Nach dem Kultur-Kahlschlag im Bayerischen Rundfunk: Die ARD spart beim Musikwettbewerb
Die Unsicherheiten über die künftige Höhe des Rundfunkbeitrags hat nun auch Auswirkungen auf den ARD-Musikwettbewerb. Heuer wird er noch in alter Form stattfinden, nächstes Jahr ebenfalls. 2025 soll eines der bisher vier jährlich wechselnden Fächer gestrichen werden.
Von Bläserquintett, Orgel und Gitarre könnte sich der Wettbewerb womöglich gänzlich verabschieden, hieß es auf der Pressekonferenz zum Auftakt der 72. Ausgabe des Wettbewerbs, der am Montag beginnt.
Internationaler Musikwettbewerb: Die ARD will ihren Anteil halbieren, der BR seinen erhöhen
Die Kürzungen reihen sich ein in die geplante Streichung der Literatursendungen beim Bayerischen Rundfunk. Den Internationalen Musikwettbewerb der ARD gibt es seit 1952. Er wird traditionell vom BR Anfang September in München ausgerichtet.
Die ARD trägt 740.000 Euro bei, der Bayerische Rundfunk übernimmt, zusammen mit den Sponsoren, die Differenz zu den Gesamtkosten des Wettbewerbs von rund einer Million Euro. 2025 wird die ARD ihren Anteil auf 370.000 Euro halbieren. Der BR will seinen Anteil erhöhen, außerdem sollen die wegfallenden Mittel durch Einsparungen und mehr Sponsoring teilweise kompensiert werden.
Wie es beim Musikwettbewerb weitergeht, können die Beteiligten nicht sagen
Das Siemens Arts Program unterstützt den Wettbewerb heuter mit 100.000 Euro, wie Stefan Frucht erklärte. Er ist Leiter der Kultur- und Sponsoringprogramme des Unternehmens. Das städtische Kulturreferat unterstützt mit Räumen, namhafte Hersteller stellen Instrumente zur Verfügung.
Wie es ab 2026 mit dem Musikwettbewerb weitergehe, darüber wollen die Beteiligten im kommenden Frühjahr sprechen, wenn deutlicher werden könnte, auf welchem Niveau sich die Höhe des künftigen Rundfunkbeitrags bewegen wird. "2025 ist gesichert und 2026 nicht abgesagt", sagte BR-Sprecher Markus Huber auf eine Frage zur weiteren Zukunft des Wettbewerbs, dessen "Kern" erhalten bleiben, aber "weiterentwickelt" werden soll.
Der Musikwettbewerb ist ein Festival von internationalem Ruf
Bei der Pressekonferenz wurde die Bedeutung des Wettbewerbs betont, der heuer in den Fächern Harfe, Kontrabass, Klaviertrio und Viola ausgetragen wird. 345 Musikerinnen und Musiker aus 41 Ländern haben sich beworben, nach einer Vorauswahl bewerben sich 215 Teilnehmer um die Preise. Viele ehemalige Teilnehmer des Wettbewerbs haben heute Spitzenpositionen in großen Orchestern wie den Wiener oder Berliner Philharmonikern oder dem BR-Symphonieorchester inne.
Der Wettbewerb schmückt sich mit prominenten Preisträgerinnen wie der Cellistin Sol Gabetta, der Sopranistin Jessye Norman, dem Quatuor Ebène oder den Instrumentalisten Heinz Holliger oder Francois Leleux. Den Widerspruch zwischen dem internationalen Ruf des Wettbewerbs und den anstehenden Kürzungen konnte und wollte bei der Pressekonferenz niemand erklären.
Warum treffen die Einsparungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk fast immer die Kultur?
BR-Sprecher Huber verwies auf die generell unsichere Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Warum treffen aber Einsparungen fast immer den Kulturauftrag und vergleichsweise kostengünstige Formate, während andere, sehr teure Bereiche scheinbar unberührt bleiben?
Alle Anwesenden versicherten, dass Wechsel an der Spitze nichts mit den bevorstehenden Kürzungen zu tun habe. Oswald Beaujean, der den Wettbewerb ab 2006 erst allein und seit 2016 im Duo mit Meret Forster leitete, schied im Februar ohne großes Aufsehen aus, Falk Häfner ist an seine Stelle getreten.
Der Musikwettbewerb ist bei ARD und BR keine Chefsache
Häfner und Forster betonten die Weiterentwicklung des Wettbewerbs im Repertoire. Werke von Komponistinnen zählen zu den Pflichtstücken, Neue Musik ist fester Teil des Wettbewerbs. Der BR begleitet den Wettbewerb auf diversen Kanälen medial, für Nachhaltigkeit sorgt das "Festival der ARD-Preisträger" mit Kammerkonzerten der Preisträger im süddeutschen Raum, in Salzburg und Tirol.
In den Semi- und Finalrunden wirken neben dem Münchener Kammerorchester die beiden Orchester des Bayerischen Rundfunks mit. Die musikalische Leitung haben die Dirigenten Gábor Kali und Andrew Grams. Und da kommen wir zu einer Blöße, die sich der BR seit Jahren gibt: Der ARD-Wettbewerb ist musikalisch keine Chefsache.
Simon Rattle grüßte bei der Pressekonferenz zwar per Video. Aber kann sich jemand daran erinnern, dass ein Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters oder des Rundfunkorchesters seit Menschengedenken je ein Preisträgerkonzert geleitet hätte? Der Wettbewerb ist öffentlich.
Infos zu den Terminen online unter www.br.de. Schlusskonzert am 15. September im Herkulessaal
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