Mieter aus München verzweifelt: Vermieter wehren sich gegen Balkonkraftwerk

Eigentlich fördert die Politik Solaranlagen für den Balkon. Doch oft sind die Vermieter dagegen. Das erlebte auch Konstantin Kurtz aus München. Hilft das neue Gesetz?
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Ganz oben am rechten Balkon hat Konstantin Kurtz das Balkonkraftwerk aufgehängt. Am Donnerstag muss er es entfernen.
Ganz oben am rechten Balkon hat Konstantin Kurtz das Balkonkraftwerk aufgehängt. Am Donnerstag muss er es entfernen. © privat

München - Dass man Pflanzen und Bienen respektieren sollte – mit diesem Grundsatz sei er aufgewachsen, sagt Konstantin Kurtz am Telefon. Und weil ihm die Umwelt und das Klima am Herzen liegen, kaufte er sich diesen Sommer ein Balkonkraftwerk, eine kleine Photovoltaik-Anlage, für die man kein eigenes Dach braucht. Ein Balkon mit genug Sonne und eine Steckdose reichen, dass mit solchen PV-Modulen auch Mieter eigenen Solarstrom erzeugen können.

Eigentlich will die Politik, dass sich mehr Menschen so ein Stecker-Solargerät zulegen. Sowohl das Rathaus will das – es bezuschusst solche Anlagen sogar mit bis zu 240 Euro. Und die Bundesregierung will das auch – erst vor gut zwei Wochen beschloss sie, die Genehmigungen zu vereinfachen. Trotzdem stoßen Mieter auf Widerstand.

Mieter in München will Balkonkraftwerk, doch der Vermieter antwortet nicht

"Bestimmt 100 bis 200 Menschen haben sich an uns gewendet, weil der Vermieter erst einmal blockiert hat, als sie ein Balkonkraftwerk anbringen wollten", sagt Marc Rieger von Solar 2030, ein Verein, der zu Photovoltaik berät. 80 Prozent Eigentümer seien erst einmal gegen PV am Balkon, schätzt er. Widerstand erlebte auch Konstantin Kurtz, der in Wirklichkeit anders heißt. Sein Vermieter ist die Wohnbau GmbH, ein Konzern, der über 24.000 Wohnungen in ganz Deutschland verwaltet.

Schon vergangenen Winter habe er um die Erlaubnis, ein Balkonkraftwerk aufzuhängen gebeten – aber keine Antwort erhalten. Dann kam es zu einem Missverständnis. Kurtz las viel rund um Balkonkraftwerke, auch folgenden Satz: "Der Vermieter muss die Zustimmung erteilen." Er habe das so interpretiert, dass der Vermieter ein Balkonkraftwerk immer erlauben muss. Tatsächlich muss aber der Mieter erst abwarten, ob der Eigentümer die Zustimmung erteilt.

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Kurtz wartete nicht. Er kaufte für rund 1.000 Euro ein Balkonkraftwerk. Er rechnete sich aus, dass er bei der Stromrechnung so viel spart, dass er dieses Geld in zehn Jahren wieder drin hat. Doch so weit kommt es nicht. Sein Vermieter will, dass er das Solarmodul abhängt – und zwar bis Donnerstag. Nachvollziehbare Gründe habe der Vermieter keine genannt, sagt Kurtz.

Momentan ist der Vermieter damit im Recht, weiß Marc Rieger von Solar 2030. Er hofft aber, dass sich das bald ändert. Denn die Bundesregierung hat eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. "Ich erwarte, dass es für Mieter einfacher wird", sagt auch Angela Lutz-Plank, die Geschäftsführerin des Münchner Mietervereins. Sie geht davon aus, dass Mieter weiterhin die Erlaubnis ihres Vermieters brauchen, wenn sie ein Balkonkraftwerk installieren wollen. Allerdings müssen Vermieter dann gute Gründe nennen, wenn sie die Anlagen verbieten.

Der letzte Schliff fürs Balkonkraftwerk: Ein Handwerker verschraubt noch letzte Elemente, dann kann es losgehen mit dem Strom für die eigene Steckdose. Doch nicht überall bekommen Mieter die Genehmigung für die Bauarbeiten.
Der letzte Schliff fürs Balkonkraftwerk: Ein Handwerker verschraubt noch letzte Elemente, dann kann es losgehen mit dem Strom für die eigene Steckdose. Doch nicht überall bekommen Mieter die Genehmigung für die Bauarbeiten. © dpa

Der Experte sieht keine Gründe, warum Vermieter Balkonkraftwerke ablehnen sollten

Marc Rieger von dem Solarverein sieht das ähnlich. Er sagt, dass Vermieter Balkonkraftwerke in Zukunft nicht mehr durch pauschal ablehnen dürfen, sondern triftige Gründe vorlegen müssen. Zum Beispiel, dass der Balkon die Anlage statisch nicht aushält. Weil es aber auch sehr leichte Anlagen gibt, kann sich Rieger gar keine Gründe vorstellen, woran es in Zukunft scheitern sollte. In etwa drei Monaten, schätzt er, könnte das neue Gesetz fertig sein – und Kurtz dürfte sein Balkonkraftwerk wieder aufhängen.

