Ist Barbara Mundel alternativlos?

Barbara Mundel soll neue Intendantin der Kammerspiele werden. Bei der Opposition im Rathaus hält sich die Begeisterung in Grenzen
Robert Braunmüller |
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Barbara Mundel soll Intendantin der Kammerspiele werden.
dpa Barbara Mundel soll Intendantin der Kammerspiele werden.

Die SPD wirkt Freude, die CSU gedämpft positiv. Mit wachsendem politischem Abstand vom Büro des Oberbürgermeisters schwindet aber die Begeisterung über Barbara Mundel, die nach dem Willen des Kulturreferenten Hans-Georg Küppers neue Intendantin der Kammerspiele werden soll. Die Grünen wollen aus Prinzip genau hinschauen. Und die gemeinsame Fraktion von Hut und FDP scheint zu einen „Nein“ entschlossen.

Für Ärger sorgt das Verfahren. Noch ehe der Kulturreferent die Opposition von Grünen und FDP/Hut über seinen Vorschlag informieren konnte, wussten schon kommunalpolitische Twitterer aus der AZ und anderen Redaktionen Bescheid. Solche Demütigungen mag kein Politiker besonders. Außerdem entstand in der Öffentlichkeit rasch der vom Rathaus beabsichtigte, aber unzutreffende Eindruck, die Sache sei schon gelaufen. Doch im Moment ist Barbara Mundel noch nicht einmal designierte Intendantin. Die Personalie muss erst noch die Gremien des Stadtrats passieren, in denen die SPD ihren Vorschlag nicht allein durchbringen kann.

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Allerdings wird es die CSU kaum auf einen Krach ankommen lassen. Der Entschluss ihrer Fraktion, den Vertrag von Matthias Lilienthal nicht zu verlängern, machte die Suche nach einem neuen Intendanten erst notwendig. In diesem Zusammenhang äußerte sich der CSU-Kultursprecher Richard Quaas eher unglücklich („Keine Experimente!“). Im Juli riefen die Kammerspiele zur „Ausgehetzt“-Demo auf. Links der Mitte hatte niemand Lust auf den Charme der an sich vernünftigen Neutralitätspflicht städtischer Einrichtungen. Die Kritik an Lilienthal wurde vielfach zu Unrecht als politischer Maulkorberlass missverstanden. Dies verband sich außerhalb Münchens mit krachledernen Klischees und der Vorstellung, hier herrschten immer noch kulturpolitische Verhältnisse wie zu Zeiten von Franz Josef Strauß und Alois Hundhammer.

Söderlands Niederungen

Das ist, aus Nahsicht, ein arger Blödsinn. Kein CSU-Stadtrat fordert Hamlet in Strumpfhosen. Die CSU hat Lilienthal nicht wegen seiner politischen Ansichten das Vertrauen entzogen. Auch das Performative ist nur ein Nebenschauplatz. Den CSU-Kultursprecher Richard Quaas und seine Kollegen stört der Einbruch bei den Zuschauerzahlen und der Unwille (oder die Unfähigkeit?) des Intendanten, die Kammer 1 angemessen zu bespielen.

Mit einer den anderen Münchner Theatern vergleichbaren Auslastung hätte die CSU seine Verlängerung durchgewinkt. Es ist daher billig, wenn Thomas Ostermaier in der FAZ tönt: „Bayern ist Söderland. In diese Niederungen will ich mich nicht begeben“. Der Chef der Berliner Schaubühne war angeblich der städtische Wunschkandidat für die Lilienthal-Nachfolge. Warum auch immer er nicht wollte – so ein Spruch macht sich überregional gut, wo man womöglich glaubt, dass im Rathaus ein CSU-Oberbürgermeister und Satrap der Staatskanzlei sitzt.

In diesem Klima würde es ein hübsches überregionales Donnerwetter auslösen, wenn die CSU Barbara Mundel durchfallen ließe. Machtpolitisch ist es daher nachvollziehbar, dass der Kulturreferent seine Kandidatin dem Stadtrat als alternativlos präsentiert.
Das war Mundel mit Sicherheit nicht, denn die Intendanz der Münchner Kammerspiele bleibt ein Ziel- und Höhepunkt jeder Intendantenkarriere. Die Opposition meint sich auch an ein Versprechen aus dem Rathaus zu erinnern, kulturpolitische Personalien im parteiübergreifenden Konsens zu klären. Wolfgang Heubisch (FDP/Hut) wäre es lieber gewesen, wenn sich im Stadtrat mehrere Kandidaten vorgestellt hätten.

Vergiftetes Lob

Ja, warum eigentlich nicht? In kleineren Städten es der Brauch, dass sich Bewerber für Intendanzen nach einer Ausschreibung mit ausführlichen Konzepte vorstellen. Man mag gegen andernorts übliche Findungskommissionen einwenden, dass sie Netzwerke gegenseitiger Gefälligkeiten befördern. Aber dabei kann manchmal auch mehr weltläufige Sachkunde zusammenkommen als bei der in München bei Staat und Stadt üblichen Entscheidung im Minister- oder Kulturreferentenzimmer, wo gern auch mal ein Gartenzaun die Sicht begrenzt.

Ein Jahrhundert nach der Revolution wäre es geboten, dem Absolutismus solcher Entscheidungen eine Prise Aufklärung hinzuzufügen. Am Montag beraten die Fraktionen im Rathaus über die Personalie. Hoffentlich hat sich der eine oder andere mal bei den Parteifreunden in Freiburg schlau gemacht, was es mit den Störgeräuschen auf sich hatte, die Barbara Mundels Wirken dort überschatteten.

Ein ziemlich vergiftetes Lob spendete übrigens der nie um einen guten Spruch verlegenen Matthias Lilienthal. Er gratulierte seiner Nachfolgerin mit aller Herzlichkeit und nannte sie zugleich eine „großartige Intellektuelle“. Wer den Theaterbetrieb nur ein bisschen kennt, der weiß, dass das nicht nur nett gemeint ist.
 

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