Erstes Buch von Literaturagentin Lianne Kolf: Die Frau für den starken Espresso

Lianne Kolf, Deutschlands erste Literaturagentin, hat ihre Erinnerungen aufgeschrieben.
Volker Isfort
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Literaturagentin Lianne Kolf in ihrem Büro in der Schwabinger Tengstraße.
Literaturagentin Lianne Kolf in ihrem Büro in der Schwabinger Tengstraße. © Foto: Felix Broede

München - "Ich habe beim Schreiben Demut gelernt", sagt Lianne Kolf und lacht. Denn seit 40 Jahren lebt sie von der Zusammenarbeit mit Autorinnen und Autoren, kennt deren Nöte und Befindlichkeiten.

Lianne Kolf setzt sich enge Frist: Drei Monate bis zur Abgabe

Nur selbst ein Buch zu schreiben, war Deutschlands erster Literaturagentin noch nie in den Sinn gekommen. Aber zum 40. Geburtstag ihrer Agentur hat Lianne Kolf mit "Agentinnen gab es damals nur bei James Bond" ihr wahrlich schillerndes Leben zu Papier gebracht.

Dabei hatte sie sich selbst eine enge Frist gesetzt, die ihre Autoren wohl kaum akzeptieren würden: drei Monate bis zur Abgabe, oder wie es Lianne Kolf formuliert, "einen Monat Zeit für je ein Vierteljahrhundert Lebensgeschichte". Ein rasanter Ritt durch ein Leben, das Ende Mai 1948 in Niederpöcking begann.

Die aus Siebenbürgen stammenden Eltern hatten Fürchterliches hinter sich. Die Mutter war in einem sibirischen Lager knapp dem Tod entronnen, der Vater schwieg sich zeitlebens über die Kriegsjahre aus und stürzte sich nach seiner Ankunft in Bayern als charismatischer Macher in Schwarzmarktgeschäfte, bis er schließlich ein Süßwaren- und Spirituosengeschäft in Starnberg eröffnen konnte.

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Eine familiäre Aufstiegsgeschichte im Wirtschaftswunder begann. Sie wurde auch nicht durch Lianne Kolfs Rausschmiss aus dem Schondorfer Internat getrübt - sie hatte mit Anita Pallenberg, Keith Richards späterer Frau, eine Zigarette geraucht.

Mit viel Lebenslust tanzt Kolf auf dem schmalen Grat zwischen Namedropping und Diskretion, wenn sie ihre wilde Zeit schildert, die sie von München nach Hamburg, London und wieder zurück nach München führt, wo sie als WG-Genossin von Helmut Dietl und Nachtschwärmerin die Schwabinger Blütezeiten der 70er Jahre genießt.

Lianne Kolf: "Verleger hatten überhaupt keine Lust auf Agenten"

Als die ausgebildete Buchhändlerin 1982 ihre Agentur gründete, stieß sie erst auf Verärgerung und Unverständnis bei den Verlegern. "Die hatten überhaupt keine Lust auf Agenten, die es für das deutsche Geschäft so noch gar nicht gab." Im angelsächsischen Raum hingegen war der Beruf schon seit Jahrzehnten etabliert. "Wenn sie dort als Autor keinen Agenten haben, dann gibt es dafür nur einen Grund", sagt Lianne Kolf, "nämlich den, dass sie zu schlecht sind."

Neugierde und Durchhaltevermögen nennt Lianne Kolf als die entscheidenden Charaktereigenschaften einer Agentin - neben einer leidenschaftlichen Kommunikationsfähigkeit. Unzählige ihrer Buchprojekte seien in Bars entstanden, sie brachte Journalisten mit Prominenten zusammen, machte so die Erinnerungen von Julius Hackethal oder Segler Rollo Gebhardt ebenso zu Bestsellern wie die von "Hitlers Sekretärin" Traudl Jung, oder die Fitnessbücher von Ulrich Strunz.

Lianne Kolf: "Wir wissen halt genau, welcher Verlag im Moment etwas in welchem Segment sucht"

Zwanzig Prozent eines Vertragsabschlusses kassiert die Agentur. Aber der Vorteil für die Autoren liegt auf der Hand. "Wir wissen halt genau, welcher Verlag im Moment etwas in welchem Segment sucht", sagt Lianne Kolf. "Aber wir sind in höchstem Maß angewiesen auf die Qualität des Textes. Das ist wie bei einer Espressomaschine: Wenn Sie oben nur eine Bohne reintun, kommt unten kein starker Espresso heraus."

Um die Jahrtausendwende dann bekam die Agentur eine unverlangt eingesandte, aber folgenreiche Post. Ein 3.000 Seiten dickes Manuskript von Iny Klocke und Elmar Wohlfahrt. Irgendwann fasste sich Kolf ein Herz, begann zu lesen und war bald fasziniert, obwohl das Mittelalter überhaupt nicht ihr Steckenpferd war. Der Rest ist Mediengeschichte, denn das unter dem Pseudonym Iny Lorentz schreibende Ehepaar löste spätestens mit seinem dritten Roman "Die Wanderhure" einen wahren Mittelalterboom aus.

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Zwei Jahrzehnte später blickt Lianne Kolf auf über 20 Millionen verkaufter Exemplare von Iny Lorentz zurück, auch die Verfilmungsrechte waren heiß begehrt. Inzwischen macht der Verkauf der Filmrechte rund 15 Prozent des Agenturumsatzes aus, Tendenz steigend. 60 bis 70 Titel vermittelte die Agentur mit acht Angestellten pro Jahr, bis Corona für eine Schockstarre der Verlage sorgte. "Wir saßen sechs Monate lang hier, ohne ein Buch zu verkaufen. Das war nicht nur deprimierend, sondern auch teuer."

Inzwischen läuft das Geschäft wieder auf normaler Temperatur, aber Lianne Kolf hat nach rund 4.000 vermittelten Titeln Büchern vor allem einen Zukunftswunsch: ein bisschen kürzer zu treten.


Lianne Kolf: "Agentinnen gab es damals nur bei James Bond" (Blanvalet, 272 Seiten, 22 Euro)

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