Krawallhumorist Jan Böhmermann: "Es geht doch immer nur um Sex"
KÖLN/MÜNCHEN - Er nennt sich Krawallhumorist, hat gerade den Deutschen Fernsehpreis gewonnen und zählt zur neuen Truppe von Altmeister Harald Schmidt. Jan Böhmermann (28) redet im AZ-Interview darüber, was seine stattliche Erektion mit Guido Westerwelle zu tun hat, warum Dirty Harry privat ein sanftmütiger Brummbär ist - und warum er vom Wiesnbesuch im Käferzelt bitter enttäuscht war.
Jan Böhmermann steht für eine neue Generation deutscher Humor-Arbeiter: Er kommt weniger verbissen daher als die Hildebrandts und Richlings, ist aber wesentlich politischer als Hallervorden, Lück&Co. Und hat ein diebisches Vergnügen daran, dem aufgeregten Medienbetrieb den Spiegel vorzuhalten. Seiner parodistischen Hörfunkreihe „Lukas’ Tagebuch“ hatte es die ARD zu verdanken, dass der Fußballprofi Podolski ihr während der WM 2006 beledigt alle Interviews verweigerte.
Als vermeintlicher Gründer des „Ersten Türkischen Karnevalsverein Deutschlands“ narrte er im Januar für die RTL-Comedysendung „TV Helden“ sogar Qualitätsmedien. Seit ein paar Wochen ist der 28-jährige Schlaks Ensemble-Mitglied der neuen „Harald Schmidt Show“. Seine Spezialität ist es, sich als seriös-geschniegelten Jungreporter auszugeben und Promis mit dreisten Fragen aus der Fassung zu bringen. Vor ein paar Wochen hat der gebürtige Bremer den renommierten Deutschen Fernsehpreis erhalten.
AZ: Herr Böhmermann, Sie nennen sich einen „Krawallhumoristen". Was ist das denn nun schon wieder?
JAN BÖHMERMANN: Ein Krawallhumorist ist ein Spaßvogel, der sich idealerweise im wirklichen Leben bewegt und mit gezieltem Herausfinden der Schwächen anderer seinen Humor betreibt. Und dabei auf massiven Krawall aus ist.
...sich also über andere lustig macht?
Ja, das ist die klassische Aufgabe des Harlekins, die ich gerne wahrnehme.
Also sind Sie eine typische Rampensau?
Natürlich, ein echtes Schwein. Obwohl das eigentlich nicht in meinem Naturell liegt, sagt mein Therapeut.
Privat sind Sie also eher schüchtern...
"Privat bin ich sensibel, schüchtern, depressiv - ein echter Harlekin"
Da bin ich eher der zurückhaltende, sensible, schüchterne, depressive, verträumte Typ – ein echter Harlekin eben.
Wann haben Sie das Talent zum Harlekin entdeckt?
Harlekin ist ein sehr schönes Wort. Da Freude ich mich sehr darüber, dass ich das in unser Gespräch eingebracht habe.
Ja, Wahnsinn. Das gibt dem Interview eine ganz andere Fallhöhe.
Genau, das hat so was Mittelalterlich-Erhabenes. Also: Ich war natürlich im Schülerkabarett, mit 15 habe ich angefangen für Lokalzeitungen in Bremen zu schreiben. Während meine Freunde Haschisch- und Crackexperimente gemacht haben, habe ich in Kulturzentren und Kaninchenzüchtervereinen gesessen.
"Vielleicht kontrollieren wir die Medien eines Tages besser als der Presserat"
Wie doof ist unser Berufsstand eigentlich mittlerweile, wenn Journalisten auf Ihre Verkleidungen reinfallen. Als angeblicher Schweinegrippen-Patient Rüdiger Alt haben Sie es locker in die Nachrichtensendungen diverser Privatsender geschafft...
Insofern ich das als minderbemittelter Laie aus der Unterhaltungswelt überhaupt beurteilen kann – mir scheint der Druck durch das Internet auf die etablierten Medien derart groß zu sein, dass einige ihre journalistischen Reflexe gelegentlich vergessen, weil sie die ersten sein wollen, die über eine Geschichte berichten. Das hilft uns unseriösen Halunken ungemein: bei den „TV Helden" auf RTL und jetzt im Team von Harald Schmidt. Vielleicht etablieren wir uns ja eines Tages neben dem Presserat als die bessere Medienkontrollinstanz – einen lieben Gruß an dieser Stelle nach Rügen. Oder wo sitzt noch mal der Presserat?
Wie wichtig sind für Ihre Arbeit als Harlekin das Web 2.0, Ihre Einlassungen auf Facebook oder Twitter?
Internet ist intimer als auf der Bühne oder im TV. Aber ich verbreite meinen Content – so nennt man Inhalte im Internet, hat mir Sascha Lobo kürzlich getwittert – schon im Bewusstsein, dass alles öffentlich ist. Tja, da bin ich wohl eine andere Generation als der große Vorsitzende Harald Schmidt. Ich will schon ein paar Fensterchen offenhalten.
Ihre Lieblingsthemen im Internet scheinen Ihre angeblich ,stattliche Erektion' und Guido Westerwelle zu sein...
Das eine bedingt das andere. Und umgekehrt. Und, ja, die Erektion ist ohnehin eines der Leitmotive meiner künstlerischen Arbeit. Ohne Sex kein Witz und ohne Witz kein Sex.
Ein hochphilosophischer Satz. Wie sexy ist Westerwelle?
