Kartenzahlpflicht: Ministerium warnt vor Insolvenzen

München/Berlin – Nein, bar: In vielen Geschäften wird der zu zahlende Betrag immer häufiger ungefragt direkt am Kartenzahlterminal angezeigt. Wer Scheine und Münzen bevorzugt, muss den Bezahlvorgang abbrechen lassen und dem Verkaufspersonal dann oft unter Stöhnen das Bargeld in die Hand drücken.
In Zukunft dürfte es noch häufiger zu solchen Situationen kommen, denn die neue Bundesregierung möchte Kartenzahlungen ausbauen. Man wolle, heißt es im Koalitionsvertrag von CSU, CDU und SPD, "dass grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden sollen." Das sorgt vor allem bei kleineren Betrieben für Kopfschütteln.
Münchner Buchhändlerin: "Wenn die Gebühren weiter steigen, wird es für uns unwirtschaftlich"
"Damit greift der Staat in die unternehmerische Freiheit ein und gibt uns vor, was wir tun sollen", schimpft eine Buchhändlerin im Münchner Glockenbachviertel. Sie zahlt jetzt schon für ihre monatlich rund 600 Kartenzahlungen etwa 95 Euro – also im Schnitt rund 15 Cent pro Transaktion.
Das höre sich zwar nicht nach viel an. "Aber wenn jemand eine Postkarte für 1,20 Euro kauft, gehen 12,5 Prozent an den Transaktionsdienstleister", rechnet sie vor. Damit bleibe vom Gewinn fast nichts mehr übrig. Zahlungen mit Kreditkarte schlagen sogar mit ein bis drei Prozent pro Transaktion zu Buche. "Wenn die Gebühren noch weiter steigen, wird es für uns unwirtschaftlich", klagt sie.

"Man braucht keinen Gesetzgeber, der die Frage beantwortet, was für Betriebe die beste Lösung ist", kritisiert auch der Chef des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, Thomas Geppert. Teilweise lägen die Kosten pro Transaktion sogar bei bis zu 80 Cent. Hinzu kommen Miete und Servicepauschale.
Er schätzt, dass rund 30 Prozent der Mitglieder bisher noch keine Kartenzahlung akzeptieren – auch, weil die Gäste vor Ort dies nicht wünschten. "Die Einführung von Kartenzahlsystemen ist für sie daher mit hohen Kosten und Aufwand verbunden." Zudem fehlt es laut Geppert gerade im ländlichen Raum oft an der Netzabdeckung für Kartenzahlungen.
Aiwanger: "Das kann Anlass sein, dass weitere Betriebe ihre wirtschaftliche Tätigkeit einstellen"
Unzufrieden mit dem Koalitionsentwurf ist auch das bayerische Wirtschaftsministerium. Die neue Anforderung treffe den Mittelstand in einer ohnehin sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage, sagt eine Sprecherin von Minister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). "Das kann der Anlass sein, dass weitere Betriebe ihre wirtschaftliche Tätigkeit einstellen." Besonders auf Wochenmärkten, bei mobilen Verkaufsständen und in ländlichen Gebieten mit geringer Kundenfrequenz sei eine solche Regelung wirtschaftlich "fraglich".
Sollte es zu einer Einführung kommen, müssten staatliche Unterstützungsmaßnahmen geprüft werden. "Generell sehen wir auch die Gefahr einer Zurückdrängung der Bargeldzahlung und ihrer wichtigen Freiheitsfunktion."

Beim Handelsverband ist man gespalten. "Die Forderung nach einer gesetzlichen Akzeptanzpflicht elektronischer Zahlungen ist und bleibt nichts weiter als ein Konjunkturprogramm für die jeweiligen Zahlungsdienstleister", heißt es vom Handelsverband Deutschland. Der Bayerische Handelsverband hingegen verweist darauf, dass auch Bargeld Kosten verursacht. Tatsächlich sind die Einzahlung und die Abholung von Münzrollen mit immer höheren Gebühren verbunden. Zudem bestünde die Gefahr, dass beim Bezahlen mit Bargeld Wechselgeldfehler passieren oder Falschgeld angenommen wird. Allerdings gibt es auch im stationären Handel Betrugsfälle bei EC- und Kreditkartenzahlungen.
Die CSU betont, bei dem Punkt im Koalitionsvertrag handele es sich "in keinster Weise" um einen Zwang zum digitalen Bezahlen. "Das Bargeld bleibt erhalten," erklärt eine Parteisprecherin. Ziel sei, Bezahlvorgänge möglichst unkompliziert zu gestalten.
Ab welchem Betrag Kartenzahlung künftig akzeptiert werden muss und ob im Gegenzug auch Barzahlung in Geschäften möglich sein soll, die nur Kartenzahlungen akzeptieren, ist bisher offen.
Münchner SPD-Politiker: "Unser Ziel ist es, den Steuerbetrug zu bekämpfen"
Vorangetrieben hat die geplante Vorschrift der Münchner Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi (SPD). Er begründet das Vorhaben mit dem Ziel, Steuerbetrug effektiver zu bekämpfen. "Unser Ziel ist es, in bargeldintensiven Bereichen wie beispielsweise der Gastronomie den Steuerbetrug zu bekämpfen und so die vielen steuerehrlichen Unternehmer zu schützen", erklärt er.

Die Grünen in Bayern loben zwar den Schritt hin zur Digitalisierung. "Gleichzeitig soll aber an Bargeld überall weiter festgehalten werden", sagt Grünen-Chefin Gisela Sengl. "Die Maßnahme soll Steuerhinterziehung bekämpfen – gleichzeitig schafft die Kleine Koalition aber die Bonpflicht ab." Dadurch werde laut Sengl ein Schlupfloch geschlossen, nur um ein anderes wieder aufzumachen.
Der AfD-Landeschef und Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka lehnt die Kartenpflicht ab. Zwar schreite die Digitalisierung voran. "Viele kleine Betriebe, insbesondere im ländlichen Raum Bayerns, wären aber dadurch gezwungen, teure Infrastruktur anzuschaffen und laufende Kosten für Kartenzahlungssysteme zu tragen." Dies sei weder praktikabel noch verbraucherfreundlich.
Ähnlich argumentieren die Freien Wähler. Deren Generalsekretärin Susann Enders betont, dass Bargeld die Privatsphäre schütze. "Wir wollen keinen gläsernen Bürger", sagt sie.
Kartenzahlung im Einzelhandel wächst
Der Trend zur Kartenzahlung hält weiter an. Rund 63,5 Prozent des Einzelhandelsumsatzes in Höhe von 495 Milliarden Euro wurden 2024 mit Karte bezahlt – ein Plus von 1,7 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Das zeigt eine Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI.
Im gleichen Maße sank der Bargeldanteil auf 33,8 Prozent. Die restlichen Anteile entfallen vor allem auf Finanzierungs- und Rechnungskäufe sowie Gutscheine. Zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 wurden noch mehr als 46 Prozent des Einzelhandelsumsatzes bar bezahlt.
Gemessen an der Zahl der Transaktionen bleibe Bargeld aber vorerst die beliebteste Zahlungsart, teilte Studienautor Horst Rüter mit. Geldscheine und Münzen kamen 2024 demnach noch bei mehr als der Hälfte der rund 20 Milliarden Transaktionen zum Einsatz (54,6 Prozent).