unter ihren Wählern und Mitgliedern. Bei Bauern oder Arbeitern sind sie nicht so erfolgreich. Daher gibt es eine natürliche Obergrenze.
Wie groß ist das Potenzial der Grünen noch?
Das bundesweite Potenzial liegt vielleicht bei 15 bis 20 Prozent als oberes Ende der Fahnenstange. In Uni-Städten ist die Skala nach oben zwar nicht ganz offen, aber da ist noch viel Platz.
Wie hat sich die Wählerschaft der Grünen verändert?
Die Wähler sind heute zwischen 30 und 50 Jahre alt – und damit viel älter als früher. Aus Studenten sind Lehrer und Angestellte geworden. Die Grünen sind inzwischen auch eine Partei der Besserverdiener – da streiten sie mit der FDP um die Krone.
Welche Themen sind den Grünen-Wählern wichtig?
Das verbindende Element ist der ökologische Konservatismus. Natürlich ist das Markenzeichen immer noch die Ökologie, aber auch Bürgerrechte werden stark von den Grünen betont. Gleichzeitig haben sie eine starke staatsdirigistische Komponente. Sie glauben, etwa die Reinhaltung der Luft nur mit vielen Vorschriften zu erreichen.
Julia Lenders