Brenner-Nordzulauf: Bürger wehren sich gegen die Pläne der Bahn

Dass eine Bürgerinitiative mal die designierte Bundesregierung zum Sparen aufruft, kommt eher selten bis gar nicht vor. Schließlich ist es meist so, dass nach öffentlichen Geldern und Fördermitteln geschrien wird.
Im Landkreis Rosenheim ist die Lage anders. Denn während in Deutschland viele Zugfahrer über die ächzende Deutsche Bahn lamentieren, sperren sich viele Bürger dort gegen die Ausbaupläne. Der sogenannte Brenner-Nordzulauf ist vielen Anwohnern seit Jahren ein drohendes Ärgernis, die Fronten sind verhärtet.
Da zwischen Tirol und Südtirol der Brenner-Basistunnel gebaut wird, der zu schnelleren Zugverbindungen über die Alpen und einer Verlagerung von der Straße auf die Schiene führen soll, ist ein besserer Anschluss auf deutscher Seite nötig.
Brenner Nordzulauf: Die Strecke ist schon jetzt ausgelastet
So sieht es zumindest die Deutsche Bahn. Denn die Strecke München-Salzburg beziehungsweise München-Kufstein ist schon jetzt stark ausgelastet. Die Strecke im Inntal ist laut Bahn 160 Jahre alt und soll nicht mehr ausreichen.
Wobei ein gewisser Übergang nötig sein wird – denn der Brenner-Basistunnel soll 2032 fertig werden, die DB räumt jedoch selbst ein, dass mit einer Fertigstellung des Brenner-Nordzulaufs erst in 20 Jahren zu rechnen sei. Eine Neubaustrecke sei aber langfristig "alternativlos".

Daran haben mehrere Bürgerinitiativen (BI) im Landkreis Rosenheim nicht nur starke Zweifel, sondern widersprechen mit Nachdruck. Gestritten wird also nicht nur um die Lage einer neuen Trasse, sondern auch um die Frage, ob es sie überhaupt braucht. Und ob nicht ein Ausbau der bestehenden Gleise reichen würde.
Ein Brief an die Koalitionsverhandler
Nun haben sich die Bürgerinitiativen per Brief an die Aushandler in den Koalitionsverhandlungen gewandt. Es klingt ein bisschen wie Nachhilfe: "Trotz der desaströsen Lage der Bahn und dem damit verbundenen Investitionsbedarf lassen sich besonders in diesem Bereich zig Milliarden einsparen und an anderer Stelle sinnvoll verwenden." Die künftige Regierung solle Einsparmöglichkeiten, die sich "offensichtlich anbieten", vehement nutzen.
Fünf Punkte fordern die BI, allen voran das Credo Ausbau vor Neubau. Zudem seien Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit für Bahnfahrer wichtiger als Zeiteinsparungen im Minutentakt auf neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken.
Zumal Neubaustrecken mit Tunneln und Brücken so viel CO2 emittieren, wie niemals durch den wegfallenden Verkehr kompensiert werden könnte - so das Argument der BI. Überhaupt sollten aus deren Sicht Natur- und Umweltaspekte beim Bahnausbau eine stärkere Rolle spielen, etwa beim Lärmschutz an Bestandsstrecken.
Ein heikles Thema für die CSU
Gleichzeitig will die BI erreichen, dass die Bahn mehr Güter als bisher transportiert, was nicht zugunsten von Hochgeschwindigkeitstrassen vernachlässigt werden dürfe.
Was aus den Koalitionsgesprächen dringt, dürfte den BI wenig Hoffnung machen. "Mittelfristig" sei eine grundlegende Reform geplant. Durch eine Verschlankung soll ins Schienennetz mehr investiert werden können, schreibt "SZ-Dossier".
Für die CSU ist das Thema heikel, schließlich ist der Widerstand in der Region enorm. Im Frühjahr 2025 sollte im Bundestag über das Projekt entschieden werden, dann zerbrach die Ampel. Unklar ist daher, wann es zu einer Entscheidung kommen wird. Den Zwiespalt, Bürgerinteressen und Modernisierung zu überwinden, ist derzeit auch Thema in der Enquete-Kommission "Bürokratie-Abbau" des Bayerischen Landtags.
Eine Forderung aus den Zwischenergebnissen der Kommission dürfte den Brenner-BI jedoch nicht gefallen: "Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind weiterzuentwickeln, so dass sie einerseits die berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger wahren und andererseits dem Gemeinwohl dienende große Bau-, Infrastruktur- und Planungsvorhaben nicht unverhältnismäßig verzögern."
Österreich blickt gespannt auf die Entscheidung
AfD und SPD haben bereits angekündigt, dass sie diesen Passus nicht unterstützen.
Aus Österreich wird man mit Argusaugen auf die Entscheidung blicken: Denn parallel schwelt in Tirol der Transitstreit. Anwohner an der Brenner-Route und im Inntal sind stark vom Verkehr belastet.
Aus diesem Grund hat Österreich unter anderem eine Dosierung, in Deutschland Blockabfertigung genannt, und ein Nachtfahrverbot für Lkw eingeführt.
Dagegen wehrt sich Bayern, weil starke Staus auf der deutschen Seite der Inntalautobahn die Folge sind. In Österreich ist man wiederum nicht glücklich mit den deutschen Ausweiskontrollen bei der Einreise, die infolge der Migrationsdebatte eingeführt wurden.