Er ist weg, sein Laden lebt weiter: Abschied von einer Sportgeschäftslegende in München

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Der Vater von Philipp Lahm hat vor 30 Minuten den Laden verlassen. Er war auf einen Ratsch vorbeigekommen. Und um seinen guten Freund Berti Biehl nochmal im Laden zu erleben. Denn: Die Sportecke Biehl in der Minerviusstraße in Neuhausen ist ein legendäres Geschäft für Fußballschuhe.

Der Kunde ist König, lautet der ambitionierte Anspruch. Online kann man ja Fußballschuhe nicht probieren. "Vor allem Kinder und Jugendliche beraten wir, unsere Kunden sind zwischen 8 und 16. Philipp Lahms erste Fußballschuhe waren von uns. Darauf sind wir etwas stolz", sagt Berti Biehl (66).

Am 1. September hat er seinen Laden seinem Nachfolger Alfons Kurt Mexner übergeben. "Das Herz blutet. Aufhören ist nicht leicht", sagt der charmante Ladeninhaber – und stellt Mexner in den Mittelpunkt: "Das ist der neue Mann. Er wird unsere schöne Tradition weiterführen – und ich werde Minijobber", scherzt der Workaholic.
"Der Berti bleibt der Berti. Aber Berti wird nicht ganz weg sein", erklärt sein Nachfolger Alfons Kurt Mexner. Der 48-jährige Münchner ist ehrenamtlicher Jugendleiter beim TSV Allach. "Wenn ich strahlende Augen sehe, beim Training und bei der Freude über die neuen Fußballschuhe, gibt mir das Motivation", sagt der freundliche Münchner. Mexners Onkel arbeitete übrigens als Chef des Olympiastadions. Und Mexners Großeltern hatten, ganz früher, in den 1960er-Jahren die Wacker-Gaststätte in Sendling. Mexner meint: "Ich bin als Kind schon mit dem Kettcar um den Fußballplatz gefahren. Ich liebe Fußball und kann gut beraten. Ich würde sagen, in mir fließt Fußballblut."

Neue und gebrauchte Bälle gehen als Spende nach Afrika
Das Lager in Neuhausen hat Berti Biehl mit seiner Frau Christel leer gemacht. Einige Kisten Fußballschuhe gehen nun als Spende nach Kapstadt, für sozial schwache Kinder. "Das ist ein kleiner Betrag, um Leid zu lindern und die Welt für Kinder etwas schöner zu machen", sagt Berti Biehl. Wer in der "Sportecke" einen neuen Fußball aus der neuen Kollektion kauft, lässt oft den alten (noch guten) als Spende für Afrika im Laden, auch andere Fußballklamotten, die noch gut sind. Das hat sich hier so eingebürgert.
Kisten mit Retouren gehen in den Senegal
So holt Rahmee Wetterich für die Kinder ihrer Näherinnen im Senegal kistenweise leichte Fußbälle für Elfjährige ab. "Das sind Retouren oder Ware mit kleinen Materialfehlern", erklärt Biehl.

Die Gründerin von Nohnee (afrikanische Dirndl aus München) strahlt: "Die Kinder in Senegal spielen mit Blechbüchsen auf der Straße, mit Bällen aus Stoffresten. Die neuen Bälle mit dem tollen Design werden sie sehr glücklich machen", sagt sie.
Die Vergangenheit ist Geschichte
In seinem Haus in Moosach, wo er mit seiner Frau Christel Biehl lebt, wird er den Rasen mähen, er möchte Italienisch lernen und ein altes Motorrad oder ein Auto finden, um daran herumzubasteln und es aufzumöbeln. Christel Biehl hat viele Jahre übrigens im Hintergrund des Ladens gewirkt und auch die Trikots mit Logos, Nummern und Namen beflockt.

Berti Biehls Wahlspruch für die ruhigere Zeit, die jetzt vor ihm liegt, lautet: "Die Vergangenheit ist Geschichte, die Zukunft ist ein Geheimnis, ich genieße den Moment".

Der Nachfolger ist gefunden: In der neuen Sportecke München können Omas mit Enkeln weiter Trikots suchen, Kicker die grüne Sporttaschen vom TSV Moosach kaufen, und Väter mit ihren Söhnen die gleichen Fußballschuhe, wie die eines Sympathiespielers ergattern: Manuel Neuer, Thomas Müller oder Jamal Musiala.
Berti, mach’s gut!
Die "Jungväter", die heute um die 35 Jahre alt sind, mochte Berti Biehls als Kunden besonders. Denn die haben bei der Schuh-Anprobe ihren Jungs gerne erklärt: "Das ist der alte Biehl, der hat dem Papa die ersten Fußballschuhe verkauft".
Viele treue Kunden kamen bei Sechzger-Fan Berti Biehl in den letzten Tagen mit Geschenken und Tränen in den Augen vorbei: Und dem Wunsch: "Berti, mach’s gut".