Rammstein-Skandal bei "Hart aber fair": "Verwunderung" über Anschuldigungen und ein unverpixeltes Penisfoto – Redaktion reagiert mit Erklärung

Louis Klamroth schmeißt bei "Hart aber fair" am Montagabend den Rammstein-Skandal, ein Dickpic, sexuelle Übergriffe und Männlichkeitsthemen zusammen. Das wird zur problematischen Mischung. Und ein unverpixeltes Penisfoto verwundert die Zuschauer. Die AZ bei der "Hart aber fair"-Redaktion nachgefragt.
Doris Neubauer, AZ |
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"Der Fall Rammstein und die Frage: Männer, seid Ihr wirklich noch nicht weiter?", war die "Hart aber fair"-Ausgabe vom Montag überschrieben.
"Der Fall Rammstein und die Frage: Männer, seid Ihr wirklich noch nicht weiter?", war die "Hart aber fair"-Ausgabe vom Montag überschrieben. © ARD/WDR

"Schämen Sie sich für die Männerwelt?" Es ist eine rhetorische Frage, die Moderator Louis Klamroth dem "SZ"-Journalisten und Buchautor Thomas Haberl stellt. Bei der letzten Diskussionsrunde von "Hart aber fair" vor der Sommerpause bekam am Montagabend im Ersten das sogenannte starke Geschlecht sein Fett weg.

Causa Rammstein bei "Hart aber Fair": Thomas Stein verteidigt Till Lindemann

Die Vorwürfe von Machtmissbrauch gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann stehen am Anfang der Diskussion. Der ehemalige Musikmanager Thomas Stein zeigt sich im ARD-Talk "verwundert" über die Anschuldigungen und verteidigt Lindemann durchaus originell: "Wie der mit 60 Jahren über die Bühne rennt, da soll der plötzlich runtergehen und jemanden beglücken? Da muss er ins Museum, das ist eine Kraft, die kannst du gar nicht aufbringen."

Zugleich warnt der Ex-DSDS-Juror, hier werde "jemand wirklich extremst vorverurteilt", und spricht von einer "Riesengefahr, dass die Band auseinanderfällt". Und auch Tobias Haberl betonte: "Nicht jeder Mann ist missbrauchsfähig", gibt aber dann doch zu: "Ich schäme mich sehr oft für die Männerwelt."

Ex-Musikmanager Thomas Stein hält Rammstein-Sänger Till Lindemann für vorverurteilt und sieht "Riesengefahr, dass die Band auseinanderfällt".
Ex-Musikmanager Thomas Stein hält Rammstein-Sänger Till Lindemann für vorverurteilt und sieht "Riesengefahr, dass die Band auseinanderfällt". © ARD/WDR

"Hart aber fair"-Redaktion zeigt unverpixeltes Penisfoto

Gründe dafür gibt es zuhauf. Denn: "Sexuelle Übergriffe gibt es nicht nur beim Rammstein-Konzert, sondern überall im Alltag", beruft sich Louis Klamroth auf Statistiken. So gaben 87 Prozent aller Frauen bei einer Umfrage aus dem Freistaat Sachsen an, mindestens einmal im Leben ungewollten Körperkontakt zu haben. Dazu zählen nicht nur sexistische Sprüche, Küssen und Begrapschtwerden.

Mit – ebenso ungewollten – Dickpics (Fotos von männlichen Geschlechtsteilen) müssen Frauen ebenfalls rechnen. Nicht von den beiden Männern im Panel: "Ich habe noch nie eines verschickt und auch nicht bekommen. Gott sei Dank", lässt Haberl wissen, und Stein bezeichnet diejenigen, die das tun, als "bescheuert. Wenn das [Foto vom Penis, d.R.] so aussieht, da kann man ja nur bekloppt sein. Ich käme nicht auf die Idee, aber die Zeit hat sich verändert." Für ihn sei es völlig unverständlich, aber es gebe durch "die mediale Verbreitung so viele Zugangstüren, die es früher ja nicht gab."

Zuvor hatte die Redaktion im Einspieler ein Fotobeispiel nur anfangs verpixelt gezeigt: "Das sieht dann so aus. Achtung! Wir zeigen es jetzt." (Hinweis: Online ist diese Szene nicht abrufbar.)

"Hart aber fair" reagiert mit Erklärung: Vielen Menschen sei diese Tatsache gar nicht in vollem Umfang bewusst

Warum die Redaktion ausgerechnet ein Bild, das unfreiwillig von Frauen angesehen werden muss, nun auch den Zuschauern präsentiert, verwundert. Die AZ bei "Hart aber fair" nachgefragt. "Das Foto verdeutlicht einen Missstand in unserer Gesellschaft, den wir auf diese Weise veranschaulicht haben. Wie in der Sendung und im Einspielfilm erklärt, bekommen viele Frauen auch im Jahr 2023 sexistische Kommentare hinterhergerufen, werden unangemessen bedrängt oder erhalten unverlangt sexistische Fotos zugeschickt, wie bspw. sogenannte 'Dickpics'", erklärt die Redaktion auf Anfrage.

Vielen Menschen sei diese Tatsache gar nicht in vollem Umfang bewusst. "Daher haben wir uns in Abstimmung mit dem Jugendschutzbeauftragten des WDR dafür entschieden, ein solches Foto kurz einzublenden - selbstverständlich angekündigt und eingebettet in den Kontext."

