Masterplan: Was die Stadt mit dem Viehhof-Areal vorhat

Mehr Wohnungen als bisher geplant, keine Stellplätze über der Erde – aber altes Gewerbe soll trotzdem bleiben: Die AZ erklärt, was die Stadt auf dem Areal vorhat.
von  Myriam Siegert
Das Viehhof-Areal (gelb) und Umgebung.
Das Viehhof-Areal (gelb) und Umgebung. © Grafik: anf/Google Earth

München - Ein sieben Hektar großes Areal in einer innerstädtischen Schmankerl-Lage. Mitten in der Isarvorstadt möchten viele Münchner und Möchtegern-Münchner gerne wohnen. Die Miet- und Immobilienpreise im Viertel rundherum zeigen es schon lange – das Schlachthofviertel ist begehrt.

Dass mit dem Viehhof eine der letzten großen Gewerbeflächen in der Innenstadt zu Wohnraum umgewandelt wird, stößt deshalb auf großes Interesse. Obwohl die Zwischennutzungen, die hier untergebracht waren und teils noch sind, den Münchner sehr ans Herz gewachsen waren. Der Biergarten, das Open-Air-Kino, so mancher trauert diesen urbanen Orten hinterher. Immerhin, den Bahnwärter Thiel und die urbanen Gärten gibt's ja noch. Und das wohl noch einige Zeit.

Viehhof-Areal: So sieht der Masterplan aus

Die Stadt, genauer das Planungsreferat, hat jetzt zunächst dem Stadtrat und dem zuständigen Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (BA) den Masterplan für das Viehhof-Areal vorgestellt.

Der wird nun die Basis für einen Bebauungsplan. Das Besondere: Weil das ganze Areal der Stadt gehört, kann hier geförderter und somit bezahlbarer Wohnraum entstehen. 20 bis 40 Prozent sollen außerdem an Genossenschaften gehen, die sicherlich höchst interessiert sein dürften, denn innerstädtischer Grund ist für sie selten zu bekommen.

Was ist konkret geplant? Das ganze Areal wird neu geordnet. Ein "qualitätsvolles, innerstädtisches, gemischt genutztes urbanes Viertel" soll hier entstehen, so das Planungsreferat. Im Norden des Geländes entlang der Tumblingerstraße wächst gerade schon der Neubau des Volkstheaters nach einem Entwurf der Architekten Lederer Ragnarsdóttir Oei in die Höhe. Dazu gehört auch ein Platz südlich des Theatergebäudes, der sich zum Beispiel für einen Wochen- oder Weihnachtsmarkt eignet.

Viehhof-Areal: Im Süden ein Gewerbehof

Daneben, entlang der Zenettistraße, bleiben die denkmalgeschützten Gebäude erhalten und natürlich auch das Wirtshaus im Schlachthof. Im nordöstlichen Eck schließlich, an der Zenetti- und Thalkirchner Straße, entsteht ein Gewerbehof. Hier können kleinere Betriebe, die auch jetzt schon im Viehhof untergebracht sind, einen neuen Standort finden.

Zugleich soll er das Areal mit dem nördlich gelegenen Schlachthof verknüpfen und einen Lärmschutz zum neuen Wohngebiet bilden. Außerdem bekommt das Areal eine Kindertagesstätte. Das Wohngebiet südlich von alledem wird anders als in allerersten Planungen, nämlich dichter. Statt 400 sollen hier nun rund 600 Wohnungen in überwiegend sechsgeschossigen Häusern gebaut werden.

Zwei "Punkthäuser" werden acht Geschosse hoch. Zwischen den Wohnblöcken entstehen Frei- und Grünflächen, die Dächer der Häuser sollen außerdem gemeinschaftlich nutzbar sein. Noch weiter im Süden des Areals ist ein 14.500 Quadratmeter großer Park geplant, der mit einer Lärmschutzwand zur Bahnlinie hin abgeschirmt wird. Der ist dann nicht nur Erholungsfläche für die Bewohner, sondern auch Zugeständnis an den Artenschutz. Auf dem Gelände leben viele Tiere, Zauneidechsen etwa und Mopsfledermäuse.

