Umstrittenes Psychiatrie-Gesetz: Zentrale Unterbringungsdatei gestrichen

Nach heftiger Kritik streicht das Kabinett mehrere Punkte aus dem Entwurf, darunter: die zentrale Unterbringungsdatei.
Natalie Kettinger |
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Mitglieder des Kabinetts im Sitzungssaal der Staatskanzlei.
dpa Mitglieder des Kabinetts im Sitzungssaal der Staatskanzlei.

Nach heftiger Kritik streicht das Kabinett mehrere Punkte aus dem Entwurf zum Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, darunter: die zentrale Unterbringungsdatei.

Berlin - Der öffentliche Druck und eine Petition mit rund 90.000 Unterschriften haben gewirkt: Die bayerische Staatsregierung entschärft ihren umstrittenen Entwurf zum Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz und will Psychiatrie-Patienten doch nicht in einer Zentraldatei erfassen. Das hat der Ministerrat nun entschieden. Bei einer Expertenanhörung im Landtag stieß der Kurswechsel auf breite Zustimmung.

Fachleute, Opposition und Patienten hatten die geplante Form der Gesetzesnovelle in den vergangenen Wochen scharf kritisiert – insbesondere die Speicherung von Patientendaten für fünf Jahre, die zudem Behörden wie etwa der Polizei zur Verfügung gestellt werden sollten. Diese ist nun Geschichte. "Wir wollen das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient bewahren", begründete Sozialministerin Kerstin Schreyer den Verzicht auf die sogenannte Unterbringungsdatei.

Erster Entwurf schürte Ängste vor psychisch Kranken

Außerdem solle mit der Sprache des Gesetzes den Belangen der Betroffenen künftig besser Rechnung getragen werden, hieß es in einer Mitteilung des Kabinetts. Insbesondere sollten die Verweisungen vom Maßregelvollzugs- in das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz gestrichen werden. Kritiker hatten der CSU vorgeworfen, Betroffene damit mit psychisch kranken Verbrechern gleichzusetzen, sie zu kriminalisieren und zu stigmatisieren.

In der zunächst geplanten Gesetzesnovelle seien schwere Geschütze zur Gefahrenabwehr aufgefahren worden, sagte Davor Stubican vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Damit seien Ängste vor psychisch Kranken sowie vor der Psychiatrie geschürt worden. Es sollte aber nicht zwischen Hilfe und Gefahrenabwehr unterschieden werden, denn: "Hilfe ist Gefahrenabwehr." Der Hilfegedanke sollte vor dem Sicherheitsgedanken stehen, lautete der Tenor der Expertenanhörung.

Der Präsident des Bayerischen Bezirkstags, Josef Mederer (CSU), befürwortete ausdrücklich die geplante flächendeckende Einführung von Krisendiensten. Wohnortnahe Hilfsangebote seien besonders wichtig. Polizeidirektor Oliver Etges ergänzte, für die Beamten wäre es eine große Unterstützung, bei Einsätzen einen Krisendienst hinzuziehen können. Die Entscheidung über eine Unterbringung habe in zweierlei Hinsicht weitreichende Folgen: Wenn der Beamte sich dazu entschließe, aber auch, wenn der Beamte eine Person als nicht gefährlich einstufe. "Was ist, wenn derjenige dann doch jemandem etwas antut?"

Wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Kabinett sagte, soll die Polizei auch künftig informiert werden, wenn als gefährlich geltende und zwangsuntergebrachte Patienten aus der psychiatrischen Unterbringung entlassen werden. Hier sei zu überlegen, was genau der Polizei mitgeteilt werde, sagte Celia Wenk-Wolff vom Bezirkstag.

Der Hilfegedanke sollte vor dem Sicherheitsgedanken stehen

Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bayerischen Landtag, Katrin Sonnenholzner (SPD), bewertete die Entwicklung positiv: "Der Druck von Opposition und Öffentlichkeit wirkt, die Staatsregierung bewegt sich." Man werde die Staatsregierung an ihren Ankündigungen messen. "In jedem Fall gilt: die Unterbringungsdatei und die Verweise auf das Maßregelvollzugsgesetz, also die Gleichsetzung psychisch Kranker, mit Straftätern müssen vollständig gestrichen werden. Darauf werden wir achten." Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sagte: "Der bisherige CSU-Entwurf zum Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz hätte uns als Gesellschaft um Jahrzehnte zurückgeworfen und psychisch kranke Menschen in die Nähe von Straftätern gerückt." Nun werde man mit Argusaugen darüber wachen, "dass kein stigmatisierendes Gesetz beschlossen wird."

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