Nur schneller Autokauf hilft sparen

Großzügig wollte die Regierung die Neuwagenkäufer entlasten und plante, ihnen zwei Jahre Kfz-Steuer zu erlassen. Doch im Parlament regte sich Widerstand, berichtet Tilman Steffen. Nun bedeutet jeder Tag Verlust.
Schlüssig erklären kann es dieser Tage weder Union noch SPD: Der Ursprung der Idee, den Käufern von Neuwagen bis Ende 2010 die Kfz-Steuer zu erlassen, muss in der Nähe des Finanzministeriums gelegen haben. Die gute Absicht dahinter ist, der Autoindustrie aus dem gefährlichen Absatztief zu helfen, das demnächst in der Kündigung von Mitarbeitern münden könnte. Doch weil staatliche Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur einerseits schnell wirken müssen, andererseits aber auch von dauerhafter Wirkung sein sollen, will keiner als Urheber des flotten Plans gelten.
In beiden Koalitionsfraktionen machte sich zu Wochenbeginn Unmut breit. Mit jeder Gremiensitzung bröselte der auf Regierungsebene beschlossene Plan stärker. Die Union warnte schließlich laut vor der Erwartung, der Staat sei in der Lage, konjunkturelle Negativeffekte auszugleichen. Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen sprach von einer «Überforderung, die nur in Enttäuschung münden kann». Er selbst hätte den Steuererlass nie vorgeschlagen. Da gebe es wirksamere Maßnahmen, etwa Investitionen in Verkehr und Gebäudesanierung, die die Bundesregierung durch ihr beschlossenes Mini-Konjunkturprogramm bereits fördert.
Auch die SPD fremdelt: Sie sieht in dem Steuererlass «ein Instrument mit Gießkannenwirkung», was unter Konjunkturexperten nicht sonderlich geschätzt ist. Ihr fehlt an dem Plan die «ökologische Komponente», denn der Steuererlass bevorteilt die Käufer hubraumstarker Spritschlucker. Um die Koalitionsfraktionen zu befrieden, hat die Bundesregierung den geplanten Steuererlass nun auf wenige Monate befristet. Nur wer zwischen 5. November 2008 und Ende Juni 2009 kauft, profitiert, heißt es in einer Beschlussempfehlung an die Bundestagsfraktionen. Ein «kurzer, aber kräftiger Impuls» soll entstehen, indem bereits Kaufwillige den Erwerb eines Neuwagens vorziehen, verteidigt Thomas Oppermann, derGeschäftsführer der SPD-Fraktion, das Aktions-Angebot. Denn groß ist die Furcht, dass die bereits begonnene Krise in der Autoindustrie die Gesamtwirtschaft in den Abgrund zieht - fast jeder 7. Arbeitsplatz gehört zu dieser Schlüssel-Branche. Selbst das Risiko, dass nach dem erhofften Kauf-Rausch der Absatz ab Juli erneut dramatisch einbricht, schreckt nicht. Die Deutschen sollten ihr Geld schnell ausgeben, statt es auf Sparkonten zu horten, sagt Oppermann. «Wir müssen Zuversicht verbreiten.» Flankierend bringt die SPD eine verbilligte Darlehen für Autokäufer und staatliche «Abwrackprämie» ins Spiel, die Autobesitzer zum Verschrotten und anschließenden Neukauf ermuntern soll. Doch das bewirkt Mitnahmeeffekte bei Industrie und Handel: Mit importierten Schrottautos etwa ließe sich schnelles Geld abschöpfen. Und bisher vom Handel bei Inzahlungnahme eines Altautos gewährte Neuwagen-Rabatte könnten sich die Autohäuser durch den Staat finanzieren lassen. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der Unions-Bundestagsfraktion, Gerald Weiß (CDU), schlägt daher einen pauschalen Steuernachlass von 500 Euro für jeden Neuwagenkäufer vor. «Diese Regelung reduziert die Mitnahmeeffekte, sie ist zielgenauer und sozialpolitisch sinnvoller», sagte Weiß der «Berliner Zeitung».
Bereits klar ist laut «Focus Online», dass die Koalition auf die geplante verschärfte Besteuerung von Dienstwagen verzichtet, um die angeschlagene Autobranche zu stützen. Denn rund 85 Prozent der Firmenwagen stammen von deutschen Herstellern. Geplant war ab 2009, dass Unternehmen die Mehrwertsteuer aus dem Kauf von Dienstwagen, die auch privat genutzt werden, nur noch zur Hälfte mit anderen Steuerschulden verrechnen dürfen. Diese klimaschonende Initiative opfert der Bund nun der Konjunktur.
Um mit der Schnäppchen-Steuer für Neuwagenkäufer nicht als Aktionist dazustehen, strickt die SPD nun an einem «intelligenten Anschlusskonzept». Kern dessen ist die bereits vom Bundeskabinett beschlossene CO2-basierte Kfz-Steuer, die sich ab 2011 nach dem durchschnittlichen Schadstoffausstoß des Fahrzeugtyps bemessen soll. Ob der Bundestag sie noch vor der Wahl im September 2009 in Gesetzesform bringt, ist jedoch unklar. Die SPD will die CO2-Steuer möglichst noch früher einführen, also in den Geltungsbereich der beschlossenen Null-Tax hinein. Doch keiner der kurz Entschlossenen soll Nachteile erleiden: Wer bis Ende Juni kauft, zahlt bis Ende 2010 auch keine CO2-Steuer.