Schule für Ukraine-Geflüchtete: "Sie wollen lernen, lernen"
Trudering - "Ich heiße ...", mit diesen Worten geht es los mit dem Deutschunterricht am Montag vor einer Woche. 20 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine sitzen im Gymnasium in Trudering vor Lehrerin Anna von Chossy. Die jüngsten sind elf, die ältesten 17 Jahre, sie kommen aus unterschiedlichen Klassenstufen und Orten.
Kinder kommen mit Kriegserfahrungen nach München
Vor wenigen Wochen noch sind sie in ihrer Heimat zur Schule gegangen. Nun sind sie in einem fremden Land, in dem sie anfangs kein Wort verstanden haben. Zwischen Heimat und München liegen Kriegserfahrungen: die Angst vor Bomben und Raketen, Tage und Nächte in Kellern und Metroschächten, die Flucht durch zerstörte Städte, Tote und Todesnachrichten, verzweifelte Erwachsene.
Anna von Chossy unterrichtet in Trudering Deutsch und Musik. Sie gehört zu den Lehrern, die sich für die Kinder aus der Ukraine engagieren. "Ich bin mit großem Bauchweh in die Klasse gegangen", erzählt sie. Da war die Sorge, wie die Kinder auf sie reagieren würden, die Angst, sich nicht verständlich machen zu können, denn sie spricht weder Ukrainisch noch Russisch.
Alle neuen Schüler wollen lernen
Und die Sorge vor dem, was die Kriegserfahrungen mit den Kindern gemacht haben. Können sie sich in ihrer Situation überhaupt auf Schule konzentrieren? Heute sagt Anna von Chossy: "Es ist eine tolle Sache. Die Kinder wollen unbedingt lernen, lernen, lernen."
Für ihre neuen Schüler sei die Schule eine wichtige Ablenkung. "Zu Hause ist es schwer genug." Jeden Tag fragen zwei bis drei Familien an, ob ein Platz frei ist

Susanne Asam, die Schulleiterin des ganz neuen Gymnasiums (gebaut 2013), ist eine der Ersten, die in München eine Willkommensklasse für ukrainische Kinder geschaffen hat. "Wir haben eine Taskforce mit fünf Lehrkräften gegründet", berichtet sie bei einem Besuch von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am Mittwoch.
Seit Kurzem ist Innendesignerin Galina Samoschtschin (34) mit im Schul-Team. Sie hatte ihre Hilfe als Dolmetscherin angeboten, nun bringt sie den Kindern Deutsch bei. "Ich weiß, wie das ist. Ich bin vor 30 Jahren selbst mit meiner Familie aus der Ukraine nach Deutschland gekommen."

Kinderpsychologin unterstützt Klasse in Vollzeit
Zudem bekommt Kinderpsychologin Alina Golota (44) eine Vollzeitstelle. Sie ist aus Irpin über Butscha geflüchtet mit ihren Töchtern (12, 26) und ihrem Enkel (zwei Monate). Die jüngere Tochter sei von den Erlebnissen traumatisiert. Alina Golotas Aufgabe an der Schule wird nun sein, sich vor allem um die Kinder zu kümmern, die verschlossen sind, sich zurückziehen, also vermutlich ebenfalls traumatisiert sind.
"Wir haben sehr zügig Mittel bekommen", sagt Schulleiterin Asam. Doch es reicht noch nicht. "Wir brauchen dringend eine zweite Lehrkraft." Zudem sei die Nachfrage enorm. "Es stehen jeden Tag zwei bis drei Familien vor der Tür, die fragen, ob ihre Kinder auch kommen können."

Nach den Osterferien soll die Willkommensklasse in zwei Altersgruppen aufgeteilt werden. Auch sollen die Kinder in Sport, Kunst, Musik, Englisch und Mathe in die deutschsprachigen Klassen integriert werden.
Wird das ukrainische Abitur in Deutschland anerkannt?
Für Borys und Matvii (beide 15) ist das bereits neuer Schulalltag. Die beiden konnten schon etwas Deutsch. In ihrer Heimat besuchten sie die 11. Klasse, danach hat man das Abi in der Tasche. Doch es gebe keine Abiprüfung, erklärt Kultusminister Piazolo. "Wir müssen sehen, inwieweit das Abitur bei uns anerkannt wird."
Während Söder und Piazolo die Schule besuchen, büffeln die Kinder in der Willkommensklasse Modalverben: Ich muss, du musst – "Das ist sehr deutsch", hat die Lehrerin gesagt. Anna von Chossy hat den Kindern auch beigebracht, dass man auf die Frage: "Wie geht es dir?" nicht gleich den ganzen Lebenslauf erzählen muss. "Man darf auch sagen so lala." Das ginge in München immer.