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Laden brummt: Die neue Cannabis-Apotheke am Königsplatz in München

Manuel Käsche und Leon Glowna wollen mit ihrer Apotheke am Königsplatz den Zugang zu medizinischem Cannabis vereinfachen. Die AZ hat sie besucht – und sich umgehört, ob die Legalisierung auch andere Apotheken verändert.
Moritz Müllender |
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Manuel Käsche (r.) und Leon Glowna haben eine Mission: "Wir wollen Cannabis aus der Schmuddelecke holen", sagt der 30-jährige Glowna. Dass sie sich auf Cannabis spezialisieren, sagen sie offen.
Manuel Käsche (r.) und Leon Glowna haben eine Mission: "Wir wollen Cannabis aus der Schmuddelecke holen", sagt der 30-jährige Glowna. Dass sie sich auf Cannabis spezialisieren, sagen sie offen. © AZ

München Es riecht süßlich, wenn man die Apotheke am Königsplatz betritt. Der Duft von Cannabis strömt über großzügige Sitzecken und hohe Zimmerpflanzen. "Wir sind die Fachapotheke für Cannabis", sagt Manuel Käsche (29). Er ist Geschäftsführer bei der Helios Cannabis GmbH in der Apotheke am Königsplatz. Leonardo Glowna nickt energisch.

"Wir holen das Thema aus der Schmuddelecke", sagt der 30-jährige Apothekeninhaber. Dass die Apotheke am Königsplatz keine normale Apotheke ist, riecht man nicht nur. Man merkt es auch an der Raumaufteilung. Der klassische Apotheken-Bereich umfasst etwa ein Viertel des Geschäfts. Dahinter entfaltet sich der Cannabis-Bereich. In gläsernen Vitrinen glänzt das Kiff-Zubehör: Grinder zum Zerkleinern, Bongs zum Rauchen und luftdichte Behälter zum Transport.

Auf die Beratung kommt's an

Auf die räumliche Trennung setzen Glowna und Käsche aus Erfahrung. Bereits in Wolfratshausen betrieben sie gemeinsam mit ihrem dritten Mitgründer Stefan Mahr eine Apotheke mit Cannabis-Fokus. Dort habe es teils Streit mit Kunden gegeben, die sich durch die Cannabis-Patienten gestört fühlten. Auch die Beratungszeit für Cannabis kollidiere mit dem normalen Apothekenablauf. Denn wer Cannabis in der Apotheke beziehen möchte, bekommt erstmal eine Nummer.

In der Apotheke am Königsplatz legt man Wert auf umfassende Beratung. Dazu kann man es sich auch schonmal eine Stunde lang bequem machen.
In der Apotheke am Königsplatz legt man Wert auf umfassende Beratung. Dazu kann man es sich auch schonmal eine Stunde lang bequem machen. © AZ

In einer der Sitzecken wartet man dann auf die Beratung. Das kann schonmal dauern. Denn Käsche und Glowna ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen. Unter einer Viertelstunde ende eine Beratung selten. "Wir haben eine Aufklärungspflicht", sagt Käsche. Oft kämen Interessierte zu ihnen, ließen sich beraten, wie eine Verschreibung funktioniere, und gingen dann erst zur Hausärztin.

Auch die Ärzte selbst erkundigten sich bei ihnen. Kritikern stünde die Tür ebenfalls offen. "Manche kommen auch hier rein und sind erstmal anti", sagt Glowna. Nach einem Gespräch verließen sie die Apotheke oft mit neuem Verständnis.

Weniger Hürden, leichterer Zugang: Seit der Legalisierung brummt das Geschäft mit medizinischem Cannabis in München

Seit die Bundesregierung Cannabis legalisiert hat, brummt das Geschäft. "Der Zugang ist deutlich leichter geworden", sagt Käsche. Da Cannabis rechtlich kein Betäubungsmittel mehr ist, fallen viele Pflichten im Umgang mit dem Stoff weg. So muss Cannabis nicht mehr in einem besonders gesicherten Schrank für Betäubungsmittel lagern und die Apotheken müssen die Abgabe weniger genau dokumentieren. Auch die Hürden für Ärzte, Cannabis zu verschreiben, sei gesunken, erzählen Glowna und Käsche.

