"Wetten, dass...": Nachfolger und Format gesucht
Gottschalks Ansprache an die Fernsehnation ist nur kurze Zeit her, schon ist die Expertenwelt uneins: Soll „Wetten, dass..?“ weiter leben, oder soll die Show nach 30 Jahren zu Ende gehen?
Berlin – Die Zukunft der ZDF-Show „Wetten, dass..?“ steht nach der Rücktrittsankündigung von Moderator Thomas Gottschalk auf wackligen Beinen. Nach drei Ausgaben im Herbst mit Erinnerungscharakter soll ein halbes Jahr Pause eingelegt werden, bevor Gottschalks Nachfolgerin oder Nachfolger in der zweiten Jahreshälfte 2012 loslegen kann. Das Format werde sich auch ändern, kündigte ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut an. Das Schweizer Fernsehen SRF, neben dem Österreichischen Fernsehen ORF einer der Koproduzenten der Show, hegt Überlegungen, angesichts gesunkener Quoten vielleicht ganz auszusteigen. Der ORF will aber am Ball bleiben.
Ist es überhaupt sinnvoll, das 30 Jahre alte Format weiterzuführen. Oder sollte das ZDF besser einen Schlussstrich ziehen? Darüber sind die Gelehrten geteilter Meinung. „Seit einiger Zeit stagniert die Sendung“, sagte der ehemalige RTL-Chef und Spiritus Rector vieler Fernsehinnovationen, Helmut Thoma, der Nachrichtenagentur dpa. „Irgendwann ist auch mal die beste Show am Ende. Das Konzept ist auch nicht mehr das jüngste. Die Frage ist, ob man das überhaupt weitermachen müsste.“ Wenn das überhaupt jemand könne, dann Stefan Raab.
Holm Dressler, Produzent der Show bis 1992, sagt, das ZDF müsse weitermachen, aber ein „Sabbatjahr“ einlegen. „Es darf jetzt keine falsche Hast einziehen. Das Format muss aktualisiert werden, Look und Design müssen sich verändern.“ Als mögliche Kandidaten für die neue, überarbeitete Show schlägt er – wie viele andere – Hape Kerkeling und Jörg Pilawa vor – und Ina Müller, die durch „Inas Nacht“ im NDR Fernsehen und in der ARD führt.
„Die ist unerschrocken, macht Radau und Krawall.“ Medienforscher Lutz Hachmeister, der in Berlin das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik betreibt, sagt, dass ZDF müsse an der Show festhalten. „Selbst wenn es das ZDF wollte, es kann "Wetten, dass..?" im Moment gar nicht einstellen, weil es über kein Show-Format verfügt, dass auch nur annähernd so erfolgreich wäre - noch immer.“ Die Show werde dann vom Bildschirm verschwinden, wenn Einschaltquote und Kostenaufwand gar nicht mehr im Verhältnis stünden - nicht weil es irgendwelche medienkritische Berichterstattung über Sponsoringpraktiken oder Verflechtungen mit Produktionsfirmen gebe.
„Wetten, dass..?“ ist in der Vergangenheit häufiger kritisiert worden, weil namhafte Firmen ihre Produkte innerhalb der Show zeigen dürfen. Sei es der gelbe Riese, der für die Zustellung von Briefen und Paketen zuständig ist, sei es ein Autohersteller, der mit vier Ringen auf dem Kühlergrill zur unverwechselbaren Marke wurde. Diese Sponsoren beschafft Christoph Gottschalk, Chef der Firma dolce media, die wiederum auch bisher immer für Thomas Gottschalks Werbeverträge zuständig gewesen ist. Über die Verbindung zu den Sponsoren konnte das ZDF auch die Produktionskosten senken. Die Neubesetzung und Neuformatierung von „Wetten, dass..?“ ist eng mit der Person Thomas Bellut verknüpft. Der Programmdirektor macht sich berechtigte Hoffnungen, den scheidenden Intendanten Markus Schächter im März 2012 zu beerben. Im Juni dieses Jahres – und darauf deuten viele Anzeichen hin – wählt der ZDF-Fernsehrat Schächters Nachfolger.
Eine Entscheidung über Gottschalks Nachfolger wiederum soll auf jeden Fall bis zum Herbst fallen – dann, so wird Bellut hoffen, mit ihm als designiertem Intendanten. Als Favorit für die „Wetten, dass..?“-Präsenz gilt nach wie vor Jörg Pilawa, der im Herbst 2010 nach seinem Wechsel von der ARD beim ZDF mit einem Mittwoch-Quiz begann, aber nach Belluts Angaben vom späten Samstagabend noch nicht gefragt wurde. Doch warum eigentlich nicht, wenn Gottschalks Entscheidung schon seit Weihnachten steht?
Die Presselandschaft ist ansonsten mit Namen ohne Ende gespickt: Online-Abstimmungen weisen immer wieder auf Hape Kerkeling, der als einziger nach dem Empfinden vieler Zuschauer den großen Glanz eines Gottschalk zumindest halbwegs transportieren könnte - abgefedert jedoch mit einem Hauch von Ironie. Ansonsten: Sind ZDF-Talkmaster Markus Lanz, der von Thoma ins Spiel gebrachte Stefan Raab oder gar ein als abwegig erscheinender Günther Jauch die geeigneten Kandidaten? Oder vielleicht doch eine Frau?
Hat jemand an die Komikerin und Schauspielerin Anke Engelke gedacht, die mehrsprachig und gewandt ist? Oder an Barbara Schöneberger, die ihrem intensiven Witz mit der „NDR Talk Show“ noch Moderationserfahrung draufsattelte? Ältere werden sich jetzt in diesem Augenblick wehmütig erinnern: Gebe es noch einen Hans-Joachim Kulenkampff – sein Schalk, sein Glanz, sein Charme und sein Charisma täte einem alten und neuen „Wetten, dass..?“ richtig gut.