"Brandgefährlich": Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger fordert Aussetzung wichtigen Rechts

Sobald neue Infrastrukturprojekte bekannt werden, formiert sich meist schnell auch Protest. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ist das ein Dorn im Auge – er hat deshalb drastische Forderungen an den Bund.
AZ/ dpa |
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Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) will mehr Tempo bei Infrastrukturmaßnahmen und fordert dafür auch Rückschritte bei Klagemöglichkeiten. (Archivbild)
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) will mehr Tempo bei Infrastrukturmaßnahmen und fordert dafür auch Rückschritte bei Klagemöglichkeiten. (Archivbild) © Peter Kneffel/dpa
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Zur Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen fordert Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger eine bundesweite Aussetzung des Verbandsklagerechts. Die Möglichkeit von Verbandsklagen im Umwelt- und Naturschutzrecht sei "ein Faktor, der nach wie vor zu erheblichen Verzögerungen beim Ausbau der Energieinfrastruktur führen kann und damit der durch die Festlegung des überragenden öffentlichen Interesses intendierten Beschleunigungswirkung entgegenstehen kann", schreibt der Freie-Wähler-Chef in einem Brief an Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), der der Deutschen Presse-Agentur in München vorliegt.

Aiwanger fürchtet massive Schwächung der Investitionsbereitschaft 

Um beim Bau etwa von Straßen, Leitungen, Schienen oder Stromtrassen schneller voranzukommen, sei daher "eine Einschränkung, zumindest aber ein dreijähriges Aussetzen des Verbandsklagerechts für Infrastrukturmaßnahmen insbesondere im Energiebereich" erforderlich, betonte Aiwanger. Die bisher bestehenden Klagemöglichkeiten für nicht direkt von den Bauprojekten betroffenen Umweltverbände verhinderten verlässliche Planungsgrundlagen und führten dadurch zu einer massiven Schwächung der Investitionsbereitschaft in die Energieinfrastruktur in Deutschland.

Auf Nachfrage erklärt Aiwanger, dass die bestehenden Klagemöglichkeiten den Ausbau der Energieinfrastruktur zum Teil massiv einbremsen würden. "Das ist weder den Bürgern im Land noch unserer Wirtschaft zu vermitteln. Wenn die Bundesregierung in den kommenden Jahren Investitionen von hunderten Milliarden Euro ermöglichen will, muss sie das Verbandsklagerecht ändern und eindampfen." Sonst würden viele Vorhaben "zum Rohrkrepierer werden".

Die Stromtrasse Suedlink soll Strom aus Erneuerbaren Energien von Norddeutschland in den Süden transportieren. (Archivbild)
Die Stromtrasse Suedlink soll Strom aus Erneuerbaren Energien von Norddeutschland in den Süden transportieren. (Archivbild) © Focke Strangmann/dpa

Reiche bei Baubeginn von Suedlink in Bayern dabei

An diesem Freitag ist Reiche im unterfränkischen Oerlenbach beim Baubeginn der Stromtrasse Suedlink in Bayern zu Gast - auch hier gibt es massive Proteste von Anwohnern gegen die meist unterirdischen Leitungen für erneuerbaren Strom aus Norddeutschland. Aiwanger selbst war in früheren Jahren übrigens auch vehementer Trassengegner. Inzwischen spricht er sich wie die gesamte Staatsregierung aber auch für den Bau weiterer Leitungen aus.

Bekam Post aus Bayern: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) wird von ihrem bayerischen Amtskollegen aufgefordert, das Verbandsklagerecht auszusetzen. (Archivbild)
Bekam Post aus Bayern: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) wird von ihrem bayerischen Amtskollegen aufgefordert, das Verbandsklagerecht auszusetzen. (Archivbild) © Michael Kappeler/dpa

Aiwanger fordert auch Veränderung von Aarhus-Konvention 

Aiwangers Forderung an Reiche geht aber noch weiter - so spricht er sich in dem Brief nicht nur dafür aus, dass die CDU-Ministerin sich "innerhalb des Bundeskabinetts und auf allen Ebenen" für das Moratorium im Verbandsklagerecht einsetzen möge. Aus seiner Sicht wäre auch eine Änderung der sogenannten Aarhus-Konvention erforderlich. 2007 ratifizierte Deutschland das internationale Abkommen, welches eine Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten einfordert.

