Söder wird zum Bienen-Retter

München - Der 3. April 2019 könnte in die Naturschutzgeschichte Bayerns eingehen – als der Tag, an dem sich (fast) alle politischen Kräfte des Freistaats zusammengefunden haben, um das Artensterben zu stoppen. Und auch als der Tag, an dem ein von den Bürgern gestartetes Volksbegehren von den Regierenden übernommen wurde – ohne Wenn und Aber.
Nichts weniger verkündeten Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), sein Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und die Fraktionschefs von CSU und Freien Wählern, Thomas Kreuzer und Florian Streibl, am Mittwoch im Maximilianeum.
Söder: "Viele sind über ihren Schatten gesprungen"
"Viele sind über ihren Schatten gesprungen", lobte Söder und meinte dabei wohl auch die eigene Fraktion, welche sein Konzept einstimmig gebilligt hatte. Gewisse Widerstände, den Gesetzentwurf 1:1 zu übernehmen, gab es hingegen bei den Freien Wählern: 21 Abgeordnete stimmten dort für die neue Linie – aber fünf dagegen. Damit ist ein Volksentscheid überflüssig geworden.
Aus rechtlichen Gründen kann am Wortlaut des Begehrens, das eine Reihe von Maßnahmen von nutzungsfreien Gewässerrandstreifen bis zur Verdreifachung der biologischen Landwirtschaft vorsieht, nichts geändert werden.
Weil aber Vieles angeblich doch nicht so passt, dass es umgesetzt werden könnte, wird es im zweiten Schritt nach dem "Annehmen" ein "Verbessern" geben, kündigte Söder an. In Begleitgesetzen werden verschiedene Inhalte des Volksbegehrens konkretisiert.
Regierung will Landwirte mit Ausgleichszahlungen entgegenkommen
Als dritten Schritt sieht die Strategie der Staatsregierung das "Versöhnen" vor. In einem großen Paket, dessen jährliche Kosten Söder auf 70 bis 75 Millionen Euro bezifferte, sollen "mehr" Umwelt- und Artenschutz im Freistaat umgesetzt werden. Der Ministerpräsident sprach von einem "Versöhnungsgesetz", das Artenschutz, Umweltschutz und Landwirtschaft zusammenbringen soll. In Erster Lesung im Landtag beraten werden soll das Paket bereits am 8. Mai.
Den Weg frei gemacht hatte kürzlich der Bayerische Bauernverband, der sich durch das Volksbegehren "Rettet die Bienen" zu Unrecht an den Pranger gestellt sah. Präsident Walter Heidl bekannte sich zum Artenschutz, äußerte aber gleichzeitig Bedenken gegen einige Inhalte des Volksbegehrens.
Den Befürchtungen der Landwirte will die Söder-Regierung auch durch finanzielle Anreize und Ausgleichszahlungen entgegenkommen. Für Landwirte, die mehr für den Artenschutz leisteten, werde es mehr Geld geben, kündigte Vizeregierungschef Aiwanger an. Denn: Im Entwurf gebe es "viele Punkte, die der Landwirtschaft wehtun".
Söder spricht von einer "gesamtgesellschaftlichen Aufgabe"
Söder sprach von einer "gesamtgesellschaftlichen Aufgabe". Nach Umsetzung der geplanten Gesetze werde Bayern allen anderen Bundesländern in Sachen Artenschutz weit voraus sein. Aiwanger vergleich das Volksbegehren mit einem "Kartoffelsack", der jetzt zu einem "Arbeitsanzug" umgearbeitet werden müsse. CSU-Fraktionschef Kreuzer wies jedoch darauf hin, dass am Wortlaut des Volksbegehrens nichts geändert werden dürfe. Über die Begleitgesetze, welche die eine oder andere Schwäche oder mangelnde Konkretheit des Volksbegehrens ausbügeln sollen, werde in den nächsten Wochen diskutiert.
Das Anfang des Jahres unter ungünstigen Witterungsbedingungen gestartete Volksbegehren "Rettet die Bienen" hatte mit einer Rekordbeteiligung die Regierungsparteien unter Zugzwang gesetzt.
Mehr als 1,7 Millionen Menschen – Söder rundete gestern großzügig auf, sprach gar von zwei Millionen – oder 18,3 Prozent aller Stimmberechtigten hatten es mit ihrer Unterschrift unterstützt. Notwendig gewesen wären nur zehn Prozent. Dieses Votum könne man nicht einfach ignorieren, sagte Söder dazu gestern.
Söder: "Runder Tisch hat schon viele gute Ideen produziert"
In der Folge hatte der Ministerpräsident einen Runden Tisch unter der Leitung des früheren Landtagspräsidenten Alois Glück (CSU) eingesetzt, der Wege erkunden sollte, wie mit dem Ergebnis umzugehen sei.
Der Runde Tisch habe schon viele gute Ideen produziert, welche in die "Versöhnungsgesetze" einfließen könnten, lobte Söder. Der Ministerpräsident will nun darüber nachdenken, die Gesprächsrunde zu einer Dauer-Institution zu machen.
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