Kritik

"Parsifals Verführung": Viel Drumherum um ein gut erforschtes Leben

Der Roman "Parsifals Verführung" von Laurence Dreyfus umkreist das Leben des Dirigenten Hermann Levi.
Wolf-Dieter Peter |
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Hermann Levi war von 1872 bis 1896 Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister am Münchner Hof- und Nationaltheater.
Hermann Levi war von 1872 bis 1896 Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister am Münchner Hof- und Nationaltheater. © Archiv

Ein hübsch doppeldeutiger Titel: Verführt die "Parsifal"-Partitur den jüdischen Dirigent Hermann Levi, alle Demütigungen hinzunehmen, um 1882 Wagners letztes Werk in Bayreuth uraufzuführen? Oder ist er selbst ein "reiner Tor", der durch alle Anfeindungen hindurch unsterblich in die Musikgeschichte eingeht?

Der amerikanisch-jüdische Musikwissenschaftler und Musiker Laurence Dreyfus ist ein Kenner. An renommierten Universitäten hat er gelehrt, daneben ebenso viel musiziert, Fachliches publiziert und Preise gewonnen. Nun fühlte sich der siebzigjährige Neu-Berliner gedrängt, einen Roman zu schreiben: nicht einen über Richard Wagner, wie das Lektorat auf dem Rückeinband titelt, sondern über Hermann Levi (1839-1900), dessen dirigentisches Können von Mannheim über Hamburg, Wien bis nach München führte und der Wagner tief beeindruckte - besonders auch durch die Weigerung, die Münchner Uraufführungen von "Rheingold" und "Walküre" vor der kompletten "Ring"-Uraufführung von 1876 in Bayreuth zu dirigieren. Nicht zuletzt deshalb übertrug der explizite Antisemit Wagner dem "Juden" Levi die Uraufführung des "christlichen" Parsifal in Bayreuth.

Lohnt Levis fiktionales Gefühlsleben weitere zweihundert Seiten?

Dazu gibt es über Stefan Möschs leider vergriffene grundlegende Analyse "Weihe, Werkstatt, Wirklichkeit: Wagners 'Parsifal' in Bayreuth 1882-1933" hinaus viel lesenswerte und zugängliche Fachliteratur. Doch schon Dreyfuss' eröffnendes, "1881" überschriebenes Kapitel behandelt nicht etwa Levis musikalische Interpretation, sondern viel "Drumherum" - und wirft damit die Frage auf, ob Dreyfus' fiktionales Ausgestalten von Levis Gefühlsleben, in späteren Kapiteln bis ins Amouröse hinein, die weiteren zweihundert Seiten lohnt. Sagen die viel, oft auch in Gänze zitierten Briefe des Bayreuth-Clans, dazu die von Levi selbst und die von seinem Freundeskreis bis hin zu seinem lange engen Freund Johannes Brahms nicht genug - und vor allem Authentisches?

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Auch die wohl literarisch-künstlerisch gedachte Auflösung jeglicher Chronologie im Text wirkt eher künstlich. Und zum damals wie heute in den "besten Kreisen" kursierenden Antisemitismus, dem Levi fast zeitlebens - und bis vor kurzem, bis zum Eingreifen von Charlotte Knobloch auch seine Grabstätte im "weltoffenen" Garmisch - ausgesetzt war, gibt es Angemesseneres als diese romanhafte Darstellung. Also: der ernsthaft interessierte Musikfreund sollte zu sachlich und fachlich fundierteren Büchern greifen.


Laurence Dreyfus: "Parsifals Verführung. Ein Richard-Wagner-Roman." (Faber & Faber, 220 S., 24 Euro)

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