Der ist allerdings nicht so optimistisch. Er überlegt deshalb, ob er klagen soll. "Es ist einfach schade, dass mir so viele Steine in den Weg gelegt werden", sagt er. Eine Anfrage der AZ beantwortete die Wohnbau nicht. Auch Tobias Ruff von der ÖDP will es nicht nur der Zeit überlassen. Er beantragt am Dienstag, dass der Oberbürgermeister die großen Immobilienverwalter dazu bewegen soll, ihre Blockade-Haltung aufzugeben. Außerdem soll die Stadt eine Kampagne starten, fordert er.

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ÖDP fordert virtuelles Stromkonto für Besitzer von Solaranlagen

Denn das Rathaus fördert Balkonkraftwerke sogar. 1.500 Anlagen hat das Umweltreferat innerhalb des letzten Jahres bezuschusst. Fast 1.800 weitere Anträge wurden bewilligt, aber noch keine Förderung ausbezahlt. ÖDPler Ruff glaubt, die Stadt könnte mehr Anreize schaffen.

Momentan sei es mit einer Solar-Anlage und einem Vertrag bei den Stadtwerken so: "Wer die Waschmaschine anschaltet, wenn die Sonne scheint, profitiert von einem geringen Strompreis. Wenn die Waschmaschine an einem Regentag läuft, zahlt man ebenso viel wie alle anderen." Ruff fordert deshalb, dass bei den Stadtwerken der eingespeiste Strom auf ein virtuelles Stromkonto gutgeschrieben werden müsse. Andere Anbieter bieten das bereits an, sagt er.

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23 Kommentare
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  • Solar2030.de am 27.09.2023 23:35 Uhr / Bewertung:

    Ein Balkonkraftwerk mit zwei PV-Modulen, Südausrichtung und wenig Verschattung ist kein Atomkraftwerk, erzeugt aber ca 800kWh Strom pro Jahr von denen durchschnittlich 600kWh selbst verbraucht werden. Das macht 200 Euro Einsparpotential pro Jahr und rechnet sich innerhalb weniger Jahre.
    Wir möchten die Energiewende von unten voranbringen und unterstützen ehrenamtlich.
    Spätestens Anfang 2024 werden Balkonkraftwerke privilegiert und müssen genehmigt werden. Ohne driftigen Grund (Statik, marode Elektrik) dürfen Vermieter und WEGs die Genehmigung dann nicht mehr verweigern und zudem keine übertriebenen Anforderungen stellen.

  • Solar2030.de am 27.09.2023 23:30 Uhr / Bewertung:

    Ein Balkonkraftwerk mit zwei PV-Modulen, Südausrichtung und wenig Verschattung ist kein Atomkraftwerk, erzeugt aber ca 800kWh Strom pro Jahr von denen durchschnittlich 600kWh selbst verbraucht werden. Das macht 200 Euro Einsparpotential pro Jahr und rechnet sich innerhalb weniger Jahre.
    Wir möchten die Energiewende von unten voranbringen und unterstützen ehrenamtlich.

  • Mull3x am 27.09.2023 07:16 Uhr / Bewertung:

    Moin, auch ich wurde von der Wohnbau aufgefordert, meine Mini-PV Anlage unverzüglich zu demontieren. Denen ist dies angeblich bei einer Begehung aufgefallen.

    In dem Schreiben wird überwiegend erklärt, warum Solar außen an der Fassade unerwünscht ist. Es wird ein Risiko für andere Menschen beschrieben, für das die Wohnbau nicht in die Verantwortung möchte. Zuletzt wird geschrieben, dass PV-Anlagen erst ab einem Quadratmeter und unter spezieller Ausrichtung ertragreich wären. Dies wäre dann optisch an der Fassade nicht vertretbar.

    Für mich selbstverständlich nachvollziehbar. Nur doof, dass meine Anlage selbststehend innen/auf dem Balkon steht.

    Auch wenn die Wohnbau meine Interesse angeblich mit berücksichtigt hat und meinen Wunsch zur Energiewende loben, passt das Schreiben garnicht zu meiner Anlage - interessante Begehung…

    Im letzten Absatz wird aber zugestimmt, wenn die Anlage innen steht, nicht gebohrt wird und ein Elektriker vorab die Hausleitungen prüft und bestätigt.

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