Im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung haben sich Union und SPD bereits auf Reformen im Klagerecht geeinigt: "Das Verbandsklagerecht vor Verwaltungsgerichten werden wir reformieren, straffen und auf die tatsächliche Betroffenheit ausrichten. Wir werden es bis auf das europarechtliche Mindestmaß absenken und durch Initiativen der Bundesregierung auf eine weitere internationale Reduzierung hinwirken."

Greenpeace warnt vor gefährlichen Folgen für Demokratie

"Was Minister Aiwanger fordert, ist brandgefährlich. Die Rechte von Umwelt- und Naturschutzverbänden auszusetzen, verstößt gegen nationales und internationales Recht", sagte Saskia Reinbeck von Greenpeace. Wer das Klagerechte angreife, beschädige die Stabilität der Gesellschaft. 

Weiter: "Die bayerische Landesregierung hat den Ausbau von Windrädern und Stromtrassen in den vergangenen zehn Jahren massiv behindert. Dieses politische Versagen nun ausgerechnet Umweltschutzverbänden in die Schuhe schieben zu wollen, ist absurd", betonte Reinbeck. Viele Verbände forderten seit Jahren einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien.

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  • gubr vor 21 Stunden / Bewertung:

    Ich weiß jetzt nicht was das bringen soll und ist verfassungsrechtlich auch zweifelhaft.
    Wichtig wäre eine Rechtslage wie in Frankreich, wo das öffentliche Interesse weit über dem privaten Interesse steht.
    Ich bin kein Rechtsexperte aber wenn es irgendwie nur geht, müsste man Gesetze verabschieden, die derartige zersplitterte Klagen zwangsweise bündeln und auch direkt bei einem übergeordneten Gericht verhandelt werden müssen zB. beim Oberlandgericht wenn es um Landesaspekte geht oder direkt beim BGH wenn es um deutschlandweite Infrastruktur geht. Durch die unzähligen Instanzen, wo jeder Hinz und Kunz sich einen andern Regenwurm oder sonstigen Grund zum Klagen aussuchen kann, verschieben sich derartige Projekte um Jahrzehnte.

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  • JENZZ vor 22 Stunden / Bewertung:

    Herr Aiwanger will damit vermutlich seinem großen Koalitionspartner und der neuen Wirtschaftministerin gefallen. Das Verbandsklagerecht ist ein wichtiges und höchst legitimes Mittel demokratischer Beteiligung. Der Bau von Überlandleitungen/Stromtrassen war schon immer ein schwieriges, öffentliches Thema, weil es eben sehr viele Betroffene und Beteiligte gibt. Die grundsätzliche Verzögerung von mindestens 1 Jahrzehnt ist klar politischen Spielchen geschuldet, was ja auch ganz besonders für den Ausbau der Windenergie in Bayern gilt. Die Lösung mit Erdkabeln, die ein vielfaches der Kosten von Freileitungen verursacht, dürfte vermutlich der Aiwanger nahe stehenden Landwirtschaft gut gefallen. Schließlich wird man üppig entschädigt und kann mit seinen Traktoren und Anhängern beim Bau zusätzliche Umsätze generieren. Bei Bauvorhaben geht es immer darum, in alle Richtungen abzuwägen. Somit sollte es auch keine Rolle spielen, wer Einwände vorzubringen hat. Das ist schlicht gelebte Demokratie.

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  • Boandl_kramer vor 23 Stunden / Bewertung:

    Man muss Aiwanger nicht mögen. Aber da hat er recht. Das Verbandsklagerecht wurde und wird von steuerfinanzierten NGO's dazu missbraucht systematisch jede Bautätigkeit und Weiterentwicklung der Infrastruktur zu behindern und zu verteuern.

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