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Kultur-Kahlschlag beim Bayerischen Rundfunk: Jetzt reagiert der Sender

Der Bayerische Rundfunk (BR) plant offenbar radikale Kürzungen bei seinen Kultursendungen im Hörfunk. Ist das mit dem Bildungsauftrag öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zu vereinbaren? Das sagt der BR.
Volker Isfort
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Katja Wildermuth ist Intendantin des Bayerischen Rundfunks.
Katja Wildermuth ist Intendantin des Bayerischen Rundfunks. © Foto: Lino Mirgeler

Ein inoffizielles Schreiben macht im Bayerischen Rundfunk (BR) die Runde, aufgelistet sind die Pläne des Senders, den Rotstift bei den Kultursendungen anzusetzen. Geplant ist im BR, ab Januar 2024 über sieben Stunden pro Woche zu streichen.

Das beträfe die "Kulturwelt", "Diwan, das Büchermagazin", "Kulturjournal – Kritik. Dialog. Essay", "Nachtstudio", "Kinokultur" und "radioTexte – die Lesungen" und das Hörspiel in unabhängiger Eigenproduktion – alles fiele der Reform zum Opfer.

Bayerischer Rundfunk baut das Radio-Programm um: "Die Kultur hat keine eigene Stimme mehr"

So ist geplant, die "Radiowelt" auf Bayern 2 von 6 bis 9 Uhr auszudehnen, die bislang um 8.30 Uhr startende "Kulturwelt" aufzulösen und stattdessen einzelne Beiträge mit kulturellen Themen in das dreistündige Magazin zu integrieren. Man wird keine Stoppuhr brauchen, um schnell festzustellen, dass der Kulturanteil im geänderten Format niemals auch nur in die Nähe von 30 Minuten kommen wird.

"Die Kultur hat keine eigene Stimme mehr. Zu befürchten ist, dass Genres wie Lesungen, Kommentare, Feuilletons, Essays, ganz aus dem Programm verschwinden bzw. auf Sendezeiten nach 20 Uhr fallen, also dann, wenn die sechsstelligen Hörerzahlen auf unter 10.000 sinken bzw. nicht mehr messbar sind. Diese 'Weichenstellung'' diese erneuten Kürzungen sind für die Kultur ein Abstellgleis, Kultur wird zum reinen Nischenprodukt", heißt es in der intern kursierenden Kritik an den befürchteten, aber noch nicht beschlossenen Kürzungen.

BR reagiert auf Berichterstattung der AZ über Sparpläne

In wieweit ein kultureller Kahlschlag mit dem Bildungsauftrag öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zu vereinbaren wäre, ist eine andere Frage. Im Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien Paragraph 11 heißt es: "Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten."

Als Reaktion auf die Berichterstattung der AZ reagiert der Bayerische Rundfunk am Freitag mit folgendem Statement: "Bayern 2 ist eine der erfolgreichsten Kulturwellen der ARD. Grundlage dafür ist die ständige Weiterentwicklung. Dazu findet aktuell ein partizipativer Prozess mit den Mitarbeitenden statt." Ziel sei es, Kulturinhalte einem noch breiteren Publikum in den hörerstarken Zeiten im Linearen zu präsentieren, heißt es im BR-Statement, ein Bekenntnis zur Weiterführung von "Kulturwelt" oder "Diwan" gibt es explizit nicht: "Sendungstitel und Darstellungsformen können sich ändern, die Inhalte finden aber ihren Platz auch im Linearen."

BR will "Transformation und die Zukunftssicherung von Bayern 2" vorantreiben

Es gelte, wertvolle Inhalte auch für neue und digitale Zielgruppen attraktiv und auf den entsprechenden Plattformen anzubieten, dazu gehörten etwa auch Podcasts, schreibt der Bayerische Rundfunk: "Im Prozess geht es nicht darum, Inhalte zu streichen, sondern um Transformation und die Zukunftssicherung von Bayern 2 als dem Kulturangebot des Bayerischen Rundfunks – linear wie digital. Alle Stärken von Bayern 2 bleiben selbstverständlich erhalten – Hörspiele, Lesungen und Rezensionen genauso wie Debattenbeiträge oder Essays. Dabei werden viele unserer Inhalte in Zukunft noch stärker als 'digital first' Beiträge produziert, d.h. sie werden explizit auch für die Audiothek erstellt."

