"Illner intensiv" - Pseudo-Arztkunst im ZDF

Das neue Polit-Format "Illner intensiv" hatte am Dienstag im ZDF Premiere. Eine "Ganzkörperuntersuchung" der Parteien soll diese Sendung werden - was herauskam, war ein oberflächliches und hektisches Abtasten.
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Das neue Polit-Format "Illner intensiv" hatte am Dienstag im ZDF Premiere. Eine "Ganzkörperuntersuchung" der Parteien soll diese Sendung werden - was herauskam, war ein oberflächliches und hektisches Abtasten.

Auf dieser Intensivstation des ZDF möchte man selbst lieber nicht liegen: „Illner intensiv“, das neue Wahlkampf-Format im Zweiten, hatte am späten Dienstagabend Premiere. Als ersten Patienten behandelte die taffe Oberärztin Maybritt Illner, wie es sich für einen öffentlich-rechtlichen Sender gehört, die kleinste der im Bundestag vertretenen Parteien, also die Grünen. Als Versuchskaninchen sozusagen. Man werde Union, SPD, FDP, Linke und Grüne einem „Check auf Herz und Nieren unterziehen“, hatte der Sender angekündigt. Heraus kam ein halbstündiges oberflächliches und hektisches Abtasten, mehr leider nicht.

Das liegt auch am Setting der Sendung: Von jeder Partei lädt Illner, vor einem offenkundig der jeweiligen Farbe durchaus gewogenen Publikum, drei Vertreter ein: den Spitzenkandidaten, einen Nachwuchspolitiker sowie – leider unvermeidlich – einen „prominenten Sympathisanten“. Am Ende hatte Profi Trittin von 30 Minuten gefühlte 25 bestritten, die 32-jährige (und damit auch nicht mehr ganz junge) Ingrid Nestle aus Schleswig-Holstein referierte artig und blass das Parteiprogramm, und der Schauspieler und Synchronsprecher Volker Brandt als grüner Promi erwies der Partei einen Bärendienst.

Bei Illners infantilen Fragen-Antwort-Spielchen hielt die deutsche Synchronstimme von Michael Douglas den grünen Europa-Slogan „Wums“ für ein Bild von Roy Lichtenstein und ergänzte das Trittin-Zitat „die grünen Inhalte können Sie … in einem Joint rauchen“ nicht korrekt mit „in einer Jamaika-Koalition“, sondern dummerweise mit „natürlich in Jürgen Trittins Büro“. Im Bundestag herrsche doch Rauchverbot, versuchte der Spitzenkandidat zu retten, was noch zu retten war.

Illner hielt ihr High-Tech-Stethoskop mal kurz hier- und mal schnell dorthin, hechelte atemlos von Thema zu Thema („Ich stelle Ihnen jetzt acht Fragen mit der Bitte um Ein-Wort-Antworten, äh, Ein-Satz-Antworten“) und spielte die aus ihrer Talkshow sattsam bekannten Experten-Schnipsel und „Youtube“-Videos ein. Ad absurdum führt das ZDF dieses interaktive Element jedoch, wenn es hier nicht nur fragenden Bürgern, sondern auch einem als dümmlichen Bauer verkleideten B-Kabarettisten eine Plattform bietet.

Patient Trittin ließ das alles relativ unaufgeregt und (wie bei ihm üblich) einen Hauch arrogant über sich ergehen, nicht ohne der Ärztin am Ende noch einen mitzugeben: „Die Nationalhymne singen Sie nicht mit!, schleuderte Illner dem Ober-Grünen mit dem Furor der Empörung entgegen. Trittins Konter: „Ich habe, glaub' ich, neulich bei der Nationalhymne mitgesungen, aber sich sing immer ganz leise. Weil: Bei meinen Sangesqualitäten könnte das auch als eine Herabwürdigung der Nationalhymne gelten.“ Am Ende kam natürlich wieder Illners Markenzeichen-Satz „Bleiben Sie heiter, irgendwie.“ Fällt bei dieser Pseudo-Arztkunst sehr schwer.

Markus Jox

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