Nach dröhnendem Schweigen: Wiesn-Chef Scharpf äußert sich erstmals

Nach chaotischen Szenen am Samstag präsentiert Wiesnchef Christian Scharpf ein neues Sicherheitskonzept für das Oktoberfest. Geplante Maßnahmen sollen die Sicherheit der Besucher erhöhen und panische Situationen vermeiden.
Ruth Frömmer,
Felix Müller
Felix Müller
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
5  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Nach intensiver Analyse der Geschehnisse präsentiert Christian Scharpf am Dienstag ein neues Sicherheitskonzept für die Wiesn.
Nach intensiver Analyse der Geschehnisse präsentiert Christian Scharpf am Dienstag ein neues Sicherheitskonzept für die Wiesn. © sigi mueller
Carbonatix Pre-Player Loader

Audio von Carbonatix

Nun spricht er also doch. Am Dienstag tritt Wiesnchef Christian Scharpf (SPD) vor die Presse und erklärt sich zu der chaotischen Situation am vergangenen Samstag auf dem Oktoberfest-Gelände. Er wirkt aufgeräumt. Er habe sich bewusst Zeit genommen, die Geschehnisse gemeinsam mit allen Beteiligten zu analysieren.
Zwar sei niemand zu Schaden gekommen, betont Scharpf weiterhin, aber bei der frühzeitigen Erkennung von Gefahrensituationen müsse das Sicherheitskonzept der Wiesn dringend nachgebessert werden.

Was war passiert?

Gegen 17 Uhr – Zeit des Reservierungswechsels – bildete sich am Samstag auf der Wirtsbudenstraße auf Höhe des Augustiner- und des Hacker-Zelts eine große Menschentraube. Viele versuchten gleichzeitig, über den Haupteingang in eines der großen Wiesnzelte zu gelangen.
Daraufhin ging nichts mehr vorwärts und rückwärts. Das Gelände wurde geschlossen. Lautsprecherdurchsagen, laut Berichten nur in deutscher Sprache, man solle das Festgelände Richtung Hauptbahnhof verlassen, führten zu großer Verunsicherung und teils panischen Zuständen in der Menge.

Frühzeitiger eingreifen mit Crowd Spotting

"Festgestellt werden kann, dass sich eine besonders hohe Zahl an Gästen auf dem Festplatz aufgehalten hat", erklärt Scharpf die Situation. Etwa 300.000 Menschen hätten sich am Samstag gleichzeitig auf der Wiesn befunden. Das seien mehr, als am ersten Wochenende oder an den meisten Tagen der Vorjahre.

Mehrere Maßnahmen sollen solche Situationen in Zukunft gar nicht erst entstehen lassen. Bereits diesen Donnerstag und an besucherstarken Tagen kommt gezieltes Crowd Spotting zum Einsatz. Auf der Wiesn befinden sich viele Kameras. Ein Mitarbeiter wird die Aufnahmen permanent zur gezielten Beobachtung und Analyse der Menschenmenge in verschiedenen Bereichen des Festgeländes überwachen. Wenn sich an bestimmten Orten wieder etwas zusammenbraut, könne so frühzeitig eingegriffen werden.

Panik vermeiden durch mehrsprachige Lautsprecherdurchsagen

Mehrsprachige Lautsprecherdurchsagen sollen außerdem gezielt die Besucherströme lenken. Dafür setzt die Stadt eigens geschulte Sprecher ein. Bisher kümmerte sich die Polizei um die Durchsagen.
Auch wolle man das Beobachtungsmanagement im Servicezentrum optimieren. Dafür sollen ein gemeinsamer Beobachtungsraum geschaffen und die Zusammenarbeit besser verzahnt werden.
Auch die Einbindung der Beschicker auf dem Platz möchte Scharpf verbessern. Mandelverkäufer und andere Stände sollen frühzeitig mit Informationen versorgt werden, die sie an die Gäste weitergeben können.

Nicht mehr in diesem, aber ab dem nächsten Jahr wird eine Echtzeitmessung der Besucherzahlen eingeführt. Bisher können die Besucherzahlen nur anhand von Mobilfunkdaten im Nachgang technisch festgestellt werden. Bis jetzt wurde die Bestimmung anhand von Lagebildern als ausreichend erachtet. Nun sei klar: "Wir müssen in Echtzeit wissen, wie viele Menschen auf dem Gelände sind und nicht bloß aufgrund von Schätzungen", so Scharpf. "Dann können wir die aktuelle Situation auf dem Gelände auch frühzeitiger nach außen kommunizieren."

