AfD in München: So rechts ist die Stadtratsfraktion wirklich
München - Vor Kurzem haben in München so viele Menschen gegen rechts und gegen die AfD demonstriert, dass die Polizei die Demo auflösen musste. Die Ludwigstraße, die Leopoldstraße, die Nebenstraßen – alles war voll. Doch wie groß, wie mächtig, wie rechts ist die AfD im Münchener Stadtrat überhaupt? Um mehr über eine bestimmte Gruppierung zu erfahren, würde sich die AZ normalerweise mit den Politikern treffen. Doch eine Anfrage lehnte die AfD ab. Für die Recherche bleiben also die Anfragen und Anträge der AfD im Stadtrat, die Sitzungsprotokolle und ihre Auftritte bei Social Media.
Im Stadtrat sitzen drei AfDler: Iris Wassill, Markus Walbrunn und Daniel Stanke. Das ist einer zu wenig, um eine Fraktion bilden zu können. Im Rathaus haben sie keine Räume und sie dürfen in Ausschüssen nicht mitstimmen oder mitberaten. Nur bei den Vollversammlungen einmal im Monat dürfen die AfDler sprechen. Für viele Stadträte und Stadträtinnen ist das oft der Moment, sich einen Kaffee zu holen. Denn unter den Fraktionen gibt es eine Übereinkunft: Inhaltlich geht niemand auf Wortbeiträge der AfD ein.
Unkommentiert will Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Reden oft aber auch nicht lassen. Etwa im Oktober 2023, als der Stadtrat beschloss, das Personal aufzustocken, um die Geflüchteten aus der Ukraine zu versorgen. Die AfD war dagegen. "Unser Appell lautet, den Zuzug nach München zu stoppen", forderte AfDlerin Wassill. "Unsere Haltung ist, wir müssen an unsere eigenen Bürger denken." Sie schlug vor, Unterkünfte in der Ukraine zu schaffen, schließlich sei nicht das ganze Land zerstört. Reiter war erschüttert: "Was für ein unglaublicher Vorschlag angesichts des Kriegsgeschehens."

In München wählten nur halb so viele die AfD wie im Rest Bayerns
Dass nur drei AfDler im Münchner Stadtrat sitzen, die alle anderen weitgehend ignorieren, bedeutet aber nicht, dass die Partei hier in München keine Bedeutung und keine Basis hätte. Bei der Landtagswahl holte die AfD in München insgesamt 88.349 Stimmen. Das machte 7,1 Prozent aus, etwa so viele wie bei der Wahl zuvor. Im Rest von Bayern kam die AfD allerdings auf mehr als das Doppelte. Die AfD hat in München also weniger Zuspruch als im Rest des Freistaats, aber sie scheint doch eine stabile Anhängerschaft zu haben.
AfD-Stadtrat Markus Walbrunn schaffte im Herbst den Einzug in den Landtag. Der 37-Jährige trat in München-Pasing an, wo er zuhause ist. Aus seiner rechten Gesinnung macht Walbrunn kein Geheimnis – auch im Wahlkampf nicht. "Unser Land zuerst" stand auf einem seiner Flyer. Und: "Abschieben schafft Wohnraum" auf seinem Redner-Pult bei einer Wahlkampf-Veranstaltung. Walbrunn ist Mitglied bei der schlagenden Burschenschaft Stauffia ("Ehre, Freiheit, Vaterland" lautet ihr Wahlspruch). Walbrunn ist Fördermitglied der Jungen Alternative. Der Verfassungsschutz stuft die Jugendorganisation der AfD als gesichert rechtsextrem ein.
Zusammen mit zwei anderen Herren der Jungen Alternative hielt Walbrunn im Juni 2023, also dem Monat, in dem der CSD stattfindet, ein schwarz-rot-gelbes Banner in der Fußgängerzone hoch mit dem Aufdruck: "Stolz statt Pride". "Schwarz-Rot-Gold ist bunt genug!", schrieb Walbrunn zu dem Foto davon auf der Plattform X. Auf dem Bild wirken die drei Herren einsam, niemand jubelt ihnen zu. Auf X sieht das anders aus. 630 Menschen klickten auf das Herz. In der Kommunalpolitik ist das nicht wenig. Ein Foto, das Oberbürgermeister Dieter Reiter von seinem Besuch auf dem CSD postete, bekam 15 Likes.
Der Stadtrat in München hat keinem AfD-Antrag zugestimmt
Seit die Legislatur im Stadtrat im Mai 2020 begann, stellte die AfD 220 Anfragen und Anträge. Zugestimmt hat der Stadtrat keinem. Die Verwaltung muss sich trotzdem damit beschäftigen und die Anträge beantworten. 2023 forderte die AfD zum Beispiel, dass keinem Mieter, der in einer städtischen Wohnung lebt, gekündigt werden dürfe, damit dort Flüchtlinge einziehen. Die Antwort der Verwaltung: Das kam noch nie vor, ist rechtlich unmöglich, wird also auch nicht geschehen.

