Bahn frei für OB Reiter: Bayerisches Kabinett kippt Altersgrenze für Bürgermeister und Landräte
München - Eigentlich hatten der bayerische SPD-Fraktionschef Florian von Brunn und der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) damals die Presse eingeladen, um über das Stammstrecken-Debakel zu schimpfen. Doch Schlagzeile machte eine andere Forderung: Der Landtag soll die Altersgrenze für Oberbürgermeister abschaffen. Bisher dürfen sie (ebenso wie Landräte) bei Amtsantritt in Bayern nicht älter als 66 sein. Der 64-jährige Reiter würde diese Grenze bei der nächsten Kommunalwahl in drei Jahren überschreiten. Allerdings mache ihm sein Amt sehr viel Spaß und er wolle weitermachen, sagte Reiter damals.
Bahn frei für OB Reiter: Kabinett kippt Altersgrenze
So richtig ernst nahm das im Juli 2022 kaum wer. „Die Altersgrenze mit 67 ist richtig“, ließ sich der CSU-Landtagsabgeordnete Manfred Ländner damals auf eine AZ-Anfrage hin zitieren. Doch die Haltung innerhalb der CSU hat sich verändert.
Am Dienstag beschloss das bayerische Kabinett, die Altersgrenze zu kippen. Jetzt muss formal noch der Landtag zustimmen. Doch das gilt als sicher. "Alle reden von einer flexiblen Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Dann sollte das auch für Landräte und Oberbürgermeister gelten dürfen. Die Altersgrenze ist aus der Zeit gefallen“, schrieb Ministerpräsident Söder nach der Kabinetts-Sitzung auf Twitter.
Für München heißt das: Reiter darf noch einmal die Wahlplakate aus dem Keller holen – wenn er möchte. Schon als Söder im Januar ankündigte, die Altersgrenze abzuschaffen, erklärte Reiter, dass erst in zwei Jahren feststehe, ob er antritt: „Erst dann wird sich entscheiden, ob mich meine Partei noch einmal aufstellt, wenn ja und wenn ich weiter fit bin, werde ich eine erneute Kandidatur natürlich mit meiner Familie besprechen.“
OB Reiter begrüßt den Entscheid
Am Dienstag teilte er nur knapp mit, dass er die Entscheidung des Kabinetts begrüße – über seine eigenen Ambitionen verlor er kein Wort mehr. Doch für die SPD im Rathaus steht schon jetzt fest, dass Reiter kandidieren darf. Schließlich war er beim letzten Mal der klare Sieger: Mit 71,7 Prozent konnte er sich in der Stichwahl gegen Kristina Frank (CSU) durchsetzen. Die SPD-Fraktion ist seit der Kommunalwahl zwar bloß noch die drittgrößte Kraft im Stadtrat. Doch auch, weil einer aus ihren Reihen München regiert, fühlt es sich manchmal so an, als wäre das komplette Rathaus rot angemalt.
Kein Wunder also, dass sich die SPD freut. „Dass unser sehr populärer OB nochmal antreten darf, wenn er möchte, ist eine gute Nachricht für München“, sagt SPD-Fraktionschefin Anne Hübner. „Ob er es wirklich tut, soll er ganz in Ruhe entscheiden dürfen. Die Unterstützung der SPD-Fraktion im Rathaus hat er auf jeden Fall.“ Auch Bürgermeisterin Verena Dietl, die schon als Reiters Nachfolgerin gehandelt wurde, begrüßt die Abschaffung der Altersgrenze: „Ich würde mich freuen, noch weitere Jahre mit Dieter Reiter zusammen in der Stadtspitze für ein soziales und familienfreundliches München zu arbeiten“, sagt Dietl.
Dietl: Mindestalter für Ministerpräsidenten nicht mehr zeitgemäß
Gleichzeitig stellt die Bürgermeisterin eine Forderung auf: Der Freistaat müsse sich nun mit dem Mindestalter für Ministerpräsidenten beschäftigen. Denn auch diese Altersgrenze ist aus ihrer Sicht nicht mehr zeitgemäß. In Bayern müssen Ministerpräsidenten nämlich mindestens 40 Jahre alt sein. Deshalb kann die 37-jährige Katharina Schulze von den Grünen im Herbst auf keinen Fall Ministerpräsidentin werden.
Bürgermeisterin Katrin Habenschaden von den Grünen fordert nun: „Die Diskriminierung junger Menschen gehört ebenfalls abgeschafft. Dass Söder es nicht tut, zeigt, dass er Angst vor Katharina Schulze hat.“ Allerdings dürften nun auch Habenschadens eigene Aussichten, bald die Nummer Eins im Rathaus zu sein, nicht gerade größer werden. Sie schaffte es gegen Reiter nicht einmal in die Stichwahl. Trotzdem sagt Habenschaden: „Die Altersgrenze abzuschaffen ist richtig, denn sie ist diskriminierend.“
Münchner CSU: Pretzl und Theiss mit Ambitionen
Auch die Münchner CSU äußert sich positiv – obwohl es ihr Kandidat gegen den Amtsinhaber ebenfalls schwerer haben dürfte. „Die Lebensarbeitszeit wird länger und es gibt keinen Grund, warum man mit 65 Jahren aufhören sollte, wenn man sich noch fit genug fühlt“, sagt CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. Wen die CSU gegen Reiter ins Rennen schickt, ist noch unklar. Das will die CSU nach der Landtagswahl festgelegen. Gemunkelt wird, dass Pretzl und sein Vize Hans Theiss Ambitionen haben.
Gerätselt wurde auch darüber, warum der CSUler Söder überhaupt eine Entscheidung trifft, die seiner Partei in München bei der nächsten Kommunalwahl nicht gerade weiterhilft. Der Grünen-Stadtverband spekulierte sogar, ob es eine Absprache zwischen Söder und Reiter gegeben haben könnte. Seit Söder ankündigte, die Altersgrenze zu senken, schweige Reiter plötzlich zum Versagen des Freistaats – etwa bei der Stammstrecke – so sieht es zumindest Grünen-Chef Joel Keilhauer.
Die Erklärung von CSU-Chef Pretzl für das Verhalten des Ministerpräsidenten: Schließlich gebe es auch viele ältere CSU-Landräte, die nicht mehr antreten dürften, wenn die Altersgrenze bleibt.