Eggarten-Siedlung: Abriss "wie im Wilden Westen"

Nach einem Stopp letzte Woche entkernen Arbeiter weiter in einem der historischen Häusl im Eggarten in der Lerchenau. Das bringt Naturschützer auf. Und wo bleibt eigentlich das Fledermaus-Gutachten?
Irene Kleber |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
32  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Aus für Fledermaus-Quartiere: Seit Dienstag reißen Arbeiter im Dachstuhl dieses Häusls in der Eggartenstraße 4 herum.
Aus für Fledermaus-Quartiere: Seit Dienstag reißen Arbeiter im Dachstuhl dieses Häusls in der Eggartenstraße 4 herum. © privat

Hasenbergl - Letzten Donnerstag noch hat die Polizei die Bagger gestoppt. Gegner der Eggarten-Bebauung hatten die Beamten informiert, dass an zwei der verlassenen historischen Häusl der ehemaligen Bahner-Kolonie im Inneren herumgerissen werde, ohne Rücksicht auf streng artengeschützte Fledermäuse.

Aber gleich nach Allerheiligen rückten die Bauarbeiter wieder an in dem verwunschenen Siedlungskleinod südlich des Lerchenauer Sees. Mit viel Staub und Getöse flogen ab Dienstag aus einem aufgebrochenen Dachfenster Bretter, Ziegel und Bauschutt.

Märchenhafte Kleingärten sollen 2.000 Wohnungen Platz machen

Die Eggarten-Freunde, Lokalpolitiker und Naturschützer sind aufgebracht. Und der Fledermausexperte Heinz Sedlmeier, Münchner Chef des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), greift die Projektentwickler der geplanten Neubausiedlung und die Untere Naturschutzbehörde der Stadt scharf an.

Heinz Sedlmeier, Fledermaus-experte und Chef des LBV München.
Heinz Sedlmeier, Fledermaus-experte und Chef des LBV München. © privat

"Ich bin sprachlos, das ist ja wie im Wilden Westen", sagt Sedlmeier zur AZ. "Die Arbeiter hätten auf keinen Fall abreißen dürfen, die Untere Naturschutzbehörde hätte das untersagen und stoppen müssen, weil hier Artenschutzgesetze verletzt werden!"

Wie berichtet, wollen die Projektentwickler CA Immo und Büschl Unternehmensgruppe auf dem 21 Hektar großen historischen Kleinod in der Lerchenau fast 2.000 Neubauwohnungen bauen - und dafür den Großteil der rund 25 hundert Jahre alten Häusl (die meisten sind seit Jahren verlassen) bis zum Frühjahr abreißen, dazu später rund 1.000 alte Bäume fällen und die märchenhaften Kleingärten entfernen.

Nur drei der rund 25 historischen Häusl dürfen im Eggarten stehen bleiben, darunter dieses in der Daxetstraße, ein Pächter pflegt den Garten noch.
Nur drei der rund 25 historischen Häusl dürfen im Eggarten stehen bleiben, darunter dieses in der Daxetstraße, ein Pächter pflegt den Garten noch. © iko

Eggarten-Siedlung: Kolonie für Fledermäuse?

Die Pläne stoßen aber auf starken Widerstand. Eine Bürgerversammlung hat einen Planungsstopp für das Bauprojekt gefordert. Die Stadträte Tobias Ruff (ÖDP) und Dirk Höpner (München-Liste) haben Strafanzeige gestellt, weil ein Abbruch der Gebäude aus ihrer Sicht gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoße.

Auch der örtliche Bezirksausschuss appellierte an OB Dieter Reiter (SPD), keinen Häuser-Abriss zuzulassen, bevor nicht die Ergebnisse einer neuen Fledermaus-Untersuchung veröffentlicht sind, die die Bauherren in Auftrag gegeben haben - aber die noch kein Naturschützer zu sehen bekommen hat.

Denn Fakt ist: 2019 hat ein Gutachten des Biologen Ralf Schreiber zur Kolonie Eggarten ergeben, dass sich nicht nur Spechte, Bergmolche, Erdkröten, Frösche und Eidechsen auf dem Areal befinden, sondern "mit relativ großer Sicherheit" in den alten Häuschen auch Quartiere für Fledermäuse.

