SPD-Direktkandidat Roloff: "Ich habe meinen eigenen Kopf"

SPD-intern hat er Florian Post gestürzt. Nun zieht der Giesinger Gewerkschafter Sebastian Roloff recht sicher in den Bundestag ein. Ein AZ-Spaziergang in seiner Nachbarschaft.
von  Christina Hertel
Bunte Nachbarschaft: Sebastian Roloff (SPD) lebt seit zehn Jahren in Giesing.
Bunte Nachbarschaft: Sebastian Roloff (SPD) lebt seit zehn Jahren in Giesing. © Daniel von Loeper

München - Vor gut einem Jahr, als es den Menschen zum ersten Mal verboten war, andere zu treffen, ging Sebastian Roloff jeden Tag spazieren, ohne Ziel. Er lief von seiner Wohnung beim Grünwalder Stadion los, immer geradeaus, immer in eine andere Himmelsrichtung. Mal kam er bei Villen in Harlaching heraus, mal beim Klinikum in Hadern, mal bei Kneipen in Giesing.

Bald wird er auf den Spaziergängen überall sein Gesicht sehen - auf Plakaten der SPD. Roloff tritt als deren Direktkandidat bei der Bundestagswahl für den Münchner Süden an - gegen den CSU-Abgeordneten Michael Kuffer.

Sebastian Roloff im Bundestag? Die Chancen stehen gut

Vor allem aber hat seine Partei ihn vor kurzem auf den fünften Platz der bayerischen Landesliste gesetzt. Damit sitzt er mit hoher Wahrscheinlichkeit ab Herbst im Bundestag - selbst wenn die SPD ihr Ergebnis deutlich verschlechtern sollte.

Diese gute Platzierung kam überraschend und nicht ohne Ärger. Denn Roloff setzte sich bei einer internen Abstimmung gegen Florian Post durch. Weil der - anders als Roloff - bereits im Bundestag sitzt, hatte damit kaum jemand gerechnet - nicht die Münchner SPD-Spitze, nicht die Medien und offensichtlich auch Post selbst nicht. Denn danach wetterte er öffentlich gegen seine Partei und kündigte an, zwar Wahlkampf machen zu wollen, möchte - allerdings nur für sich als Direktkandidat, nicht für die SPD.

Roloff weiß, wie er wahrgenommen werden will

Wer ist also Sebastian Roloff - der, zumindest drückte das Post so aus, "einen Angriff aus dem Hinterhalt" plante? Die AZ trifft ihn auf einen Spaziergang durch Giesing und dieser beginnt, zufälligerweise, vor der Post.

"Nicht, dass die Abendzeitung daraus einen Wortwitz macht", sagt Roloff und lässt sich aber trotzdem vor der Post fotografieren. Er will als einer wahrgenommen werden, der nett ist, bodenständig, unkompliziert. Also lächelt er - vor der Post, vor dem Grünwalder Stadion, obwohl er Bayern-Fan ist, vor einer Wurst, die jemand auf eine Hauswand gesprüht hat. "Das passt doch gut zu mir", sagt er, lächelt, massiert sich danach die Wangen.

Bei seinen Spaziergängen während des Lockdowns im vergangenen Jahr habe er acht Kilo abgenommen. Die seien wieder drauf. Doch beim Spazieren habe er viel über sich gelernt - zum Beispiel, dass er, für den das Leben stets ein einziges "höher, schneller weiter" gewesen sei, auch gut mit sich alleine klar kommt.

Roloff vor dem Höhepunkt seiner politischen Laufbahn

Tatsächlich wurde Roloff je älter er wurde, immer städtischer. Er wuchs in Rettenbach, einem Dorf mit nicht einmal 2.000 Einwohnern in der Oberpfalz auf, studierte Jura in Regensburg. Seit etwa zehn Jahren lebt er in Giesing. Zuerst arbeitete er als Jurist bei der IG Metall, inzwischen ist er als Personalleiter in der LKW-Sparte bei MAN für knapp 30.000 Mitarbeiter verantwortlich. Dass er wohl als Abgeordneter nach Berlin ziehen wird, sei für ihn die größte Ehre seines Lebens.

Zumindest ist es vorerst der Höhepunkt seiner politischen Laufbahn. Diese begann vor mehr als 20 Jahren, als er in Cham, wo er zur Schule ging, einen Ortsverein der Jusos gründete. Die meisten Jugendlichen dort seien entweder konservativ oder unpolitisch gewesen, sagt Roloff. Sein Kopf sei hingegen fast jede Woche in der Zeitung gewesen.

Und dieser Kopf sei gern mal dagegen - auch bei Entscheidungen der eigenen Partei. Roloff sei gegen die Große Koalition gewesen, gegen Hartz-IV, gegen den Krieg in Afghanistan. Die Mietpreisbremse, die die SPD miteinführte, reiche nicht. Es müsste für ein paar Jahre einen Mietendeckel geben, findet er. Doch es störe ihn nicht, anzuecken, in der Minderheit zu sein. Das habe er schon damals im Bayerischen Wald festgestellt.

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