Auf der Wirtsstraße ging am Samstag nichts mehr vorwärts.
Auf der Wirtsstraße ging am Samstag nichts mehr vorwärts. © Peter Kneffel

Ab sofort: Mehr Polizei-Präsenz

Zusätzlich werde die Polizei für diese Wiesn ihre Präsenz verstärken. Über die Oktoberfest-Website und auf Instagram werde man stärker darauf hinweisen, dass es Donnerstag, Freitag und Samstag ohne Reservierung keine Plätze mehr in den großen Zelten gibt, dafür aber in den Biergärten, auf der Oidn Wiesn und in der Schaustellerstraße.
"Wir werden alles tun, damit sich eine derartige Situation nicht wiederholt", betont Scharpf, "und ich bedaure, dass sich viele Menschen am Samstag nicht sicher gefühlt haben."

Seit dem Montagmorgen war der Druck auf Scharpf auch Rathaus-intern immer größer geworden. Wie berichtet, waren viele in und außerhalb des Rathauses sehr irritiert, nicht nur von mutmaßlichen Fehlern, sondern auch vom dröhnenden Schweigen der Verantwortlichen an Fest- und Stadt-Spitze im Anschluss. Schließlich hatte man sich nicht mal zu einer aufrichtigen öffentlichen Entschuldigung bei den vielen Menschen durchringen können, die am Samstag in beängstigende Situationen geraten waren.

OB Dieter Reiter entschuldigt sich auf Instagram

Weniger als eine Stunde vor Scharpfs Auftritt hatte sich OB Dieter Reiter in einem Video auf seinem Instagram-Kanal doch noch und erstmals öffentlich geäußert, sich entschuldigt und gesagt, dass sich so eine Situation nicht wiederholen dürfe. Er versprach, künftig „viel besser zu steuern“, wie viele Menschen auf die Wiesn kommen. Reiter sagte explizit: "Wir hatten einfach Glück."

In der Menschenmenge ist am Samstag kurz Panik aufgekommen.
In der Menschenmenge ist am Samstag kurz Panik aufgekommen. © Felix Hörhager

 

An diesem Mittwoch nun muss Scharpf im Stadtrat Rede und Antwort stehen – dafür hat er mit den kurzfristigen Ankündigungen vom Dienstag nach fraktionsübergreifender Ansicht gewaltig Dampf aus dem Kessel genommen. Mit scharfen persönlichen Vorwürfen gegen ihn war in Rathaus-Kreisen ohnehin nicht unbedingt gerechnet worden – aber mit sehr deutlichen Fragen zu Fehlern am Samstag und dem weiteren Vorgehen.

ÖDP könnte Thema nutzen, um gegen Olympia zu schießen

Gut möglich, dass es nun ein bisserl friedlicher zugeht und vor allem die ÖDP das Thema nutzt, um nach dem Motto "München kann keine Großveranstaltungen" gegen Olympia zu schießen (was die Konkurrenz als völlig absurde Vermischung zweier Themen ansieht, die doch nichts miteinander zu tun hätten).

Hinter geschlossenen Rathaus-Türen aber hat das Thema definitiv weiter Konfliktpotenzial. Auch deshalb, weil wieder einmal Krach in der Koalition droht. Im Umfeld der SPD-Fraktion zumindest ist ein sehr deutliches Grummeln zu hören, dass die Grünen die Debatte gezielt gegen den SPD-Referenten Scharpf gerichtet hätten – um ihre eigene Referentin, die grüne KVR-Chefin Hanna Sammüller, aus der Schusslinie zu nehmen.

Öffentlich werden nun über das lange Wochenende zum Wiesn-Abschluss aber vor allem erst mal alle Augen darauf gerichtet sein, ob die Wiesn dem erneut erwarteten Ansturm besser standhält. Und die Maßnahmen die erhoffte Wirkung zeigen, dass niemand im Gedränge schlimmste Ängste haben muss.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
  • Peterauslaim vor 43 Minuten / Bewertung:

    Der gute Herr sollte seinen Hut nehmen. Jahrzehnte lang war keine solche Gefahrenlage herbeigeführt worden. Unfähigkeit hoch 3.

    Antworten lädt ... Kommentar melden
  • kartoffelsalat vor 38 Minuten / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Peterauslaim

    Und wie hat er das jetzt so geschickt hinbekommen 2025?

    Antworten lädt ... Kommentar melden
  • Chablis64 vor 43 Minuten / Bewertung:

    Grundsätzlich wäre es mal interessant ob die Ordner gut genug kontrollieren. Kurzer Blick in die Tasche reich halt nicht. Wer in so einem Gedränge ausrastet, der ist zu allem fähig. Sind dann Waffen oder scharfe spitze Gegenstände auf der Festwiese mit dabei ufert das ganze völlig aus. Zwielichtige Ordner/Sicherheitspersonal würde ja bereits aus dem Verkehr gezogen. Sowas sollte nie wieder in diesem Job arbeiten dürfen. Da brauchen wir auch nicht über die 2. Chance reden. Es muss zum Wohle aller- nicht zum Nachteil vieler- auch mal echt konsequent gehandelt werden.

    Antworten lädt ... Kommentar melden
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.