Ochsengarten: Wie Freddie Mercurys Stammkneipe weiterlebt
München - Stolz zeigt Elke Seifert auf die große Weltkarte im engen Windfang, direkt neben der Eingangstüre.
Bunte Pinnadeln markieren die Orte, aus denen ihre Gäste zu Besuch gekommen sind: Amerika, Europa natürlich, aber auch Asien, Neuseeland, eine Pinnnadel sitzt sogar auf Mikronesien.

"In der Schwulenszene kennt man den Ochsengarten auf der ganzen Welt", freut sich die 55-Jährige. "Es gibt sogar den Spruch in der Szene: Wenn du nicht im Ochsengarten warst, warst du nicht in München."
Seifert lächelt etwas verlegen. Kurzhaarschnitt, blond gefärbt mit braunen Strähnen im Pony, das Gesicht rund und weich. Elke Seifert bezeichnet sich selbst als "Schwulenmutti", ihren Kunden stehe sie sehr nahe, sie habe immer ein offenes Ohr. 2020 hat sie die Kult-Schwulenkneipe übernommen, dessen 55-jähriges Jubiläum an diesem Freitag groß gefeiert wurde. 9.9.2022: "Den Schnapszahlentag haben wir uns bewusst ausgesucht", lacht Seifert. Sie trägt ein buntes Regenbogenkleid, auch das natürlich bewusst gewählt.
In den 80ern war Freddie Mercury im Ochsengarten Stammgast
An der Wand gegenüber der Bar hängen Plakate mit Motiven von Männern in Leder, darunter auch Queen-Sänger Freddie Mercury in lasziver Pose auf der Bühne, mit leicht geöffneter Hose und einer Krawatte auf nacktem Oberkörper. In den Achtzigern der wohl berühmteste Stammgast. Er wird zur Bekanntheit des Ochsengartens beigetragen haben.
Reine Schwulenkneipen, in welche Frauen keinen Zugang haben, scheinen in München auszusterben. Umso wichtiger ist der Ochsengarten für die Szene, weiß auch Seifert. "Für meine Kunden ist das ein geschützter Ort, dort können sie sie selbst sein, ohne schräg angeschaut zu werden. Darum ist Frauen der Zutritt nicht gestattet. Nicht weil sie ausgegrenzt werden sollen."
Ein Schutzraum mit 55-jähriger Tradition. Aus diesem Grund hat Seifert optisch keine Veränderungen vorgenommen. "Mein Motto lautet: Es soll alles so bleiben, wie es war." Eine urige bayerische Boazn. Mit dem Unterschied, dass Schwulen-Poster die Wand schmücken, dass man auf dem Weg zur Toilette an einem Hundezwinger und einem Andreaskreuz für SM-Praktiken vorbei geht. Seiferts einzige Zutat für ein bisschen mehr Gemütlichkeit: LED-Kerzen auf den Tischen.
"Was allerdings niemand sieht, ist, dass wir viel erneuert haben, zum Beispiel die ganze Elektrik", berichtet die Chefin. Mitten im Lockdown hat sie den Ochsengarten von Fridl Steinhauser übernommen. Ihr Mann Thomas Seifert gründete eine GmbH, sie übernahm die Leitung. Ohne Corona-Hilfen musste die frisch gegründete GmbH auskommen. Doch die Seiferts haben trotzdem investiert. Dass Elke Seifert der Laden sehr am Herzen liegt, beweist auch ein Tattoo auf ihrem rechten Handgelenk: das Ochsengarten-Logo.
Elke Seifert: "Ich bin so glücklich wie noch nie"
"Ich bin glücklich", sagt Seifert. "So glücklich wie noch nie." Ihr Mann - "der beste Mann der Welt" - habe sie aufgebaut, ihr wieder zu Selbstvertrauen verholfen. 2017 haben sie geheiratet. Seifert hört im Gespräch konzentriert zu. Nach jeder Frage erst eine Pause. Dann denkt sie nach, bevor sie vorsichtig antwortet.
Ihre schwierige Vergangenheit deutet sie nur an. Die alte Clique in ihrer Heimatstadt Mannheim habe ihr nicht gutgetan. Deshalb sei sie nach Konstanz gezogen. "Das liegt alles schon lange zurück. Damals war ich Fitnesstrainerin und noch schlank", erinnert sie sich und lacht. Vor 17 Jahren wagte sie den Umzug nach München: "Wegen der Liebe und wegen dem Job, beides gibt es heute nicht mehr." Aber das sei egal. "Ich bin glücklich."
Eine Frau als Chefin einer Schwulenkneipe. Das hat im Ochsengarten Tradition. Vor 55 Jahren, 1967, eröffnete Gusti Wirsing den Ochsengarten neu als Lederkneipe. Zuvor war es eine Rotlicht-Bar, musste aber dichtmachen. Denn wegen der Sommerspiele 1972 wurde der Sperrbezirk in der Innenstadt eingeführt. Im Gründungsjahr - welch Zufall - wurde Elke Seifert geboren. Sie fühle sich der Gusti innerlich verbunden, irgendwie sei da ein Gefühl von Solidarität. Viel weiß sie nicht von ihr. "Nur, dass sie wohl auf Leder-Typen stand."
Donnerstags haben auch Frauen Zutritt
Donnerstags wird Frauen der seltene Zutritt in den Ochsengarten gewährt. Beim wöchentlichen SM-Treffen. So kam Elke Seifert zehn Jahre lang als Kundin in das Lokal. Sie freundete sich mit Chef Fridl Steinhauser an, der - wieder so ein Zufall - ihr Nachbar war. Steinhauser hatte Gründerin Gusti Wirsing abgelöst. Von einer Frau übernommen, gab er die Kneipe schließlich an eine Frau weiter. Jetzt, 55 Jahre später, ist der Ochsengarten also noch genau das, was er einmal war. Und er wird im selben Geiste weitergeführt.
- Themen:
- Coronahilfen
- München