Panisches Tralala
Von Merkels Schwäche kann die SPD kaum profitieren – AZ-Redakteurin Anja Timmermann über die Wahlkämpferin Merkel nach dem Duell
Langsam wird es doch etwas eng für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Für den terminlichen Zusammenprall, ihre 60-Jahre-Adenauer-Retro-Zugtour nur zwei Tage nach dem Duell zu absolvieren, kann sie erstmal nichts – aber so entfaltete es eine wohl kaum beabsichtigte Signalwirkung: Ausgerechnet nach dem bisher massivsten Einbruch bei den Zahlen zelebriert sie den Höhepunkt des Tralala-Schlafwagen-Wahlkampfes.
Um zwölf Prozentpunkte ist sie nach dem Duell abgestürzt – nicht, weil Steinmeier so grandios gewesen wäre: Nicht er hat dazugewonnen, dafür das Lager der generell Unzufriedenen. Sondern weil ihr Bloß-nichts-Sagen-„Wahlkampf“ eben doch nicht reicht. Weil man halt doch nicht im Schlafwagen zur Macht kommt. Aber nun inszeniert sie diese Symbolik erst recht, und dann noch inklusive der ganzen Adenauer-rheinisch-katholisch-konservativ-Attribute, die an Merkel noch aufgesetzter und fremder wirken als an Steinmeier die Rolle des bissigen Angreifers.
Die SPD aber kann von ihrer Schwäche kaum profitieren – so sehr sie sich nun Hoffnungen auf eine Aufholjagd wie 2005 macht. Aber damals schaffte es die SPD anders als heute, die frustrierten Unions-Anhänger zu sich zu locken. Das heißt erstens: Es wird eng für Schwarz-Gelb, und die FDP warnt schon panisch, die Union solle es „nicht erneut vergeigen“. Und zweitens: Die Chancen auf eine Neuauflage der großen Koalition steigen. Aber gut: Beim Duell wurde ja offensichtlich, wie gut die beiden zusammenarbeiten. Und wie sagte Merkel so schön: „In der Krise keine Experimente!“
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