Verhandlungen zwischen Stadt und Freistaat gescheitert: Biergarten-Oase kurz vom Aus

Am Sonntag hat die Country- und Rock’n’Roll-Band The Meverix wieder in der Wally gespielt. Und auf der Tanzbühne der urigen Wirtsgarten-Oase im Stadtteil Gern – nur einen Steinwurf vom deutlich bekannteren Taxis-Biergarten entfernt – ging es recht lustig zu mit all den Münchner Boogie-, Cha-Cha- und Line-Dance-Fans.
Dabei gibt es hinter den Kulissen der Traditionsgaststätte (die zuvor Geyerwally hieß) gerade wenig zu lachen. "Ich weiß nicht mehr, wie es weitergeht", sagt Wally-Wirtin Marion Zierer (60) zur AZ. Sie sei mit ihren Nerven so langsam am Anschlag.
Es ist nämlich so: Die Wirtin, die mehr als 30 Jahre das Weißbierkarussell auf der Wiesn betrieben hat, führt die Gaststätte im Concordiapark (dem kleinen Nachbarn des Taxisparks) seit 2015. Sie hat aber seit drei Jahren schon keinen Pachtvertrag mehr (AZ berichtete). Seither lebe sie permanent "in der Schwebe", sagt sie.
Freistaat verpachtet schon 1924 an den Männergesangsverein
Genau wie die Kleingärtner um die Wally herum – 38 Parzellen sind das, mit Gartenhäusln, Obstbäumen, Blumen- und Gemüsebeeten.
Die Sache ist komplex – wegen der ungewöhnlichen Eigentums- und Pachtverhältnisse: Der Concordiapark, in dem die Wally und die Kleingärten stehen, gehört dem Freistaat. Der hatte das Grundstück schon 1924 an den Männergesangsverein Concordia (MGV) verpachtet, damit dessen Mitglieder dort in ihrem Sängerhaus proben und im Park ihre Freizeit gestalten konnten.

Der Männergesangsverein wiederum verpachtete das Areal weiter: an die Kleingärtner, die zumeist Vereinsmitglieder waren. Und ab 2015 (aus dem Sängerhaus war längst eine Gaststätten-Holzhütte geworden) auch an Marion Zierer.
Seither betreibt sie das urige Hütten-Wirtshaus mit 100 Plätzen drinnen plus 230 unter alten Kastanien und Ahornbäumen, mit viel Schausteller-Frohsinn. Serviert Hausmannskost vom Fleischpflanzl bis zum Kaiserschmarrn zu schmalen Preisen (der Mittagsteller kostet 9,90 Euro). Und lädt am Wochenende Livebands oder Alleinunterhalter für ihr tanzlustiges Publikum ein.
Für die Wirtin geht es um die Existenz
Über Jahre ging das gut. Bis Juni 2022. Denn da löste sich der Männergesangsverein auf – die Mitglieder sind heute größtenteils hochbetagt. Und in der Satzung heißt es, dass für diesen Fall das gesamte Areal innerhalb von sechs Monaten zu räumen ist, inklusive Rückbau von Kleingärten und Wirtshaus.
Seitdem, sagt Marion Zierer, "geht es um die Existenz. Ich habe zehn Angestellte mit Familien, die sich auf mich verlassen. Und ich will selber auch nicht wieder bei Null anfangen."
Auch die Kleingartler schauen bang in die Zukunft. Viele verbringen ihre Rente im Garten – wie der Gartlersprecher Richard Schildberger (66), der seit 30 Jahren viel Zeit auf den 174 Quadratmetern seiner Parzelle verbringt. Oder Sigi Korber (67), der bis zur Rente Müllfahrer beim Münchner Abfallwirtschaftsbetrieb war und früher auch Fahnenträger im Männergesangsverein.

