Warum die bekannteste Linken-Politikerin in München keine Chefin mehr sein will
München - Man soll gehen, wenn es am schönsten ist, heißt es. Diesen Moment hat Nicole Gohlke verpasst. Sie ist seit sieben Jahren Chefin der Linken in München. Beim nächsten Parteitag am 23. März will sie nicht mehr antreten. Gohlke, die seit 2009 im Bundestag sitzt, muss zugeben: "Vor fünf Jahren stand die Linke in München besser da."
Die Frage, ob sich die Linke spaltet, der Streit rund um Sahra Wagenknecht habe sich hier bemerkbar gemacht – wenn auch nicht so stark wie anderswo, sagt Gohlke. Und doch: "Die Linke hat Federn gelassen." Immerhin: Kein Mandatsträger – weder im Stadtrat noch im Bezirksausschuss – schloss sich bisher dem neuen Bündnis von Wagenknecht an. Allerdings seien davor, als unklar war, was aus der Linken wird, fast 150 Mitglieder ausgetreten, schätzt Gohlke. Darunter viele junge Menschen, die eingetreten waren, als die Linke gegen das Polizeiaufgabengesetz protestierte. Und die sich dann nicht mehr wohlfühlten, als die Frau an der Spitze beim Thema Asyl klang, als würde sie die AfD anführen.
"Es treten doppelt so viele in die Münchner Linke ein wie aus": Darum geht Nicole Gohlke trotzdem
Seit klar ist, dass Wagenknecht ihre eigene Partei gründet, kommen viele dieser Menschen zurück, meint Gohlke. "Seit Oktober treten mehr als doppelt so viele ein wie aus." Um die 700 Mitglieder habe die Linke momentan. Zum Vergleich: Die Grünen feierten vor Kurzem ihren neuen Rekord von 4200 Mitgliedern.
Allerdings gibt es aus Gohlkes Sicht eine große, potenzielle Wählerschaft, die die Linke nur erreichen muss. Zum Beispiel: enttäuschte SPDler und Grüne, die sich von der Ampel mehr Aufbruch erwartet hätten. Aber auch Menschen, die schon lange nicht mehr daran glauben, dass ihr Kreuz in der Wahlkabine etwas verändern kann. Klingt nach Aufbruch. Ist das der richtige Moment zu gehen?
Gohlke meint trotzdem: Nach sieben Jahren reicht es jetzt. "Das ist einfach lang." Und sie sagt: "Ich finde es eher komisch, wenn Menschen nach dieser Zeit nicht denken, sie müssten irgendwann mal gehen." Abgesehen davon: Im Oktober 2021 wurde sie stellvertretende Chefin der Linken-Fraktion im Bundestag – also zu jener Zeit, als der Streit besonders groß war. Sie sei viel in der Fraktion in Berlin absorbiert gewesen, sagt Gohlke.
Stadtrats-Chef der Linken in München: Stefan Jagel soll Nachfolger von Nicole Gohlke werden
Nun soll einer folgen, dessen Arbeit sich auf München beschränkt: Stefan Jagel, der Chef der Linken im Stadtrat. Sie habe ihn gefragt, sagt Gohlke. Und er sagte ja. Seine Arbeit im Stadtrat bewerten beide als erfolgreich. "Abendtermine heißen für mich nicht auf Empfängen Schnittchen essen", sagt Jagel. Sondern von Haustür zu Haustür zu gehen und etwa mit Mietern zu sprechen – nicht nur zu Wahlkampfzeiten. "Aufsuchende Arbeit" nennt Jagel das und hört sich da mehr wie ein Sozialarbeiter als ein Stadtrat an. "Ihr seid die Einzigen, die sich wirklich kümmern", das bekomme er oft zu hören, sagt Jagel. Zum Beispiel machte keine andere Partei so viel Druck, als die städtische Wohnungsbaugesellschaft ihren Mietern Nachzahlungen für Gas in Höhe von Tausenden Euro schickte.
Doch honorieren das die Wähler? Vor der Kommunalwahl mache er sich keine großen Sorgen, sagt Jagel. Aber davor ist Bundestagswahl. Ob sie wieder antrete, sei offen, sagt Gohlke. Fest steht: "Wir werden kämpfen müssen."