Stromerzeugung beim Hopfenanbau: In der Hallertau geht man neue Wege
Neuhub - Es ist eine Entwicklung, die Bierliebhabern Sorgen machen dürfte: Dem Hopfen wird's zu warm. Besonders die durch die Erderwärmung stetig heißer werdenden Sommertage setzen ihm zu. Durch die Trockenheit werden die Pflanzen immer gestresster und damit auch anfälliger für Krankheiten und Schädlinge.
Photovoltaik und Hopfenanbau - passt das zusammen?
Bernhard Gruber von der Hallertauer Handelshaus GmbH und Landwirt Josef Wimmer wollen in Neuhub in der Hallertau aus dieser Not eine Tugend machen. Gemeinsam haben sie die Firma AgrarEnegie GmbH & Co. KG gegründet. Die Idee: Photovoltaikanlagen auf Hopfenfeldern sollen Strom erzeugen - und gleichzeitig noch das wertvolle Gewächs vor der Hitze schützen. Die AZ hat sich das mal angeschaut.
Inmitten der Hopfenfelder, die Mitte April noch sehr karg erscheinen, liegt der Hof von Josef Wimmer. Schon von weitem sieht man Solarpaneele auf den Dächern des Landwirts - direkt nebenan breitet sich das Pilot-Feld aus. Auf den ersten Blick ein im Bierland Bayern vertrauter Anblick: Die im Hopfenanbau üblichen Pfähle ragen aus dem Boden in die Luft. Doch einen Unterschied gibt es: Darüber befinden sich in sieben Metern Höhe reihenweise Dächer aus Solarpaneelen auf Stelzen.

Der Schatten der Solarpaneele ist gut für die Pflanzen
Trotz des Regens an diesem Tag werfen sie Schatten auf das Feld. Der sei für den Hopfen gewünscht, sagt Wimmer. Er sorgt für geringere direkte Sonneneinstrahlung und damit für die Reduzierung der Verdunstung, wodurch der Boden feuchter bleibt.
Im Oktober 2021 haben Wimmer und Gruber mit der Planung für die sogenannte Agri-PV-Anlage begonnen. Das größte Problem: die Statik. Weil die Paneele für eine PV-Anlage ungewöhnlich weit oben sind, mussten die beiden Unternehmer besonders gründlich planen, damit alles Wind und Wetter standhält. Im Frühjahr 2023 konnten die Pioniere aber mit dem Bau loslegen. "Ausgerechnet zu dieser Zeit gab es den nassesten März seit 20 Jahren", erzählt Wimmer. Das habe das Aufstellen der Säulen im durchweichten Boden noch einmal deutlich schwerer gemacht.
Teure Investition soll sich noch im Juni auszahlen
Aber: "Der erste Strom soll Ende Juni dieses Jahres fließen", sagt Gruber. Die Entwicklungskosten der zwei Hektar großen Anlage lagen bei 1,5 Millionen Euro - eine teure Investition. Die Unternehmer begründen das damit, dass es sich um einen Prototyp handle. Die Kosten einer fertigen Anlage wären geringer.
Gruber entwickelt schon seit Jahren mit seiner Hallertauer Handelshaus GmbH PV-Freiflächen. Doch noch sind einige Hürden zu meistern: Es gebe einen Mangel bei der Infrastruktur, sagt er. Der erzeugte Strom braucht ein Leitungsnetz, in das die Energie eingespeist werden kann. Das ist in der Hallertau vielerorts nicht verfügbar.
Materialknappheit und lange Lieferzeiten erschweren die grüne Stromerzeugung
Zudem ist eine Einspeisung in die bestehenden Leitungen oft nicht möglich, weil sie den Energiemengen nicht standhalten. Auch knappe Materialien seien ein Problem. "Allein die Lieferung eines Trafos dauert über ein Jahr", sagt der Unternehmer, während er auf den großen grauen Kasten in der Ferne zeigt.
Eine wichtige Rolle spielen daher Netzbetreiber und die Bundesnetzagentur. Dort werde nach Möglichkeiten gesucht, das Stromnetz auszubauen und den erzeugten Strom zu nutzen. Denkbar wäre zum Beispiel die Verwendung für Elektrotankstellen an der nahe gelegenen A9, sagt Gruber.
"Die erzeugte Strommenge entspricht der des Atomkraftwerks Isar 2"
In der Hallertau gebe es ein immenses Potenzial für solche Agri-PV-Anlagen, sagt sein Kollege Wimmer. "Hier könnte eine Fläche von bis zu 17.000 Hektar für landwirtschaftliche Photovoltaik genutzt werden. Die dann erzeugte Strommenge entspricht der des Atomkraftwerks Isar 2."
Die erhöhten Solarpaneele böten außerdem viele Möglichkeiten für andere Formen der Landwirtschaft: Würde man die Paneele zum Beispiel auch auf Wiesen aufstellen, hätten die dort weidenden Kuh- und Schafherden ein wunderbar schattiges Plätzchen, überlegt Gruber. Doch das ist noch Zukunftsmusik.

Hopfen eigne sich besonders gut für das Agri-PV-Projekt. Die Sorten "Herkules" und "Tradition" sind in der Hallertau am häufigsten im Einsatz, sagt Wimmer. Gelingt es, die Bedingungen der PV-Anlage für diese Sorten anzupassen, wäre viel gewonnen. Sollte dieser Plan aufgehen, kann sich der Landwirt auch vorstellen, für empfindlichere Hopfensorten nachzujustieren.
Für die Auswirkungen auf die Pflanzen interessiert sich auch die Landesanstalt für Landwirtschaft, die das Pilotprojekt die kommenden Jahre begleitet. Ebenso wie die Hochschule Weihenstephan und das Fraunhofer-Institut ISE in Freiburg.
Die Resonanz der Landwirte ist immens
Die Innovation der beiden Unternehmer ist auch deshalb so bemerkenswert, weil bei den Hopfenbauern die Auswirkungen des Klimawandels besonders deutlich zu spüren sind. Schon jetzt haben Landwirte laut Wimmer bis zu 30 Prozent weniger Ernteerträge. Mit dem Bau der Anlagen könne man die Probleme eindämmen und gleichzeitig auch noch Strom gewinnen. Zudem sei es realistisch - zusätzlich zum Hopfenanbau - doppelt so viel Geld mit dem Stromverkauf zu verdienen, sagt er. Auch für den Schutz vor immer extremeren Unwettern gebe es Potenzial. Die Solarpaneele böten einen Schutz für die Pflanzen. "Die Resonanz der Landwirte ist immens", sagt Gruber. Viele seien auf ihn zugekommen und hätten Interesse für die eigenen Hopfenfelder bekundet.
Und wie schaut es mit der Verschandelung der Landschaft aus? "Schauen Sie sich doch einmal selbst um - so groß ist die Veränderung nicht", sagt er und zeigt auf die Pfahlkonstruktionen in den anderen Hopfenfeldern. Die seien ohnehin überall in der Hallertau zu sehen. "Solarpaneele machen da auch keinen großen Unterschied."
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