Bayern im Alm-Rausch: "Einheimische Bevölkerung leidet"

Almhütten setzen zunehmend auf Feiern, teils bis in die Nacht. Auch durch den Ausbau von Seilbahnen sowie anderer sehen Naturschützer die Bayerns Bergwelt bedroht.
Tobias Lill |
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An den Luxus-Sausen auf der Saurüsselalm gibt es viel Kritik. Umweltschützer halten derlei Kommerzialisierung jedoch für keinen Einzelfall.
An den Luxus-Sausen auf der Saurüsselalm gibt es viel Kritik. Umweltschützer halten derlei Kommerzialisierung jedoch für keinen Einzelfall. © IMAGO/imagebroker

Für 249 Euro deliziöse Gerichte von Helmut Kohls Leibkoch oder eine Party mit Schampus bis spät in die Nacht: Mehrmals ärgerte sich Lorenz Sanktjohanser zuletzt über Luxus-Sausen auf der Saurüsselalm im Tegernseer Land.

Sanktjohanser ist zweiter Vorsitzender des Vereins zum Schutz der Bergwelt. Und er macht sich große Sorgen um den Zustand des alpinen Raums. "Die Saurüsselalm ist nur ein Beispiel. Almen werden ebenso wie Berghütten zunehmend kommerzialisiert", sagt der 68-Jährige der AZ.

Luxus-Partys auf der Alm: "Es gibt immer mehr Feiern"

Hüttenbetreiber stellten "zunehmend auf Event-Gastronomie um", weiß Sanktjohanser. "Es gibt immer mehr Feiern. Bis zum späten Abend werden die Leute hochgefahren und spät nachts geht es dann zurück ins Tal." Dies sei eine große Belastung für "die heimische Umwelt". Er fragt sich: "Wann soll denn die Tierwelt zur Ruhe kommen?"

Der Trend zu erweiterten Nutzungszeiten sei keinesfalls auf den Tegernseer Raum beschränkt. Sanktjohanser verweist etwa auf die Kampenwand in den Chiemgauer Alpen. Dort könnte es, wenn es nach dem Wunsch der Betreiber geht, in Zukunft Partys auf dem Gipfel bis tief in die Nacht geben. Auch die Gästezahl könnte deutlich zunehmen.

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Mit der Ruhe in den Alpen ist's vorbei: "Gastronomische Nutzung steht im Mittelpunkt"

Auch anderswo in den Bergen ist es mit der Ruhe immer öfter vorbei. "Diverse Hütten erweiterten zum Teil ihre gastronomischen Flächen und setzten zunehmend auf Veranstaltungen mit Event-Charakter", so Sanktjohanser. Und: "Insbesondere bei Ausbaumaßnahmen wie etwa auf dem Jenner in den Berchtesgadener Alpen steht die gastronomische Nutzung zunehmend im Mittelpunkt", kritisiert Sanktjohanser.

"Die Alpen dürfen nicht zum Rummelplatz verkommen", findet der Naturschützer. Er sei nicht gegen Tourismus in den Bergen. Modernisierungen dürften aber nicht "überzogen" ausfallen. "Und "Spaßeinrichtungen wie Flying Foxes, Sommerrodelbahnen und andere Kunstbauten gehören in Freizeitparks und nicht in die freie Natur."

Appell der Naturschützer: "Die Alpen dürfen nicht vermüllen"

"Die Alpen dürfen nicht vermüllen", so Sanktjohanser weiter. Ein größeres Problem aus seiner Sicht ist jedoch: Wenn große Menschenmengen feiern, würden folglich auch mehr Gäste, Lebensmittel und andere Dinge "hochgekarrt". Mitunter werde dann eine Straße durch einen unberührten Wald geschlagen oder eine Furt durch einen Bergbach angelegt.

Mit seiner Kritik ist er nicht allein. "Auch wir beobachten einen Trend zur Kommerzialisierung des alpinen Raums", sagt Anne Marie Räder vom Bund Naturschutz. Hütten oder Seilbahnen würden ausgebaut und die Nutzungszeiten erweitert. "Es gibt immer mehr Erlebnis-Events und nächtliche Nutzungen auf Gipfeln oder Almen oder diese sind zumindest geplant."

Auch der Ausbau der Seilbahnen bereitet den Naturschützern Sorge

"Die Bergwelt darf nicht zur bloßen Kulisse verkommen", sagt Sanktjohanser auch mit Blick auf die Seilbahn-Thematik. Er stört sich etwa am genehmigten Abriss und Neubau der bekannten Kampenwandbahn. Von einer Verdreifachung der Fahrgastkapazität ist die Rede. Der Bund Naturschutz klagt gegen den Ausbau.

Auch anderswo, wie am Jenner, dem Grünten im Allgäu, Brauneck bei Lenggries oder dem Sudelfeld bei Bayrischzell gab oder gibt es Neu- oder Umbauten, samt Erweiterungen, so Sanktjohanser. Zum Teil müsse dafür Wald gerodet werden. "Um immer mehr Touristen nach oben zu bringen, wird in die Natur eingegriffen", kritisiert er – und, dass hier auch Subventionen des Freistaats fließen. Diese müssten an den Faktor Nachhaltigkeit geknüpft sein.

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Der Verkehr als weiteres Problem in den Alpen: "Wir brauchen einen vernünftigen ÖPNV"

Der Bund Naturschutz sieht den Ansturm auf die Berge auch aus verkehrspolitischer Sicht kritisch. "Unter den Blechlawinen leidet die einheimische Bevölkerung." Doch es mangelt vielerorts an Alternativen zum Auto. Räder verweist ebenso wie Sanktjohanser darauf, dass in vielen Regionen im Alpenraum am Wochenende nur sehr spärlich Busse fahren. "Wir brauchen einen vernünftigen ÖPNV. Die Schweiz kann hier Vorbild sein", sagt Sanktjohanser.

Auch die Hotelkapazitäten seien mancherorts deutlich ausgeweitet worden, so der Bergschützer. Dabei gebe es bereits teilweise einen Over-Tourism. Zuletzt mussten Tagestouristen am Königssee mehrere Stunden auf einen Platz auf einem der Schiffe warten. Sanktjohanser sieht zwar die Politik in der Pflicht. Er appelliert aber auch an den Einzelnen: "E- oder Mountainbikes müssen nicht quer durch die Alm fahren und Wanderer nicht zu jeder Zeit unterwegs sein."

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  • Alois Dimpfelmoser am 21.08.2023 12:26 Uhr / Bewertung:

    Ich bin dafür, eine Mauer um die Stadt zu ziehen und niemanden mehr rauszulassen. Damit sie endlich aufhören, das Umland zu fluten.

  • Boettner-Salm am 21.08.2023 15:03 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Alois Dimpfelmoser

    Wäre gut. Und von Mo. - bis Fr. wenn dann die Landbevölkerung die Stadt flutet weil sie zu ihren Arbeitsplätzen gelangen wollen dann auch zumachen.

  • Alois Dimpfelmoser am 21.08.2023 17:09 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Boettner-Salm

    So ist es. Die auf'm Land sollen endlich wieder was g'scheits ärben und ihre Felder bestellen. Nix mehr mit verweichlichten Laptop-Jobs mit Office-Talks in der Kaffeeküche.

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