Das Besondere im Concordiapark: "Wir sind über 100 Jahre eine Freizeitgartenanlage des Vereins", sagt Schildberger, "also keine Schrebergärten, die das Bundeskleingartengesetz einhalten müssen." Letztlich könne jeder machen und pflanzen, was er mag. "Für meine Frau wär’s der Horror, wenn wir weg müssten", sagt Schildberger. Und Korber: "Ich hab so viel investiert in meinen Garten, ich möchte bitte endlich wissen, dass wir da bleiben dürfen."
Immerhin: Der ursprüngliche Plan, dass der Freistaat auf dem Grundstück (Landshuter Allee 165) Wohnungen baut, war schnell vom Tisch. Die Stadt München will den Concordiapark dauerhaft fürs Viertel erhalten. Und strebte an, dass die Grünfläche in städtisches Eigentum übergeht, etwa durch einen Grundstückstausch mit dem Freistaat. Oder eine Anmietung, bis es zu einem Tausch kommt.
Stadt erklärt Verhandlungen für gescheitert
Dafür hatte sich im vergangenen November sogar OB Dieter Reiter (SPD) eingesetzt. Man verhandelte zwischen Stadt, Freistaat und Männergesangsverein, der noch immer Hauptpächter ist. Mehrfach war deshalb die Räumungsfrist für den Park verlängert worden – zuletzt bis Ende dieses Jahres. Nur die Wirtin hat seit dem Frühjahr eine fristlose Kündigung auf dem Tisch.
Und jetzt der große Knall: "Nach langen und fruchtlosen Verhandlungen zwischen Freistaat, Verein und Stadt mit dem Ziel, die bestehende Nutzung fortzuführen, hat die Stadt München Anfang Juni die Verhandlungen für gescheitert erklärt", so berichtet es Rechtsanwalt Werner Wachter der AZ – er vertritt den Verein seit Jahren rechtlich.

Im Kern ging es offenbar darum, wer wem noch wie viel Geld zu zahlen hat, damit ein Grundstückstausch abgewickelt werden kann. Denn der Männergesangsverein schuldet dem Freistaat noch Pachtzahlungen in mittlerer fünfstelliger Höhe. Ein Posten, den – aus Freistaat-Sicht – die Stadt bei einem Tauschgeschäft mitzuübernehmen habe. Das lehnt die Stadt ab – aus Steuerzahlergeld will man keine Privatschulden begleichen.
Der Verein seinerseits zeigt auf die Wirtin, die ihm eine ähnlich hohe Summe schulde, aus zurückgehaltenen Pachtzahlungen seit vergangenem Herbst. "Es gäbe keine offenen Verbindlichkeiten des Vereins beim Freistaat, wenn die Pacht regelmäßig bezahlt worden wäre", argumentiert Wachter.
"Hier verwahrlost alles"

"Unsinn", sagt wiederum Marion Zierer zu diesem Vorwurf. Sie habe lediglich einen Teilbetrag zurückgehalten – um Reparaturen am Wirtshaus zu machen, um die sich der Verein schon lange nicht mehr kümmere. "Das Dach ist undicht, die Lüftung ist kaputt, eine Toilette ist leck und wir haben einen Heizungsrohrbruch. Die Wirtshausheizung muss gemacht werden, es wird doch kalt im Herbst."
Auch um die Pflege der Concordia-Parkanlage mit Sitzbänken und Spielplatz direkt neben der Wally kümmere sich keiner mehr – weder der Verein noch der Freistaat mit seiner Schlösser- und Seenverwaltung. "Hier verwahrlost alles", sagt Marion Zierer.

"Das ist eine Riesensauerei, dass sie den ganzen Park vergammeln lassen", ärgert sich auch Kleingärtner Richard Schildberger. "Rutsche, Klettergerüste, Tischtennisplatte, alles ist marode", sagt die Wirtin. "Ich habe den Spielplatz aus Sicherheitsgründen abgesperrt."
Die neuste Entwicklung ist nun diese: Der Männergesangsverein habe nach den gescheiterten Tausch-Verhandlungen Insolvenz angemeldet, sagt Anwalt Wachter zur AZ. Anstelle des Vereins könnte also bald ein Insolvenzverwalter treten. Wie und mit wem der dann verhandelt – und was aus den Freizeitgärten wird, muss man abwarten. Der Gartlersprecher Schildberger kündigt schon mal an: "Wir kämpfen bis zur letzten Schaufel."

Für die Wally sieht es einstweilen nicht gut aus. "Der Verein hat die erforderlichen Schritte für die Räumung eingeleitet", sagt der Anwalt. Möglich also, dass irgendwann ein Gerichtsvollzieher vor der Wally steht. Und zwangsräumt.