Die Hintergründe und Folgen des Kivran-Ausstiegs bei Türkgücü
München - Hasan Kivran, das Phantom der Dritten Liga. Der Türkgücü-Präsident und -Mäzen, der schon zuvor so gut wie nie öffentlich gesprochen hat, weigert sich selbst jetzt, da sein Rückzug den Verein in eine existenzielle Krise stürzt, seine Beweggründe für diesen mehr als überraschenden Schritt zu erklären.
Geschäftsführer Kothny muss Kivrans Ausstieg moderieren
Übernehmen muss diese undankbare Aufgabe für ihn Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny, der allerdings selbst von der Entscheidung seines Chefs eiskalt erwischt wurde.
Davon erfahren hatten Kothny sowie die sportliche Führung und die gesamte Mannschaft nämlich erst einen Tag vor Weihnachten auf der Busfahrt zurück vom Punktspiel in Meppen (4:1) - und leider auch nicht von Kivran selbst, sondern über einen Medienbericht.
Ohne Investor Kivran ist das Projekt Türkgücü zum Scheitern verurteilt
Viel schlimmer noch als dieser interne Kommunikations-Gau wiegt die Konsequenz aus Kivrans Abschiedsplänen. Ob der 54-Jährige sein Engagement allein wegen der fehlenden Wirtschaftlichkeit aufgibt oder ob, wie Kothny etwas kryptisch erklärt, auch noch andere Gründe, über die man aber nicht sprechen könne, eine Rolle spielen, ist da schon beinahe nebensächlich.
Denn Fakt ist nun mal: Ohne Investor ist das ganze Projekt zum Scheitern verurteilt. Oder wie es Kothny formuliert: "Wir brauchen einen Interessenten, der Liquidität in den Verein bringt, damit wir die Saison zu Ende spielen können."
Kivran-Nachfolge: Die Zeit drängt
Die stehen allerdings nicht Schlange in Zeiten von Corona, wo die gesamte deutsche Wirtschaft unter der Pandemie ächzt und ohne Zuschauer auch der Werbefaktor ziemlich begrenzt ist.
Zwar würden Gespräche mit potenziellen Nachfolgern, die Kivrans Anteile (89 Prozent) an der Türkgücü Fußball GmbH übernehmen wollen, aktuell bereits geführt, aber von einer Einigung ist man - laut Kothny - noch sehr weit entfernt.
Dabei drängt die Zeit. Denn bis Ende Januar muss der Drittliga-Aufsteiger seine Unterlagen beim DFB für die Nachlizensierung einreichen - und dabei spielt die finanzielle Perspektive des Vereins eine ganz entscheidende Rolle. "Wir haben Einnahmen von Sponsoren und bekommen auch TV-Geld, aber das reicht natürlich nicht aus", erklärt Kothny.
35 Spieler: Türkgücü-Kader extrem aufgebläht
In einer Liga, in der die Klubs hauptsächlich von den Zuschauereinnahmen leben, schlagen die Geisterspiele doppelt ins Kontor. Und auch vom Hilfsfonds der Bundesregierung für notleidende Profiklubs haben sich die Türkgücü-Macher deutlich mehr erhofft.
800.000 Euro können Vereine im besten Fall beim Bund abrufen, gerechnet hatten Kothny und Co. mit 500.000 Euro, am Ende wurde es ein Betrag im unteren fünfstelligen Bereich. Damit lassen sich aber auch in Deutschlands unterster Profiliga nicht einmal die Spielergehälter eines Monats stemmen. Und schon gar nicht bei einem Verein, der einen mit 35 (!) Akteuren extrem aufgeblähten Kader besitzt.
Was wird aus Türkgücü-Topscorer Sararer?
Hier soll nun als erstes die Kostenschraube angesetzt werden. Im vergangenen Sommer hatten die Spieler wegen Corona bereits einem Gehaltsverzicht zugestimmt, nun wird das Thema wohl erneut auf den Tisch kommen müssen. Außerdem soll in der nun anstehenden Transferperiode kräftig ausgedünnt werden.
Das hatte Kothny bereits seit längerem angekündigt - dabei aber sicher nicht seine Stars wie Topscorer Sercan Sararer (15 Torbeteiligungen) im Sinn. Andererseits würden gerade Spieler dieser Kategorie dringend benötigtes Geld in die klammen Kassen spülen.
"Bislang hat mich keine Anfrage für Sercan erreicht und ich glaube auch, dass er sich bei uns sehr wohl fühlt", versichert Kothny zwar eisern - aber ausgeschlossen ist aktuell wohl gar nichts.
Besonders hart trifft die Ungewissheit deshalb auch Trainer Alexander Schmidt, denn er und seine Mannschaft haben sich nichts vorzuwerfen. Nach 17 Spieltagen steht Türkgücü mit 24 Punkten auf Platz acht.
Türkgücü-Trainer Schmidt: "Sportlich sind wir in der Spur"
Der Rückstand auf den Tabellendritten TSV 1860 beträgt nur drei Zähler. "Sportlich sind wir in der Spur", sagt Schmidt der AZ - und schiebt hinterher: "Jetzt hoffen wir einfach, dass sich die Thematik positiv für uns entwickelt." Auch ihm bleibt nichts anderes übrig, als auf das Prinzip Hoffnung zu setzen.
Dafür muss aber ein Investor her. Dringend! Sonst könnte die Erfolgsgeschichte des ersten von Migranten gegründeten Vereins, der im Profifußball angekommen ist, rasch ein tragisches Ende nehmen.