Es ist einfach nur schön zu sehen, dass es einer, der es sein Leben lang nicht leicht hatte, endlich Erlösung gefunden hat.
"Die Alte vom Guttenberg ist schon ein ziemlich steiler Zahn"
Welche Person vereint Sex und Politik am kongenialsten?
Manuela Schwesig von der SPD natürlich. Und Philipp Rösler von der FDP. Ganz klar auch Horst Seehofer. Und die Alte vom Guttenberg, die ist schon ein ziemlich steiler Zahn.
Und was ist mit ihm, mit Gutti? Da flippen die jungen Mädels reihenweise aus im Bierzelt.
Hm. Was müssen das für Mädels sein, die auf Guttenberg abfahren? Der ist politisch höchst interessant, aber sexuell eher kein Bringer, vermute ich mal bewusst persönlichkeitsrechtsverletzend. Dazu hat er viel zu viel Gel in den Haaren.
Was für ein Verhältnis haben Sie zu Ihrem Boss Harald Schmidt?
Seit vier Monaten haben wir fast täglich Kontakt. Viele sagen, der sei so ein zynischer, sarkastischer Typ. Ich hingegen habe die Erfahrung gemacht, dass er ein ganz weicher, sanftmütiger Brummbär ist, der unglaublich gut kochen kann. Sein Ruccola-Walnuss-Pesto ist herrlich! Ja, er ist ein väterlicher Bekannter für mich geworden.
Das war er auch für Oli Pocher.
Die waren nicht ganz so eng wie wir, hatten privat eher weniger zu tun. Wenn wir uns eine Woche nicht gesehen haben, gibt's schon Herzklopfen und Bauchweh. Auf beiden Seiten. Dann muss ein Treffen her, ob beim Edelvietnamesen in Köln oder beim Oktoberfest in München.
Sie waren mit Schmidt auf der Wiesn? Wo denn genau?
Im Käferzelt, wo denn sonst? Mit Harald und seiner dauerbesoffenen, grölenden Proll-Entourage. Sie wissen schon: Agenten, Produzenten und Autoren – die ganzen feinen Freunde. Von wegen gelangweilter Honorarprofessor mit Theaterkanalambitionen! Nach unserem Wochenende in München weiß ich in jedem Fall, was Harald Schmidt macht, wenn er sagt, er müsse irgendwo was inszenieren.
Comedy und Politik, wie geht das zusammen?
Wenn mir ein Witz aus dem Bauch herausspringt, dann mache ich ihn. Und wenn er zufällig politisch ist – prima. Hauptsache, das Publikum lacht. Und wenn es über den Schnurrbart oder den vokalarmen Nachnamen von Frank Bsirske ist.
Einen Politiker wie Peer Steinbrück müssten Sie ja großartig finden, der hat doch einen gewissen Witz...
Der ist wirklich witzig, geradezu köstlich, fast zu lustig für die Politik. Für meine Art von Kunst sind Leute viel besser, die gar keinen Spaß verstehen. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach zum Beispiel mit seinem natürlichen rheinischen Witz war leider ein absoluter Rohrkrepierer, an den kommt man nicht ran. Ein super Opfer dagegen war Günther Beckstein – der geht zum Lachen in das siebte Kellergeschoss des Prinz-Carl-Palais.
"Ich finde alle Leute mit Schnurrbart in der Politik interessant"
Auf wen Freude Sie sich bei Schwarz-Gelb?
Natürlich auf Hermann-Otto Soms von der FDP, ich finde ohnehin alle Leute mit Schnurrbart in der Politik interessant. Erektionen und Schnurrbärte als Leitmotive meiner komödiantischen Arbeit. Und ich bin gespannt auf das Spannungsfeld zwischen Westerwelle und Guttenberg – beide reklamieren für sich das Bild des jungen, adretten, aufstrebenden Politstars. Westerwelle allerdings schon seit 25 Jahren.
Eigentlich passen Sie mit Ihrer geschniegelt-adrett-krawattierten Fassade gut zur bürgerlichen Koalition.
Ich bin ja auch ein Neokonservativer. Zum einen bin ich in der digitalen Welt großgeworden, also ein liberaler „Digital Native". Stichwort Internetfreiheit, Liberalität, Bürgerrechte. Zum anderen bin ich Anzugträger, komme aus dem aufstiegsorientierten, wertekonservativen Arbeitermilieu mit christlich-ökologischem Hintergrund. Als öffentlich-rechtlicher Journalist darf man leider nicht den Grünen angehören, sondern ist rot oder schwarz und hängt dann sein Fähnchen in den Wind. Je nachdem wie es gerade im Rundfunkrat aussieht.
Warum stehen in Ihrem Geschäft viel mehr Männer als Frauen auf der Bühne?
Humor ist so etwas wie ein dickes Auto fahren. Männer versuchen sich über Humor in der Rotte aufzuwerten und für Weibchen attraktiver zu werden. Ich habe es gestern bei der Aufzeichnung des RTL Comedypreises erleben dürfen – machen wir uns nichts vor: Es geht doch auch „on stage" in letzter Konsequenz immer nur um Sex. Und da haben es Frauen einfach weniger nötig als Männer.
Interview: Markus Jox
Von Jan Böhmermann ist vor kurzem erschienen: "Alles, alles über Deutschland. Halbwissen kompakt". Verlag Kiepenheuer&Witsch, 272 Seiten, 12,95 Euro