"Überall und immer" sind im Eggarten laut dem Gutachten Zwergfledermäuse - wie diese im Bild - nachgewiesen worden
"Überall und immer" sind im Eggarten laut dem Gutachten Zwergfledermäuse - wie diese im Bild - nachgewiesen worden © Stefan Masur, LBV

Laut dem Gutachten, das der AZ vorliegt, wurden neun Arten "sicher dokumentiert", darunter Rauhaut-, Weißrand-, Zwergfledermäuse und Große Abendsegler. "Viele Flüge konnten in Marder-, Daxet, Eggarten- und Feldbahnstraße gesichtet und aufgezeichnet werden", heißt es weiter.

"Wenn jetzt Häuser und Dachstühle entkernt werden, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Fledermäuse getötet werden", sagt LBV-Mann Heinz Sedlmeier.

Lesen Sie auch

"Vollkommen unmöglich, Fledermaus-Vorkommen auszuschließen"

Das neue Gutachten kommt offenbar zu einem anderen Schluss. "Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Fledermäuse im Eggarten nur Jagd machen und die Häuser nicht als dauerhafte Quartiere benutzen", erklärt Philipp Heimerl, Sprecher der Projektentwicklung GmbH, der AZ. Das Papier habe man der Stadt im Sommer vorgelegt.

Auch hier, im Häusl an der Eggartenstraße 9, haben schon Entkernungsarbeiten begonnen. .
Auch hier, im Häusl an der Eggartenstraße 9, haben schon Entkernungsarbeiten begonnen. . © iko

Der Landesbund für Vogelschutz hat (wie der Bund Naturschutz) die Herausgabe des Papiers angemahnt - denn man hat Zweifel an einem solchen Urteil. "Wir halten es nach Faktenlage für vollkommen unmöglich, zwei Jahre nach den Erstgutachten Fledermaus-Vorkommen auszuschließen", sagt Sedlmeier.

Fledermausschützer sorgen sich aber, dass Tiere beispielsweise im Kellergewölbe Quartiere haben. Erkennbar haben aber Arbeiter auch hier schon entrümpelt und herumgerissen.
Fledermausschützer sorgen sich aber, dass Tiere beispielsweise im Kellergewölbe Quartiere haben. Erkennbar haben aber Arbeiter auch hier schon entrümpelt und herumgerissen. © iko

Vor einem Abriss hätten Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, wie Nistkästen an anderen Häusln anzubringen. "Es wird ja jetzt kalt, die Fledermäuse müssen ins Winterquartier", sagt der LBV-Experte. "Sollte das Zweitgutachten nicht absolut schlüssig sein, stellen wir eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen."

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
32 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Hemdl am 06.11.2021 14:30 Uhr / Bewertung:

    Nochmal zum Thema dichtestbesiedelte Stadt: Ich glaube, manche bringen hier Bevölkerungsanzahl und Bevölkerungsdichte durcheinander. Die bevölkerungsreichste Stadt ist natürlich Berlin, dann Hamburg, dann München. Die mit der höchsten Dichte ist aber, und das könnt Ihr gerne alle nochmal überprüfen, bevor Ihr anderen Populismus unterstellt und falsche Behauptungen in den Raum werft, nun mal München.
    Zum Thema größere lebenswerte Städte: es gibt auch Gefäße, die mehr Volumen fassen als ein Masskrug, und da kann ich mitunter natürlich schon 2 Liter reinfüllen grinsen .

  • Kadoffesalod am 06.11.2021 10:35 Uhr / Bewertung:

    Durch Sätze wie

    "Mit viel Staub und Getöse flogen ab Dienstag aus einem aufgebrochenen Dachfenster Bretter, Ziegel und Bauschutt."

    weiß man gleich, wie man den Artikel hinsichtlich Objektivität und Ausgewogenheit einschätzen kann.

    Übrigens deutet die Art des Rückbaus, also von Hand nach und nach Gebäudebestandteile abzubrechen und die Materialien zu trennen, auf eine fachgerechte und nachhaltige Ausführungsweise hin.

    Eine andere Methode wäre, mit dem Bagger durch die Hütte zu fahren und / oder es mit anderem Großgerät zu zerstören und den grob zerkleinerten Schutt abfahren zu lassen. Gerade bei kleineren Abbruchgebäuden kann sich das rechnen, wenn die Zeitersparnis höher ist als die Mehrkosten für den gemischten Schutt.

  • Hemdl am 06.11.2021 14:25 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Kadoffesalod

    Darum geht es hier aber denke ich nicht in erster Linie.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.