Siko 2024: Kaffee, Kippen und die schmutzigen Seiten von Politik
München - Die Welt ist zu Gast in Bayern und es ist diesmal nicht das Bier, das die Menschen anzieht. München ist anders an diesem warmen Februarwochenende. Laut kreisen immer wieder Hubschrauber über die Innenstadt. Statt der Wochenendshopper versammeln sich tausende Polizisten in der Altstadt, darunter viele aus anderen Bundesländern. Männer in gut geschnittenen Anzügen laufen durch die Altstadt, um den Hals die Delegations-Badges. Einige von ihnen tragen dicke Tüten aus dem FC Bayern-Shop in der Weinstraße. Ob sie das Spiel gegen Lazio gesehen haben?
In der Kardinal-Faulhaber-Straße sind Soldaten aus der Ukraine in Uniform. Einer steht dort mit Krücken. Ihm fehlt ein Bein. Er lächelt trotzdem. Seine und die Erwartungen seines Volkes sind hoch an diesem Wochenende. Die Ukraine ist neben dem Krieg im Nahen Osten das Thema der Münchner Sicherheitskonferenz.
Siko 2024: Alles was Rang und Namen in der Diplomatie hat, ist derzeit in München
Alles was Rang und Namen in der Diplomatie hat, ist auf dieser Konferenz. Joe Biden lässt sich zwar nicht blicken, dafür seine Vize Kamala Harris. In der Kardinal-Faulhaber-Straße stehen gepanzerte US-Limousinen während ihrer Rede, der Motor läuft während der ganzen Zeit. Mehrere Fahrzeuge hinter ihr sind amerikanische Soldaten in einem Militärfahrzeug und man fragt sich, ob das wirklich die Münchner Altstadt ist oder nicht doch ein Kriegsgebiet, so aufmunitioniert sind sie. Schaut man genauer hin, sieht man: So gefährlich kann die Situation nicht sein, sie tippen auch nur wie jeder andere auf ihren Handys. Aber halt in Schutzweste und Helm in Tarnfarben.

Nicht nur die internationale, auch die deutsche Politik-Prominenz ist nach München gekommen. Da strawanzt Toni Hofreiter an den Fünf Höfen vorbei und koordiniert am Telefon seine Interview-Termine. Der Kabarettist Harald Schmidt hat mal angesichts Hofreiters so überraschenden Engagements für die Ukraine gesagt, man müsse sich schon etwas wundern, seine Haare würden ja nicht mal unter einen Stahlhelm passen.
Nun ja, die Zeiten, in denen Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko auf der Münchner Sicherheitskonferenz Annalena Baerbock dafür kritisiert hatte, dass Deutschland nur Helme für die Ukraine hat, sind definitiv vorbei. Es ist nicht bei Helmen geblieben. Aber Hofreiters Frisur, die ist noch dieselbe wie damals.
Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) flaniert die Theatinerstraße hinunter. Er hat am Fernen Osten Gefallen gefunden und engagiert sich in der Vereinigung "Asienbrücke". Im Pazifik ist das Debakel um die deutsche Autobahnmaut ganz fern.
Kippen und Kaffee im Innenhof des Bayerischen Hof
Vor dem Spatenhaus an der Oper steht Christian Dürr, Fraktionschef der FDP im Bundestag, und telefoniert vor seiner Limousine. Auch sein Parteichef und Finanzminister Christian Lindner ist nach München gekommen. Ob er sich denkt: Endlich mal keine wütenden Bauern?
Es rauchen nicht nur die Köpfe der Diplomaten im Bayerischen Hof, es wird auch ganz unglamourös in einem Innenhof auf blankem Asphalt geraucht. Auf Tabletts servieren Bedienungen und Kellner so viele Espressi, dass auch garantiert niemand vom Jetlag einschläft.
Ministerpräsident Markus Söder spricht ein Grußwort. Ob die internationalen Diplomaten seinen Humor verstehen? Als Bayer weiß man ja, dass Söder auf Star Wars steht. Aber finden das auch die Gäste aus den Krisengebieten so angemessen, wenn Söder von der "hellen Seite der Macht" spricht?
Siko 2024: Hier geht es um die schmutzigen und schlimmen Seiten von Politik
Im Gewurl des Bayerischen Hofs ist die "helle Macht" nicht ganz so transparent. Hinterzimmer-Politik hat eigentlich eine negative Konnotation, auf der Siko ist sie willkommen. Hier sollen und hier werden nicht nur Sonntagsreden gesprochen. Joschka Fischer hatte einst mit seinem Zweifel an Massenvernichtungswaffen im Irak den damaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und seine Delegation öffentlich vergrämt. Und recht behalten.
Mitten in den Menschenmassen der Hotel-Lobby trifft die AZ Staatsminister Florian Herrmann (CSU). Die innenpolitischen Entwicklungen in den USA machen ihm Sorgen, weil sie sich auch auf Deutschland auswirken können. Wird im nächsten Jahr gar Donald Trump nach München kommen? "Amerika ist mehr als nur Trump", hofft Herrmann. Aber trotzdem sagt er: Trumps Kurs wäre für die Sicherheit Europas nicht gut.
Nach Todesnachricht: Julia Nawalny bewegt mit ihrer Rede
Ausgerechnet im Bayerischen Hof, der eher für perfekte Gastlichkeit und polierte Gläser steht, geht es um die schmutzigen und schlimmen Seiten von Politik. Wie ernst das alles ist, zeigt der Auftritt von Julia Nawalny. Eine Frau, die eben erst erfahren hat, dass sie ihren Mann verloren hat. Herrmann ist bewegt von ihrem Auftritt: "Wenn man sich versucht, da hineinzuversetzen – das nötigt einem höchsten Respekt ab!"

Auch Israel beschäftigt den Minister. Herrmann war im Dezember mit Söder nach Israel gereist und hat ein von der Hamas überfallenes Kibbuz besucht. "Das ist schon etwas anderes, als wenn man das in der Zeitung liest", sagt Herrmann der AZ. Seine Erwartungen an die Sicherheitskonferenz sind hoch. "Ich hoffe schon, dass man miteinander redet und einander zuhört." Oder, um es mit den Worten seines Chefs zu sagen: Möge die Macht mit den Richtigen sein.