Mordprozess um Hanna W: Die rätselhaften Verletzungen des Angeklagten
Aschau - Konnte sich der Angeklagte Sebastian T. während der Arbeitszeit als Auszubildender zum Anlagenmechaniker, also bei Arbeiten im Lüftungs-, Heizungs- und Sanitärbereich, an Händen und Unterarmen verletzt haben? Dieser Frage ging gestern die Zweite Traunsteiner Jugendkammer im Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. in Aschau nach.
Die 23-Jährige war am 3. Oktober 2022 auf dem nächtlichen Heimweg von der Disco "Eiskeller" bewusstlos geschlagen worden und im Bärbach ertrunken. Der Prozess - mit Urteil wohl erst im Januar wird am Donnerstag um 9 Uhr mit den Gutachten der Rechtsmedizin fortgesetzt.
Der Angeklagte hatte einer Hausmeisterin am 7. Oktober 2022 gegen 17 Uhr beim Möbelräumen im Pfarrheim Aschau geholfen. Als er sich mehrmals an den linken Unterarm fasste, fielen der 52-jährigen Zeugin "rote Kratzer, verteilt auf die ganze Arminnenseite" auf. Woher die Verletzungen stammten, könnte ein wichtiger Aspekt in dem Indizienprozess sein.
Der 21-Jährige schweigt seit Verhandlungsauftakt. Seine Anwälte, Harald Baumgärtl und Markus Frank aus Rosenheim sowie Regina Rick aus München, haben nie eine Verteidigererklärung abgegeben – weder zur Person noch zu den Vorwürfen der Staatsanwälte Wolfgang Fiedler und Florian Jeserer.
Angeklagter erhielt eine Abmahnung vom Arbeitgeber
Bei einer Firma in Rosenheim hatte der Angeklagte im Herbst 2019 eine Lehre zum Anlagenmechaniker gestartet. Bis zur Festnahme am 18. November 2022 galt der 21-Jährige nach Worten seines Arbeitgebers, der sonst kaum mit Auszubildenden zu tun hatte, als "unauffällig, aber auch als etwas limitiert". Dazu der Zeuge: "Einfache Aufgaben hat er gewissenhaft gemacht. Bei schwierigen musste man ihm genau sagen, was zu tun ist."
Der Chef verwies auf eine Abmahnung des Angeklagten wegen mangelnder Führung des Arbeitsberichtsheftes. Auf die Maßregel habe der 21-Jährige "mit betrübtem Schauen und Grinsen, als wenn er lachen wollte", reagiert. Die Zweite Jugendkammer mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler wollte mehr wissen über die Arbeit des Angeklagten in der Zeit nach dem 3. Oktober 2022.
Für den 4. und 5. Oktober 2022 hatte der Lehrling eine Krankmeldung eingereicht. Zusammen mit einem Monteur fuhr er am 6. und 7. Oktober 2022 auf Baustellen in Hausham, Schechen und Großkarolinenfeld. In Hausham demontierte der Auszubildende in einer Behinderteneinrichtung teils allein einen defekten WC-Spülkasten. An der Trockenwand hätte man sich an Schrauben verletzen können, meinte der Vorgesetzte, der zeitgleich in der Heizzentrale tätig war.
Zeuge beschreibt den Tatverdächtigen als "Außenseiter"
Nachmittags habe man in einer Tiefgarage in Schechen etwas erledigt. Der Auszubildende habe "immer etwas langsamer gearbeitet, was aber bei Lehrlingen ganz normal ist". Mit zunehmender Erfahrung sei alles besser geworden, meinte der Monteur. Am Folgetag sei bei einer Mängelbeseitigung in einem SB-Markt in Großkarolinenfeld ein Waschbecken zu ersetzen gewesen. Dort, so der 58-Jährige, seien keine Verletzungen an Händen und Unterarmen denkbar.
Auch einen früheren Pfadfinderkameraden hörte das Gericht gestern an. Der 20-Jährige beschrieb den Angeklagten als "Außenseiter, komisch, nicht so wie die anderen". In der Pfadfindergruppe sei es beim Spielen mit dem Angeklagten "schwierig gewesen". Er sei oft aufgefordert worden, sich mehr Mühe zu geben.
Plötzlich gerät der Zeuge in die Ermittlungen
Nach nur loser Bekanntschaft und einem zufälligen einmaligen Treffen im Frühjahr 2022 im "Eiskeller" mit "kurzem Hallo" mit dem Angeklagten, rief die Kripo im Zuge der Ermittlungen im Mordfall "Hanna" bei dem Zeugen an. Der 20-Jährige wunderte sich und erkundigte sich telefonisch bei dem 21-Jährigen nach dem Grund.
Dazu schilderte er am Dienstag im Zeugenstand: "Er hat mir gesagt, dass er in der Nacht des 3. Oktober 2022 gegen 2 Uhr joggen war und am Eiskeller vorbeikam, um dort Bekannte und auch mich zu treffen. Er hätte bei der Polizei widersprüchliche Aussagen gemacht und werde deshalb noch mal vernommen." Der 20-Jährige wirkte auch am Dienstag noch irritiert, wie er in die Ermittlungen geraten war.
Unter den Zeugen war der Besitzer einer Holzarmbanduhr, die die Kripo nach dem Tod von Hanna W. nahe einem Parkplatz im Bärbach gefunden hatte. Die Uhr, präsentiert bei der TV-Sendung "Aktenzeichen XY", hatte letztlich jedoch nichts zu tun mit dem Mordfall.
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