Viehhof-Areal: Stellplätze in erster Linie unterirdisch

Und der Verkehr? Das Viertel wird über die Thalkirchner und Zenettistraße erschlossen, Straßen im klassischen Sinn werden nicht gebaut. Natürlich können aber Rettungsdienst, Müllabfuhr, Umzugswagen und ähnliches einfahren. Stellplätze sollen vor allem unterirdisch in einer Tiefgarage Platz finden.

Um den "motorisierten Individualverkehr" möglichst gering zu halten, wird ein Mobilitätskonzept entwickelt. Als Ost-West-Querung wird eine Fuß- und Radwegverbindung zwischen Ehrengut- und Ruppertstraße geschaffen. Außerdem soll es eine Fuß- und Radwegstrecke entlang der Bahntrasse geben.

Neues Viehhof-Areal: Kein konkreter Zeitplan

Stadtrat und BA-Mitglied Paul Bickelbacher (Grüne) findet vieles an dem Masterplan gelungen. So etwa, dass es geglückt sei, "die Dichte zu erhöhen". Schließlich sei die Bebauung im Viertel rundherum auch sehr dicht. Auch im BA seien die Reaktionen positiv gewesen, sagt er.

Einen genauen Zeitplan für all das gibt es noch nicht. "Übernächstes Jahr wird erst einmal das Volkstheater fertig", so Bickelbacher. Vor allem mit der Wohnbebauung werde es aber noch dauern, "realistisch braucht man dafür wahrscheinlich nicht von einem Baubeginn vor 2024 oder 2025 ausgehen", schätzt er.

Denn: Zeitlich hänge alles vom Freimachungskonzept des Kommunalreferats für das Areal ab. Dabei gehe es vor allem darum, die Gewerbetreibenden unterzubringen. Größere Betriebe könnten auf das Großmarkt-Gelände umziehen. Das müsse aber mit dem Um- und Neubau dort abgestimmt werden.

Eine Viehhof-Eidechse.
Eine Viehhof-Eidechse. © H. Peter

Viehhof-Areal: Hier kreucht und fleucht es

Bei den Planungen für das Viehhof-Areal mussten nicht nur menschliche, sondern auch tierische Bedürfnisse berücksichtigt werden. Bei früheren Untersuchungen im Bereich der Gleisanlagen wurden Mauereidechsenpopulationen vorgefunden, in einigen alten Gebäuden außerdem Brutstätten von Mopsfledermäusen, Mauerseglern und Haussperlingen. Deshalb wurden Grünverbindungen mit Schotterbereichen und Trockenlebensräume für thermophiole Arten vor allem entlang der der Bahndämme berücksichtigt.

Die Viehhof-Geschichte

Zwei Jahre und fünf Monate hat es gedauert, bis der "Schlacht- und Viehhof München" am 31. August 1878 eröffnet werden konnte. Bis dahin gab es in München nur zwei öffentliche Schlachthäuser: am Färbergraben und am Viktualienmarkt. Die meisten Münchner schlachteten schwarz im Hinterhof.

Ohnehin suchten die Stadtoberen einen Weg, den Viehmarkt aus der Herrnstraße wegzubekommen. Der Auf- und Abtrieb der Tiere verdreckte die Altstadt. Schlachtabfälle und Abwasser bildeten eine ständige Gefahrenquelle. Stadtbaurat Arnold Zenetti plante das noch weitgehend unbebaute Areal beim Südbahnhof unter Einbeziehung der neuesten Hygiene-Standards.

Viehhof in München - Bilder vom Wandel

 

 

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs blieb der Viehhof nahezu unbeschadet. 1943 wurden bei Luftangriffen häufiger mehr als die Hälfte der Gebäude zerstört. Bis in die Achtziger wurden die Tiere mit der Bahn geliefert.

Vom Viehhof aus wurden sie in unterirdischen Treibgängen zum Schlachthof getrieben. Einer ist sogar noch erhalten. Parallel zur Bahnlinie verläuft ein Gewölbekeller, der als Bananenreiferei diente. Neben dem Markt für Schlachtvieh fand bis 2007 auch der Pferdemarkt im Viehhof statt, bevor die baufälligen Hallen 2008 abgerissen wurden. Im Südosten ist ein Notbrunnen für Trinkwasser. (lkr)

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