Cannabis werde nicht mehr nur als letztes Mittel für Austherapierte verschrieben, sondern nun auch öfter bei Beschwerden, wie Stress, Schlaflosigkeit oder Migräne. Ein einfaches Rezept genüge. "Man spürt den vermehrten Andrang deutlich", sagt Käsche. Durch die Mengen, die sie einkaufen, können Glowna und Käsche teils unter Straßenpreis verkaufen. Zwischen fünf und 15 Euro koste das Gramm in der Apotheke. Gleichzeitig sei die Zusammensetzung transparenter als beim Dealer.

Traditionelle Münchner Apotheken sehen Legalisierung kritisch

Andere Münchner Apothekerinnen reagieren weniger euphorisch auf die Legalisierung. Sowohl Daniela Knebel von der Kugel-Apotheke als auch Marion Hill von der Heimeran-Apotheke berichten der AZ am Telefon, sie spürten keinen verstärkten Andrang. Marion Hill bemerkt lediglich: "In der Dokumentation macht es die Legalisierung schon leichter." Wie sie dazu stehe, wenn Ärzte nun vermehrt Cannabis verschrieben? "Wenn der Lauterbach meint, dass jeder das anbauen darf, warum soll man es dann nicht auch verschreiben", sagt sie. Sie nehme aber keine vermehrten Verschreibungen wahr. Hill und Knebel vermarkten das medizinische Cannabis jedoch auch nicht so offen wie die Apotheke am Königsplatz.

Die Apotheke im Forum Schwanthalerhöhe dagegen listet medizinisches Cannabis auf ihrer Webseite zumindest als Schwerpunkt. Auch hier beziehen nun mehr Menschen Cannabis, vor allem auf Privatrezept. Das berichtet Inhaberin Gjyljeta Balaj-Shahini der AZ am Telefon. "Auf Privatrezept kann das jetzt jeder Hausarzt verschreiben", sagt sie. Sie habe jedoch 80 Prozent Kassenpatienten. Dort merke sie keinen Unterschied. Für Balaj-Shahini scheint Cannabis einfach ein weiterer Teil ihres Geschäfts zu sein.

Menschentraube mit Graswolke vor der Tür: Neue Cannabis-Apotheke am Königsplatz

Leonardo Glowna und Manuel Käsche dagegen sind echte Cannabis-Nerds. Einmal losgelegt, lassen sie sich kaum stoppen, springen von Nische zu Detail und wieder zurück, fachsimpeln über Lagerungsarten und Trocknungsgrade. Beide haben vorher bei Cannabis-Großhändlern gearbeitet, beschäftigen sich seit Jahren mit dem Thema. Käsche ging sogar nach Kalifornien, um sich noch tiefer einzuarbeiten. Die kalifornischen sogenannten Cannabis-Dispensaries, spezielle Abgabestellen, dienen so auch für die Apotheke am Königsplatz zum Vorbild. "Damit sind wir in Deutschland einzigartig", sagt Käsche. Das Konzept kommt an.

Während der sonnigen Tage waren eine Menschentraube und Graswolken vor der Apotheke zu beobachten. Auch Jason, der am verregneten Mittwoch mit weißer Papiertüte in der Hand aus der Apotheke kommt, wirkt zufrieden. Neben dem Preis ist für ihn vor allem die Beratung ein Grund wiederzukommen. "Sie sind einfach nett und zuvorkommend, bieten etwas zu trinken an und nehmen sich wirklich Zeit", sagt der 21-Jährige, der seinen Nachnamen lieber nicht nennen will. Seit einem Monat bezieht er medizinisches Cannabis wegen eines Milzrisses, mehrerer Operationen und ADHS. Auch bei Stress und Schlafstörungen helfe es ihm. Die Verschreibung zu bekommen, sei kein Problem gewesen, erzählt Jason. Weitere Kundinnen, die kein Cannabis kaufen, erzählen, sie störe der Cannabis-Verkauf nicht.

