Demo gegen Schwarz-Rot!
Der letzte Vorstoß der Grünen, doch noch an der Stadtregierung beteiligt zu werden, schlägt fehl. Die CSU stimmt jubelnd für das neue Bündnis im Rathaus. Die SPD spürt da viel mehr Gegenwind
München - "Hopp, Hopp, Hopp, Schwarz-Rot Stopp!“, skandierte eine dichte Traube von Demonstranten. Durch deren Spalier mussten gestern Abend die Genossen auf den SPD-Parteitag im Augustinerkeller, auf dem sie über ein neues Rathaus-Bündnis abstimmen wollten.
Und innen im Saal diskutierte ein hoch emotionaler Parteitag, auf dem die Gegner die akustische Mehrheit bildeten (das Ergebnis lag bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor). Und Alt-OB Georg Kronawitter brach mit bebender Stimme eine Lanze für Dieter Reiter, den Oberbürgermeister auf Mehrheitssuche.
„Keiner ist unfehlbar“, mahnte Reiter den Parteitag: „Auch nicht der OB – jedenfalls nicht der aktuelle.“
Lang und breit erklärte Reiter, wie die wochenlangen Bündnisgespräche im Rathaus verlaufen waren: „Ich brauche eine stabile und verlässliche Mehrheit über sechs Jahre.“ Er wolle nicht in einer Minderheitenregierung täglich auf dem Rathausflur die Mehrheiten für Millioneninvestitionen suchen müssen.
Reiter gestand: „Ich wollte nie die Kooperation mit der CSU. Das ist keine Liebesmehrheit, sondern ein Zweckbündnis.“ Und er attackierte die Verschwörungstheoretiker in der Partei, die an Rot-Grün hängen: „Ich habe keine Scheinverhandlungen geführt. Ich habe sieben Wochen lang ernsthaft verhandelt. Wenn es gescheitert ist, dann am Thema Posten für die Grünen.“
Die Gegner von Schwarz-Rot reagieren hoch emotional, blendeten die rot-grünen Probleme der vergangenen sechs Jahre aus und buhten die Befürworter von Schwarz-Rot aus. Ex-Sozialreferent Frieder Graffe rührte die linken Herzen: „Glaubt ihr wirklich, dass die CSU hier Mieterschutz betreibt? Ihr müsst wahrnehmen, dass dieser Weg Entsetzen auslöst. Für mich ist es das Ende einer Lebensphilosophie. Es ist das Ende einer Wertegemeinschaft.“
Dem stemmte sich der frühere SPD-Geschäftsführer Roland Fischer entgegen: „Wir haben am 16. März die Wahl gnadenlos verloren. Rot-Grün hat im Rathaus keine Mehrheit mehr!“ Es sei doch die Grünen-OB-Kandidatin Sabine Nallinger gewesen, die im Vorfeld der Stadtratswahl „permanent mit der CSU geflirtet“ hat.
Nallinger habe der Sozialdemokratie einen reingewürgt, wo sie nur konnte. Und dann sind viele Genossen von den Grünen bitter enttäuscht: „Es sind die gleichen Grünen, die in den letzten Tagen in den Bezirksausschüssen nicht schnell genug mit der CSU ins Bett gehen konnten.“
Am Morgen war nach nur 15 Minuten die letzte Verhandlungsrunde für ein mögliches schwarz-rot-grünes Bündnis gescheitert. SPD und CSU gaben dafür den Grünen die Schuld und entschärften das in der SPD umstrittene Kooperationspapier: Die CSU verzichtet darauf, das KVR zu besetzen.
Die Aufteilung der Referate lautet jetzt: Die SPD bekommt statt der CSU Soziales, Bildung, Kultur und Kämmerei. Die CSU erhält das Wirtschaftsreferat, Personal- und Organisationsreferat (bisher beide SPD), das Kommunalreferat und das Referat für Gesundheit und Umwelt (bisher beide Grüne). Parteifrei bleiben Baureferat und Planungsreferat.
Wesentlich leichter als Reiter tat sich sein CSU-Kollege Josef Schmid. Dessen Kür-Programm vor den schwarzen Mandats- und Funktionsträgern im Hofbräukeller dauerte nur eine gute Stunde – und endete mit 100-prozentiger Zustimmung und stehenden Ovationen.
In dieser knappen Zeit holte sich Schmid sein Mandat: Er darf sich morgen als erster CSUler nach 30 Jahren zum Münchner Bürgermeister wählen lassen; das Ja zum schwarz-roten Regierungsprogramm gab’s gleich dazu.
Schmid und der Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle hatten zuvor die Verhandlungen mit SPD und Grünen geschildert – und das abrupte Aus für die Grünen erklärt. Die hätten mit ihrem Veto zu einem schwarzen KVR-Chef einen „tiefen Rückfall in urfinstere Zeiten“ zu verantworten.
Josef Schmid bedauerte das ausdrücklich, lobte aber auch die Zusammenarbeit mit der SPD, zu der man „echtes Vertrauen“ habe aufbauen können. Er sehe in der 20-Punkte-Vereinbarung „ein gutes Handlungsprogramm für München“, das ausreichend stark die Handschrift der CSU trage. Es sei darum gegangen, als größte Stadtratsfraktion Verantwortung für München zu übernehmen – und dafür auch Kompromisse einzugehen.