Danach beantragte die AfD mit einem Antrag eine "unbefristete Zuzugssperre für Flüchtlinge in München". Die Stadt solle außerdem gar keine neuen Unterkünfte mehr eröffnen. "Der massenhafte Zustrom von Wirtschaftsmigranten nach Deutschland, Bayern und München nimmt nicht ab", schreibt die AfD in einem Blog-Beitrag auf ihrer Webseite. Dazu ein Bild von ausschließlich schwarzen Männern und der Schriftzug "Unser Land zuerst". In einem anderen Beitrag schreibt die AfD, dass der Grund für die hohe Anzahl an Wohnungslosen in München die "ungebremste Migration" sei. "Viele Ureinwohner Münchens bleiben dabei auf der Strecke. (...) Einzige Möglichkeit: Remigration, also Umkehrung der Migrationsbewegungen!" Zum Weltflüchtlingstag veröffentlichte die AfD einen Blog-Eintrag mit der Überschrift: "Münchner entlasten und Remigration einleiten!" In dem Text ist die Rede von "falschen Flüchtlingen". "Wir sind Zeugen einer beispiellosen Massenmigration von Wirtschaftsmigranten auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück."
Das schrieb die AfD-Stadtratsgruppe bereits diesen Sommer auf ihrem Blog, öffentlich. Trotzdem war diesen Januar die Bestürzung groß, als die Recherche Plattform Correctiv den Plan von AfDlern enthüllte, Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben. Verantwortlich für den Inhalt der Seite ist Stadträtin Iris Wassill. Sechs Jahre bis 2008 saß sie für die CSU im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach. Sie arbeitet nach eigenen Angaben als Unternehmensjuristin in der Versicherungsbranche. Eine Zeit stand sie im Verdacht, eine Reichsbürgerin zu sein und wurde vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet.
Eine "private Dummheit": Antrag von AfD-Frau Iris Wassill zum Königreich Bayern
Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, hatte Wassill 2016 einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und sich dem "Königreich Bayern" zugeordnet. Eine "private Dummheit" nannte Wassill das laut "SZ". In einem Video sprach sie ebenfalls 2016 von "Schattenregierungen", von einem "Netzwerk" und einer "Machtelite" der Superreichen. Dabei attackierte Wassill unter anderen den jüdischen Milliardär George Soros und die Familie Rothschild, was ihr den Vorwurf einbrachte, antisemitische Ressentiments zu schüren.
Migration und Asyl sind nicht die einzigen Themen, mit denen die SfD-Gruppe versucht, zu punkten. Walbrunn läuft bei den Bauern-Demos mit. Früher war er bei Demos der Corona-Leugner dabei. Immer wieder stellt die AfD Anfragen zu den Bußgeldern, die die Stadt bei Verstößen gegen die Corona-Maßnahmen eingenommen hat.
Diesen Sommer stellte die AfD den Antrag, einen Badetag in allen städtischen Bädern und Saunen für "nicht biologische Frauen" einzuführen. Dies sei notwendig, um Frauen, die sich mit ihrem natürlichen, biologischen Geschlecht identifizieren, zu schützen – und um deren zunehmender Marginalisierung entgegenzutreten. Ähnlich klingt ein weiterer Antrag der AfD, den sie diesen Januar stellte. Darin forderte sie, alle Damenumkleiden in allen städtischen Schulen, Bezirkssportanlagen und den städtischen Bädern mit Hinweisschildern ausstatten, dass nur "biologische Frauen" dort Zutritt haben. Die Abgrenzung solle anhand vorhandener oder fehlender primärer Geschlechtsteile erfolgen.

Zwischendurch stellt die AfD aber auch Anträge, die so ähnlich auch von einer anderen Fraktion im Stadtrat kommen könnten – zum Schneechaos, zur Rattenplage, zum Dieselfahrverbot. Sie inszeniert sich gerne als Anwalt der Bürger – anscheinend auch, ohne dass diese es möchten. Zum Beispiel forderte die AfD, dass die Stadt Anwohner, deren Keller überschwemmt waren, unterstützt. Noch während der Vollversammlung kam der Hinweis: Die Bewohner wollen nichts mit der AfD zu tun haben. Am Ende entscheiden die Wähler bei der nächsten Kommunalwahl selbst, wie viel Macht sie der AfD in München geben wollen. Mit einem Stadtratsmandat mehr hätte die AfD die Stärke einer Fraktion und das würde vieles verändern.
Momentan bekommt die AfD für ihre Verwaltung eine Pauschale von rund 76.000 Euro. Eine Fraktion mit vier Mitgliedern bekommt hingegen rund 340.000 Euro. Von diesem Geld könnte die AfD vier Mitarbeiter einstellen. Je mehr Mitglieder die Fraktion hat, desto höher wird das Budget. Hinzu kommt ein Bürokostenzuschuss von 4375 Euro pro Monat und Kopf.