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"Jeder, der Cannabis will, soll es auch bekommen"

Aber ist, was Glowna und Käsche aufziehen, wirklich eine Apotheke für medizinisches Cannabis oder wären sie - wenn möglich - nicht lieber ein Cannabis-Shop, der frei verkauft? Darauf will Käsche auf Nachfrage keine klare Antwort geben und schwärmt lieber von Kalifornien. Dort könne auch jeder zum Arzt gehen und sich Cannabis verschreiben lassen. Er habe nichts gegen den freien Verkauf, finde aber wichtig, dass Fachleute, wie Ärztinnen oder Apotheker, Suchtmerkmale oder den körperlichen Verfall im Blick behalten können. "Grundsätzlich soll jeder, der Cannabis will, es auch bekommen", sagt er. "Denn auch wer nach einem stressigen Tag zuhause einen Joint raucht, wendet Cannabis therapeutisch an."

Ist es leichter geworden, Cannabis auf Rezept zu bekommen?

Der Bayerische Apothekerverband berichtet auf AZ-Nachfrage, er habe keine Erkenntnisse, dass zunehmend Cannabis verschrieben würde. „Da können wir nichts Nennenswertes feststellen“, sagt Sprecher Thomas Metz. Der größte Unterschied seit der Legalisierung sei, dass Cannabis leichter zu lagern sei. Apotheken müssten den Stoff nicht mehr im Tresor für Betäubungsmittel einschließen, sondern können das Cannabis bei den rezeptpflichtigen Medikamenten lagern.

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Zudem entfallen Dokumentationspflichten, die mit dem Status von Cannabis als illegaler Droge einhergingen. So mussten bis zur Legalisierung am 1. April noch drei Personen die Entsorgung überwachen.
Ob Cannabis nun tendenziell auch häufiger bei leichteren Beschwerden, wie Stress, Migräne oder Schlafschwierigkeiten verschrieben werde, könne er nicht sagen, so Metz. „Für uns als Apotheker ist wichtig, dass wir ein ordnungsgemäßes Rezept vorliegen haben, dann geben wir das Cannabis auch aus.“

Rolf-Wilhelm Schlüter von der Telemedizin-Plattform „Kannamedics“ sagt der AZ, an der Verschreibung habe sich wenig verändert. „Da gibt es ideologische Unterschiede“, sagt Schlüter. Für ihn komme es darauf an, ob die Cannabis-Therapie eine bessere Lebensqualität in Aussicht stelle und andere Therapiemöglichkeiten erschöpft seien oder vom Patienten abgelehnt würden. Dann sei Cannabis etwa bei Schlafstörungen oder auch Depression eine Option. „Wir geben vielen Indikationen eine Chance“, sagt Schlüter.

Und wie steht der Apothekerverband zu Cannabis-Apotheken? Es komme auf den Einzelfall an, sagt Sprecher Metz: „Am Ende sind Apothekerinnen und Apotheker Fachleute für Arzneimittel, die sich auf diesem Gebiet zusätzliches Fachwissen aneignen können.“

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3 Kommentare
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  • Leopold2810 am 22.04.2024 20:14 Uhr / Bewertung:

    Wer einmal die Doku über die medizinischen Erfolge von cannabis in Israel gesehen hat, weiß daß Deutschland hier ganz gewaltig hinterher hinkt. Schätzungsweise blockiert die Pharmaindustrie hier ganz massiv Aufklärung und Verkauf der Präparate. Es wäre eine sehr sinnvolle Alternative zu den ganzen Chemiebomben, die von unseren Ärzten verschrieben werden

  • Der wahre tscharlie am 22.04.2024 18:40 Uhr / Bewertung:

    Sehr gut. Genau so kann ich es mir vorstellen, dass es funktioniert.

  • pittomuc am 22.04.2024 07:27 Uhr / Bewertung:

    Endlich eine konstruktive Alternative… Glückwunsch

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