CDU-Politikerin: "Ich wurde zum Glück noch nie körperlich belästigt"

Eine Ausnahme zur Statistik stellen offenbar auch die weiblichen Gäste bei "Hart aber fair" dar. "Ich wurde zum Glück noch nie körperlich belästigt", betont CDU-Kommunalpolitikerin Lisa Schäfer. "Als unangenehm empfinde ich aber, wenn ich durch Brennpunktstraßen in größeren Städten laufe und mir junge Männer, deren Sprache ich oft nicht verstehe, Sprüche hinterherrufen. Da entsteht ein Gefühl der Unsicherheit", argumentiert die 22-Jährige und erntet dafür nicht nur von Louis Klamroth ("Sprechen Sie kein Englisch?") Unverständnis.

"Ich lebe in Berlin Neukölln, mir geht es so auf dem Oktoberfest", kontert die Journalistin und Projektleiterin "Gemeinsam gegen Sexismus" Stefanie Lohaus. Dass die beiden Frauen in zwei verschiedenen Welten leben, zeigt sich an diesem Abend mehrfach. So vertraut Schäfer auf die "hervorragende Arbeit" der Polizei bei Missbrauchsverdacht, während Lohaus auf Probleme mit der Rechtsprechung und Fallanalysen auf www.frauen-gegen-gewalt.de verweist. Und auch bei Themen wie der Wirksamkeit von Frauenquoten und den Gründen für einen Gender-Pay-Gap klaffen die Ansichten auseinander.

Bevor die Debatte(n) jedoch emotional werden, lenkt die Journalistin den Blick auf das Wesentliche: "Wichtig ist, von Einzelpersonen wegzukommen und hin zu einer gesamtgesellschaftlichen Debatte. Wie können wir damit umgehen, dass es so etwas gibt?"

Haberl: Männer "nicht schreddern wie männliche Küken"

Die Frage stellt sich auch Haberl, der in seinem Buch "Der gekränkte Mann" die Männer und Männlichkeit verteidigt. "Sehr tastend und differenziert", wie er meint. "Wir haben die Männer nun einmal, wie müssen mit ihnen umgehen", lautet seine Schlussfolgerung, "wir können sie nicht schreddern, wie wir das mit männlichen Küken jahrelang getan haben. Wir müssen Konzepte finden, die nicht nur darauf beruhen, mit dem Finger darauf zu zeigen, uns zu empören und uns immer wieder darüber zu freuen, dass wir bestätigt werden, dass Männer gewalttätig seien." Vielmehr sei es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, dass Männer nicht gewalttätig werden. 

Louis Klamroth verabschiedete sich mit einem Talk über toxische Männlichkeit in die Sommerpause.
Louis Klamroth verabschiedete sich mit einem Talk über toxische Männlichkeit in die Sommerpause. © ARD/WDR

"Wir brauchen einen anderen Ansatz", stimmt ihm Ex-Bundesfamilienministerin und Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth von der CDU zu. "Wir empören uns, dass es passiert, wissen aber, dass es schon lange passiert. Und es passiert wenig dagegen", kennt die 86-Jährige den zähen, langwierigen Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter aus erster Hand. Ein Beispiel für jahrelanges Ringen sei die Ausweitung der Frauenquote, die jetzt in der Union beschlossen wurde und die ausgerechnet bei jungen Frauen wie Lisa Schäfer auf wenig Anklang stößt. "Die Quote grenzt aus, und ich bin Fan des Leistungsprinzips", begründet die junge Kommunalpolitikerin ihre Skepsis. 

Rita Süssmuth: "Wartet nicht wieder 100 Jahre, sondern handelt!"

"Ich bin auch für die Überwindung der Quote", erklärt Süssmuth (und Schäfer freut sich: "So sieht generationsübergreifende Zusammenarbeit in der CDU aus!"), "es geht um die Umsetzung unseres Grundgesetzes. Um die Armutsbekämpfung von Frauen und Kindern. Es geht nicht nur um die Verbindlichkeit, die Zahlen zu schaffen, sondern um neue Pläne zu haben, wie wir im Parlament Themen einbringen, die Frauen kräftig behandeln."

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Vor allem fordert die "Feministin der ersten Stunde", wie Louis Klamroth die ehemalige TU-Professorin vorstellt, eine Beschleunigung des Prozesses: "Wartet nicht wieder 100 Jahre, sondern handelt!", meint sie, "das Handeln ist das Wichtigste. Der Geschlechterkonflikt ist nicht die Aufgabe, die wir heute haben oder haben sollten. Wir müssen in Wertschätzung und Respekt miteinander aus dieser schwierigen Situation herauskommen. Das können wir nur gemeinsam schaffen." Das Panel habe sie davon bereits überzeugt, beobachtet Louis Klamroth.

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25 Kommentare
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  • Chris_1860 am 20.06.2023 18:42 Uhr / Bewertung:

    Louis plappert brav nach, was ihm seine Luisa an Flöhen ins Ohr setzt.

    Seit Plasberg weg ist, hat die Sendung ganz extrem an Format, Qualität, Neutralität usw. verloren.

    Auch in den öffentlichen rechtlichen TV-Anstalten hat Links/Grün die Hosen an und gibt die Richtung vor, incl. angepasster Moderatoren, Gender-Unsinn, ausgewählt ins eigene Dogma passenden Themen incl. Gästen.

    Dito bei vielen Presseorganen.

  • Sarah-Muc am 20.06.2023 22:18 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Chris_1860

    Sie wissen, dass Luisa ihm Flöhchen ins Ohr setzt? Woher?
    Sie müssen es ja nicht anschauen wenn Ihnen alles zu links und grün ist. Da findet ein Generationenwechsel statt der Ihnen nicht passt und den Sie nicht mehr verstehen .

  • Chris_1860 am 20.06.2023 22:42 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Sarah-Muc

    Auch dieser vorübergehende Spuk wird sein baldiges Ende haben, das du dann nicht mehr verstehen wirst.

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