Auch das Zeitfenster für die Reformen gibt der Bayerische Rundfunk an: "Die Redaktionen sind mitten im Prozess und arbeiten engagiert an der Weiterentwicklung von Bayern 2", heißt es in dem Statement. "Noch im Herbst werden Ergebnisse vorliegen und in den Gremien vorgestellt, eine Umsetzung ist für das zweite Quartal 2024 geplant." 

ARD-Rundfunkanstalten müssen 250 Millionen Euro sparen

Ziel der ARD-Reform ist es, insgesamt 250 Millionen Euro einzusparen, die wiederum ins Digitale investiert werden sollen. Für das Büchermagazin "Diwan" auf Bayern 2 wird in dem Schreiben der BR-Mitarbeiter Programmbereichsleiter Stefan Maier zitiert, der gesagt haben soll: "Warum muss ein Film oder ein Buch von neun Landesrundfunkanstalten besprochen werden?"

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Sparrunden beim BR: Ein Angriff auf die föderale Struktur?

Das entspricht allerdings auch heute schon nicht der Praxis, Kooperationen und Übernahme von Besprechungen gibt es längst. Ein Literaturmagazin für alle ARD-Anstalten, wäre allerdings auch ein Angriff auf die föderale Struktur.

Denn von der starken Einengung der Meinungsvielfalt einmal abgesehen, welche bayerischen Autoren würden schon besprochen, wenn die Literaturkompetenz beim NDR angesiedelt werden sollte?

BR will bei der Kultur sparen – dabei sind die Ausgaben bei den Sportrechten viel höher

Die Anstalten stehen vor einem Dilemma, denn nach Berichten über Verschwendung (in den Chefetagen) überbieten sich die Ministerpräsidenten in den Forderungen nach neuen Sparrunden. Bis 2025 beträgt die Rundfunkgebühr 18,36 Euro pro Monat. Sollte es für die nächste Finanzierungsperiode dabei bleiben, müssten die Verantwortlichen durch gestiegene Gesamtkosten und Tariferhöhungen weitaus schmerzhaftere Einschnitte im Programm vornehmen.

Dass aber der kulturelle Bildungsauftrag beim Bayerischen Rundfunk zur Disposition steht, überrascht. Es gäbe ganz andere Bereiche – zum Beispiel vollkommen überteuerte Sportrechte rund um den Fußball –, die ein wesentlich höheres Einsparpotenzial hätten.

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12 Kommentare
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  • Bayern69 am 01.08.2023 10:21 Uhr / Bewertung:

    Wer hört denn überhaupt heute noch den BR? Werbung, Gequassel, linkes Weltbild - und das auch noch durch Zwangsabgaben finanziert. Noch dazu die enormen Pensionslasten für die Mitarbeiter. Ich streame nur noch das, was mir gefällt - und sicher nicht den BR oder andere Sender des ÖR. Von mir aus kann der BR gern abgeschafft werden.

  • Allitera am 31.07.2023 14:29 Uhr / Bewertung:

    Für uns als kleinen Münchner Verlag ist diese Meldung eine Katastrophe und ein weiterer Nackenschlag nach den diversen Problemen, die die letzten Jahre für die Verlags- und Kulturbranche mitgebracht haben. Ohne größere Marketingbudgets - über die kaum ein kleiner Verlag verfügt -, sind wir zwingend angewiesen auf eine redaktionelle Berichterstattung zu unseren Publikationen. Nur so werden Leserinnen und Leser auf Bücher aufmerksam. Jetzt kann man das Ganze weiterspinnen: Weniger Rezensionen (von 9 Landesanstalten können wir übrigens nur träumen) bedeuten weniger Verkäufe bedeuten zwangsläufig weniger Publikationen und, im schlechtesten Fall, weniger Verlage. Die kulturelle Diversität schrumpft und damit die kulturelle Landschaft, derer wir uns so rühmen. Ein bundesweit angelegtes Literaturprogramm würde diese Entwicklung nur verstärken, Regionalliteratur verschwinden lassen. Andererseits zeigt die Planung des BR halt auch, welchen Stellenwert das Buch heutzutage noch hat ...

  • am 28.07.2023 17:22 Uhr / Bewertung:

    Das Furchtbare ist doch, dass nervtötende Sender wie Bayern3 trotz voller Werbung weiter betrieben werden und hochwertige Inhalte gestrichen werden.

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