Genditzki-Anwältin bringt neuen Ton in Mordprozess um Hanna

Im Mordprozess um Hanna W. hat eine Familie hat ihre Tochter verloren. Die andere unterstützt den Angeklagten mit einer Star-Anwältin. Schon jetzt ist klar: Der Prozess wird länger dauern. Und es wird härter gestritten.
Heidi Geyer |
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Seine Eltern haben sie engagiert: Sebastian T., Angeklagter im Mordfall, und Rechtsanwältin Regina Rick, die die beiden Pflichtverteidiger unterstützt.
Seine Eltern haben sie engagiert: Sebastian T., Angeklagter im Mordfall, und Rechtsanwältin Regina Rick, die die beiden Pflichtverteidiger unterstützt. © Foto: Geyer

Traunstein/Aschau - "Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise", schrieb Tolstoi in Anna Karenina. Das gilt ebenfalls für die beiden Familien, die vor dem Landgericht Traunstein an den Prozesstagen im Mordfall Hanna (23) aufeinandertreffen.

Da sind die Eltern des Opfers. Ihre Tochter hatte den Eiskeller besucht, eigentlich wären es nur zehn Minuten nach Hause gewesen. Doch dazu kam es nicht. Hanna aus Aschau soll vom Angeklagten Sebastian T. laut Staatsanwaltschaft "aus sexuellen" Gründen überfallen, auf den Kopf geschlagen und gewürgt worden sein. Sie ertrank, da sie der Angeklagte in einen Bach geworfen haben soll.

Belastung zu groß:  Hannas Eltern bleiben Prozess vorerst fern

Für Hannas Eltern, die ein sehr gutes und enges Verhältnis zu ihrer Tochter gehabt haben, ist am 3. Oktober 2022 die Welt zusammengebrochen. Sie treten als Nebenkläger auf, nehmen in dieser Woche nicht am Prozess teil, weil die Belastung zu groß ist. Bis heute kann Hannas Mutter nicht mehr in ihrem Job als Damenschneiderin arbeiten.

Sogar das Spazierengehen hat für Hannas Eltern die Unschuld verloren: Wenn sie an der Prien entlanggehen, sei der Gedanke unvermeidlich, dass ihre Tochter in ihrer Todesnacht dort hinuntergetrieben ist.

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Auf der anderen Seite des Gerichtssaals, auf den Besucherplätzen, sitzt die Familie des Angeklagten. Sie dürfen mit ihrem Sohn nur unter Aufsicht in der JVA sprechen und nicht über die mutmaßliche Tat.

Schon am vierten Prozesstag hatte die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler sie gemahnt. "'Du bist unschuldig' ist eindeutig ein verfahrensbezogenes Gespräch!", sagte sie damals.

Mordprozess Hanna: Familie des Angeklagten zweifelt an fairen Verfahren

Offenbar glaubt Familie T. nicht daran, dass ihr Sohn ein faires Verfahren bekommt. Seine Mutter, aber auch weitere Familienmitglieder schreiben an jedem Prozesstag eifrig mit. Als Aßbichler am Freitag sagt, dass es auch dem Gericht darum gehe, die Wahrheit herauszufinden, quittieren sie das mit einem ironischen Lachen. Vermutlich deshalb hat Familie des Angeklagten die Anwältin Regina Rick engagiert.

Ein 25-jähriger Mithäftling sagt aus, dass er gemeinsam mit Sebastian T. in der JVA arbeitet. Als "freundlich" beschreibt er den mutmaßlichen Täter, der aber auch mal aufdrehen könne, und dass das für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar sei.

T. habe ihm von seiner besten Freundin berichtet. Verena R. ist die wichtigste Zeugin. Ihr soll T. Täterwissen offenbart und die Tat gestanden haben. Zudem soll er die Freundin ebenfalls mit einem Messer bedroht haben. "Er hat halt erwähnt gehabt, dass er eine Freundin bedroht hätte", sagt der Mithäftling aus.

Zugleich soll T. ihm gesagt haben, dass er sich Sorgen um seine Freundin mache, dass sie keine Probleme wegen einer Falschaussage bekommen soll.

Angeklagter streitet Tat weiterhin ab

Die Tat, die auch in der JVA durch die Sendung "Aktenzeichen XY" bekannt war, soll er jedoch immer abgestritten haben. Der Zeuge hat zwar große Probleme, sich zu erinnern, ist sich aber sicher, dass T. ihm gesagt habe, dass seine Freundin sich bei einem Termin täusche.

Tatsächlich ist strittig, ob sich der Angeklagte am 3. oder am 4. Oktober mit der jungen Frau getroffen hat. Denn wenn es wirklich der 3. Oktober gewesen wäre, hätte nur der Täter wissen können, dass eine junge Frau umgebracht worden ist.

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Wobei zwei Zeugen, die gemeinsam in einem Restaurant arbeiten, berichten, dass sie schon am Nachmittag des 3. Oktober 2022 von einer Frauenleiche in der Prien erfahren haben. Der eine ist der Nachbar des Lehrers, der Hanna in der Prien entdeckt hatte. Könnte T. es auch schon so früh gewusst haben? Oder ist es Täterwissen?

Schließlich sagt noch ein weiterer Mithäftling, ein 64-Jähriger, aus. Er gibt zu, dass er auch gegenüber T. gelogen und erzählt habe, er sei nur wegen eines Steuerdelikts in Haft.

Er scheint eine Art väterlicher Freund gewesen zu sein und hatte T. lange Zeit für unschuldig gehalten. Warum T. der Freundin erzählt habe, er seit es gewesen? "Das war nur Spaß", soll T. gesagt haben. Als er dann über die Presse von den Gewaltvideos auf dem Handy von T. erfahren hatte, habe er doch Zweifel bekommen. Dass T. gesagt habe, "man kann Erlebtes verdrängen!", habe ihn ebenfalls irritiert.

Mordfall Hanna: Prozess wird wohl länger dauern als geplant

Ob die Äußerung in Zusammenhang mit dem Mord erfolgt ist, darüber wird sodann gestritten. Der Zeuge schildert es so, doch Rick sieht es anders, fasst zusammen. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler kontert: "Sie müssen nicht plädieren!" Rick antwortet: "Diese Spitzen können Sie sich sparen, Herr Staatsanwalt!" Der Ton im Landgericht hat sich deutlich verschärft.

Eigentlich sollte der Prozess vor Weihnachten zu einem Ende kommen. Doch Aßbichler kündigt am Freitag an, dass im Januar weiter verhandelt wird. Es wird sich zeigen, ob und bis wann diese beiden Familien je wieder glücklich werden.

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