Trauerfeier für schmelzenden Schneeferner-Gletscher nahe der Zugspitze: "Das wird doch nichts mehr"
Zugspitze - Till Rehm kann sich noch genau erinnern. Er deutet auf einen riesigen braunen Abhang, auf dem Unmengen an Geröll liegen. "Als ich vor 15 Jahren hier mit dem Forschen anfing, war das alles auch im Sommer Weiß – überall war Schnee", sagt er. Doch von Jahr zu Jahr schmolzen die beiden Schneeferner-Gletscher, unweit des Gipfels der Zugspitze, weiter.
Noch ist offen, wie stark die Hitzerekorde der vergangenen Wochen den verbliebenen Eis- und Schneeplatten zugesetzt haben. "Mit bloßem Auge lässt sich aber bereits erkennen, dass an manchen Stellen statt Schnee nun nur noch Schutt liegt", so Rehm. Der Wissenschaftler muss es wissen. Seine Forschungsstation auf 2.650 Höhenmetern liegt in Sichtweite des noch verbliebenen Gletschers.
Bis 2030 komplett geschmolzen: Abschied vom Schneeferner-Gletscher
An diesem nass-kalten Dienstag Ende Juli steht Rehm direkt vor den blau-weiß schimmernden Gletscherresten des Nördlichen Schneeferners. Außer ihm haben sich rund 50 Menschen auf dem sogenannten Zugspitzblatt unweit des Gipfels des höchsten deutschen Berges versammelt. Mit einer "Totenmesse" verabschieden sie sich vom "Naturdenkmal Schneeferner".
Denn aufgrund der menschgemachten Erderwärmung wird der Nördliche Schneeferner Experten zufolge wohl bereits im Jahr 2030 komplett geschmolzen sein. Dem Südlichen Schneeferner hat die Bayerische Akademie der Wissenschaften bereits 2022 den Status als Gletscher aberkannt.
Die extremen Hitzewellen des vergangenen Sommers waren einfach zu viel. Nur mehr etwas Schnee und Matsch erinnern heute an den einst mächtigen Eisriesen.
"Totenmesse" für den Schneeferner-Gletscher
Vor dem Nördlichen Schneeferner riecht es an diesem Dienstag nach Weihrauch. Ein Mann trägt ein riesiges, mit einem Totenschädel verziertes Kreuz, in Richtung Gletscher. Im Hintergrund sind pastorale Gesänge zu hören. Es weht ein eisiger Wind und immer wieder prasselt Regen herunter – beinahe so, als wolle der liebe Gott zeigen, dass er unzufrieden mit dem Umgang seiner Schäfchen mit seiner Schöpfung ist.

Zu Beginn der Messe wird mehrere Minuten lang die Glocke der auf gut 2600 Meter gelegenen Kapelle Mariä Heimsuchung geläutet. Es ist ein schrilles Läuten, beinahe so wie die Glocken klangen, wenn im Mittelalter vor einer Katastrophe gewarnt wurde.
Und genau dies tun Pfarrerin Uli Wilhelm sowie katholische der Pastoralreferent Florian Hammerl bei der in der Kapelle beginnenden Messe. Sie prangern unisono die Zerstörung der göttlichen Schöpfung an.
Klimawandel auf der Zugspitze: "Mit Gottes Segen Natur retten und Erderwärmung stoppen"
"Noch in 200.000 Jahren wird zu spüren sein, was wir in nur 200 Jahren angerichtet haben", mahnt Wilhelm. Und Hammerl sagt zwischen musikalischen Einlagen und Gebeten: "Manchmal denke ich: Das wird doch nichts mehr."
Wenn er etwa sehe, "wie gleichgültig Politik und Wirtschaft oft handeln". Aber es gebe auch die anderen Tage, an denen er glaube, dass die Menschen "mit Gottes Segen die Natur noch retten und die Erderwärmung stoppen können". Immer mehr Menschen würden etwa auf das Auto verzichten.

Hammerl bleibt optimistisch. "Unser Gott ist ein Gott des Lebens." Am Ende habe die Menschheit noch immer jede Krise gemeistert. Der Glaube versetzt sprichwörtlich Berge – das Abschmelzen der Gletscher wird er jedoch nicht stoppen. Wohl im Jahr 2040 wird laut Rehm der letzte von heute noch vier deutschen Gletschern verschwunden sein.
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